Unter dem Motto „Gegen Krieg und Aufrüstung“ fand am 21. September 2024 die Friedenskonferenz der DIDF Hamburg (Föderation demokratischer Arbeitervereine), unter anderem mit der Unterstützung des Hamburger Forums für Frieden und Völkerverständigung statt. Mit über 200 Teilnehmenden und zahlreichen Gästen aus der bundesweiten Friedens- und Gewerkschaftsbewegung wurde über den Nachmittag bis in den Abend im Rahmen von zwei Podien über die aktuelle Lage von Krieg und Aufrüstung, sowie die Perspektiven der Friedensbewegung in Deutschland diskutiert. Neben bekannten Gesichtern der Friedensbewegung war besonders die Teilnahme zahlreicher Jugendlicher bei der Konferenz bemerkenswert. Die Veranstaltung konnte einen wichtigen Beitrag zu den Diskussionen leisten, die heute umso wichtiger sind zu führen, und die Wichtigkeit des bundesweiten Protesttages am 3. Oktober betonen.
Eröffnet wurde die Konferenz durch Deniz Celik, Bürgerschaftsabgeordneter und Teil des Vorstands der DIDF Hamburg. Celik betonte, dass die internationalen Konflikte ein Zeichen der Neuaufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten seien. Dabei fallen diese Konflikte um Neuaufteilung zu Lasten der lohnabhängigen Klasse und unterdrückten Völker weltweit. Aufrüstung, Migration und Nationalismus sind Folgeerscheinungen, wobei auch die Angriffe auf die demokratischen Rechte ein alarmierendes Zeichen der Militarisierung seien. Mit dem Ausruf der Zeitenwende in Deutschland würde sich nun wieder kriegstüchtig gemacht, was den Kampf für Frieden nur umso wichtiger macht. Die DIDF möchte ihren Beitrag dazu leisten und gemeinsam Antworten auf die Frage finden, wie wir heute eine starke Bewegung gegen Aufrüstung und Krieg aufbauen können.
Auch Norman Peach, emeritierter Professor für Politikwissenschaften und öffentliches Recht, richtete einige einleitende Worte an die Konferenz und zeichnete ein Bild der internationalen Konfliktherde. Dabei betont er den Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza durch den israelischen Staat. Der Angriff der Hamas sei zu verurteilen, jedoch sei „die Antwort Israels […] schon lange zu einem Völkermord ausgeartet“ und „die halbherzigen Forderungen nach einem Waffenstillstand“ Deutschlands und der USA „werden untergraben von den Waffenlieferungen“, die diesen Völkermord weiterhin ermöglichen. Die Rufe nach Frieden seien hohl, solange die Waffenlieferungen nicht gestoppt werden. Peach warnte vor der Vereinbarung zwischen den USA und der deutschen Regierung zur Stationierung von US-Waffensystemen in Deutschland und der näher rückenden Gefahr eines Atomkriegs. Die sich abzeichnende Konfliktlinie machte er deutlich aus: „Hinter dem alten Feind Russland haben die USA China als neue Herausforderung ausgemacht.“ Als Weckruf für die Friedensbewegung in Deutschland verwies er auf die Proteste gegen Stationierung der Pershing-II-Raketen in den 80er Jahren und appellierte an einen unnachgiebigen Protest für Frieden.
Zum ersten Podium fanden sich unter dem Titel „Weltweite Kriegsgefahr, Aufrüstung und Militarisierung – was können wir gemeinsam dagegen tun?“ Taylan Ciftci aus dem Bundesvorstand der Föderation Demokratischer Arbeiterverein (DIDF), Özlem Alev Demirel, Europa-Abgeordnete für DIE LINKE, Yusuf Karadas aus der Redaktion der Tageszeitung Evrensel (Türkei) und Reiner Braun aus der Friedensbewegung zusammen. Zu Beginn stellte Ciftci heraus, dass die selbstgeschaffene Zeitenwende in Deutschland eine Reaktion auf die sich real verschiebenden Machtverhältnisse in dieser Welt sei, in denen Deutschland versucht, seine Position zu stärken und zu einem noch eigenständigeren Akteur in den weltweiten Konflikten zu werden. Die Aufrüstung und Militarisierung gehe direkt zur Last der arbeitenden Bevölkerung und werfen die Frage auf, wie sich die Werktätigen dagegen wehren können.
