Foto: Junger Soldat im Vietnamkrieg; gemeinfrei; pixabay.com
Erinnern wir uns: Ausgesetzt wurde die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland 2011 durch den damaligen „Verteidigungs-“Minister Freiherr zu Guttenberg (CSU). Wohlgemerkt: ausgesetzt, nicht abgeschafft… mit der Option, sie wieder in Kraft zu setzen, ohne großes parlamentarisches Primborium, wenn die Herrschenden das so wollen.
Und jetzt, nach der „Zeitenwende“ und weil Deutschland „kriegstüchtig“ (Kriegsminister Pistorius) werden soll, steht die allgemeine Wehrpflicht wieder zur Diskusssion, denn: es gehen nicht genügend junge Menschen freiwillig zum „Arbeitgeber Bund“, dass die gewünschte Truppenstärke für die BuWe erreicht würde. Laut Bundeswehr arbeiten derzeit (Juni 2024) 179.