Auf die angebliche Rolle der EU als Friedensprojekt angesprochen stellte Demirel in ihrem Beitrag in Frage, warum die EU den Friedensnobelpreis bekommen hat. Die EU betone zwar im Wort immer wieder die wertebasierte Außenpolitik, sorge jedoch lediglich für einen freien Zugang zu Absatzmärkten und Arbeitskräften. Für den Erhalt demokratischer Freiheiten sowie des Friedens müssten sich die europäischen Mächte aus den kriegerischen Spiralen zurückziehen und diese nicht weiter befeuern. Beispielsweise der Krieg in der Ukraine sorge nicht für die Sicherheit der arbeitenden Menschen in Europa, sondern bedrohe ihre Sicherheit nur weiter. Sie äußerte den Wunsch nach einer starken Friedensbewegung in allen Ländern und erinnerte ein Zitat Rosa Luxemburgs, „dass Kriege nur dann und nur so lange geführt werden können, als die arbeitende Volksmasse sie entweder begeistert mitmacht […] oder wenigstens duldend erträgt. Wenn hingegen die große Mehrheit des werktätigen Volkes zu der Überzeugung gelangt […] dass Kriege eine barbarische, tief unsittliche, reaktionäre und volksfeindliche Erscheinung sind, dann sind die Kriege unmöglich geworden!“
Yusuf Karadas leitete die Gefahr des Weltkriegs von dem Ausbau neuer Handelsrouten, wie dem chinesischen Projekt der Neuen Seidenstraße und dem Wirtschaftskorridor Indien-Nahost-Europa der G7 ab. Viele der aktuellen Konfliktlinien spielen sich nicht ohne Grund an diesen Routen ab. Die Annahme vieler, dass die Bedeutung des Nahen Osten in diesen Konflikten abnehmen würde, habe sich nicht bestätigt – im Gegenteil. Im Zuge des Ukrainekrieges und der Sanktionen gegen Russland habe auch der Nahe Osten als Rohstoff-Lieferant wieder an Bedeutung gewonnen. Den Anstieg der globalen Militärausgaben um 6,8% ordnete er nach Anton Tschechow ein: Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, kann das Publikum davon ausgehen, dass es im Laufe des Stückes losgeht. Als Antwort auf diese Tendenzen betonte Karadas jedoch die Macht der Arbeiterklasse und zeigte auf, dass die Kämpfe der Hafenarbeiter in Italien und der Studierenden weltweit gezeigt haben, dass es dort, wo es einen Kampf an der Basis gibt, auch Hoffnung gibt.
Reiner Braun betonte: „Entweder man ist für Frieden und gegen Krieg oder für Krieg und gegen Frieden.“ Er stellte die ständige Erweiterung der NATO heraus, die heute eigentlich keine nordatlantische, sondern eine globale Organisation sei, die die unipolare Weltordnung mit den USA als Zentrum verteidigen würde. Das sei die Grundlage der kriegerischen Auseinandersetzungen heute. Auf die Perspektiven der internationalen Friedensbewegung angesprochen wurde auch ein Widerspruch zum Vorredner deutlich: Braun betonte, dass die Mächte auf der Welt, die für den Frieden in der Ukraine seien (unter anderem Südafrika, Indien oder China) die Verbündeten der Friedensbewegung sein müssten – anders als Karadas, der zuvor die Solidarität der Arbeiter und der Völker und nicht der Staaten hervorgehoben hatte. Zudem betonte Braun die Entwicklungen in Sudan, Kongo und der Sahelzone – auch die Konflikte in diesen Regionen müssten von der Friedensbewegung thematisiert werden, denn auch diese Kriege hätten ihren Ursprung in den Ressourceninteressen unter anderem Deutschlands.
Im Anschluss taten sich weitere Diskussionen auf: So verwies Demirel auf die Gefahr, Deutschland nicht als „Vasallen“ der USA zu betrachten, wie Braun es formuliert hatte, sondern als imperialistische Macht mit eigenen Interessen in der Welt, die auch eigenständig verfolgt werden. Anstatt zu betonen, dass Deutschland die „deutschen Interessen“ missachte, müssten die eigene imperialistische Politik klar benannt werden. Braun betonte in Bezug auf die Diskussion: Eine Friedensbewegung, die nicht diskutieren würde, sei tot. Die, die nicht gemeinsam handeln kann, sei überflüssig. Zudem ging er auf die Langstreckenraketen ein, die die USA in Deutschland 2026 stationieren wird: Bis dahin müsse es die Aufgabe der Friedensbewegung sein, eine politische Bewegung gegen dieses Vorhaben hervorzubringen, die die Stationierung stoppen kann. Der Startschuss dafür sei die Demonstration am 3. Oktober in Berlin. Ciftci verwies zum Abschluss ebenfalls auf bestehende Meinungsverschiedenheiten, zum Beispiel in der Frage, ob China oder Russland eigene imperiale Interessen hätten, was er bejahte. Doch er betonte ebenfalls, dass man als Bewegung Forderungen formulieren müsse, hinter denen sich die Mehrheit der Menschen im Land versammeln können anstatt sich die Politik imperialistischer Mächte zum Anliegen zu machen. Alle Redner riefen dazu auf, sich geeint und ohne jede Spaltung zur bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober zu versammeln.
In der zweiten Podiumsdiskussion diskutierten Yusuf As aus dem Bundesmigrationsausschuss der ver.di und Mitglied im Gewerkschaftsrat, Ulrike Eifler als Bundessprecherin der BAG „Betrieb und Gewerkschaft“ in der Partei DIE LINKE und Rolf Becker, Schauspieler und Gewerkschaftler, zu der Frage „Wie wirkt sich die Lage in Betrieb, Alltag und auf die demokratischen Freiheiten in Deutschland aus – was können wir gemeinsam dagegen tun?“.
As, Mitinitiator des Aufrufs der „Gewerkschafter gegen Aufrüstung“, stellte zu Beginn heraus, dass sich die Führungen der Gewerkschaften zwar in vielen Fällen gegen die Friedensfrage wehren, Friedensbewegte jedoch auch innerhalb der Gewerkschaft für Forderungen gegen den Krieg kämpfen. Es würde sich in der Friedensfrage zeigen, dass die Gewerkschaften an vielen Stellen nach wie vor eine staatstragende Rolle einnehmen, wie sie es auch in sozialen Fragen tut: Zum Beispiel in den Konzertierten Aktionen, in denen Regierung, Gewerkschaftsführung und Kapitalseite an einem Strang ziehen, um statt Lohnerhöhungen Einmalzahlungen durchzusetzen. Dabei gelte es, in all diesen Fragen, sozialen und politischen, die fortschrittlichen und kämpfenden Elemente innerhalb der Gewerkschaften zu stärken. Anhaltspunkte seien Diskussionen auf den Gewerkschaftstagen, zum Beispiel der IG Metall, wo ein Beschluss für Rüstungskonversion gefasst wurde. Gleichzeitig habe die IG Metall wenige Monate später ein Papier mit der Rüstungslobby beschlossen, wo die Zukunftsfähigkeit der Rüstungsindustrie gefordert wurde. Diese Desorientierung der Gewerkschaftsführungen laste auf den arbeitenden Menschen und ihren Kämpfen.
Auch Eifler betonte die Rolle der organisierten Arbeiterklasse, denn „die Wurzeln der Friedensbewegung sind proletarische Wurzeln.“ Zu Kriegszeiten seien es immer die Arbeiter in den Fabriken und Schützengräben gewesen, die dem Krieg mit ihren Kämpfen etwas entgegensetzen konnten. Aufbauend auf den Vorredner führt sie aus, wie der Kampf innerhalb der Gewerkschaften gegen die Sozialdemokratie ebenfalls Tradition hat, bereits in den 80er Jahren mussten die fortschrittlichen Kräfte in den DGB-Gewerkschaften sich behaupten. In Kriegszeiten müssten Gewerkschaften nicht nur Lohn-, sondern auch Friedensfragen stellen, weil diese miteinander verknüpft seien. Militarisierung und Arbeitswelt gehen Hand in Hand , das sehe man auch an konkreten Beispielen, wie dass Boris Pistorius in Vorlauf zu den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst betont, dass es keinen guten Abschluss für die Arbeiter geben kann, weil das weniger Geld für die Aufrüstung bedeuten würde. Daran anknüpfend muss die Auseinandersetzung mit der Zeitenwende das Zentrum der Auseinandersetzung in der Gesellschaft werden.
Der Beitrag von Rolf Becker zur Verantwortung der Medienschaffenden stellte ein aktuelles Beispiel heraus: Die Schlagzeile des Hamburger Abendblattes, dass der Hamburger Hafen der NATO in einem Kriegsfall zur Verfügung stehen müsste, die von Peter Tschentscher, dem ersten Bürgermeister, formuliert wurde. Da müsste gefragt werden: Warum wird diese Forderung durch die Hamburger Regierung so weitergegeben? Wo bleibt die Gegenseite, ein „Nein“ zum Kriegshafen, ein „Nein“ zu Rüstungsexporten? Es müsse die Verantwortung der Presseschaffenden sein, zur Interpretation der sich ständig ändernden Faktenlage beizutragen. Die Rolle der Medien in verschiedensten Kriegen habe immer wieder gezeigt, welche Rolle die Unterschlagung und Verdrehung der Tatsachen dabei spiele, in der Bevölkerung Zustimmung für Kriege zu generieren – hier müssen auch kritische Berichterstattung einsetzen.
Besonders die Rolle des Kampfes innerhalb der Gewerkschaften für eine Politik im Sinne der Arbeiter wurde auf dem zweiten Podium betont. Die Gewerkschaften haben bei vielen Gelegenheiten in der Vergangenheit auch als politische Akteure agiert, darauf müsse aufgebaut werden. Dieser Druck von unten muss gestärkt werden!
Für einen kulturellen Ausklang der Veranstaltung sorgte Michael Weber mit der Inszenierung einiger antimilitaristischer Gedichte. „Es gibt so viele schöne Texte gegen Krieg, liest das denn keiner?“. Unter Beiträgen von Hein, Müsa, Kästner und Brecht sticht besonders das Gedicht „Dann gibt es nur eins!“ von Wolfgang Borchert hervor: „Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins: Sag nein!“
Die Friedenskonferenz war ein wichtiger Beitrag, um die Friedensbewegung zu versammeln und sowohl ein starkes Zeichen zu setzen, aber auch die verschiedenen Positionen zu hören. Gerade in Zeiten, in denen Krieg und Aufrüstung in Deutschland ein neues Tempo annehmen, muss die Friedensbewegung einen festen Stand einnehmen, gerade zu den politischen Fragen, die auch auf der Friedenskonferenz kontrovers diskutiert wurden. Haltungen, die mit „deutschen Interessen“ oder auch den Sicherheitsinteressen anderer imperialistischer Mächte wie Russland und China argumentieren, führen zur Schwächung der Bewegung – um wirklich für den Frieden zu kämpfen muss der Klassencharakter des Krieges auf allen Seiten betont werden. Die arbeitenden Menschen weltweit können sich in ihrem Kampf auf keiner Seite auf die imperialistischen Staaten verlassen, sie müssen entgegen allen Imperialisten für Frieden kämpfen. Die Konferenz hat in dieser Frage wichtige Diskussionen aufgezeigt. Gleichzeitig konnte ein sehr positives Signal gesendet werden, indem alle Sprecher sowie die Veranstalter gemeinsam aufriefen, am 3. Oktober nach Berlin zur Friedensdemo zu anreisen, um ein gemeinsames Zeichen zu setzen – gegen Krieg und Aufrüstung!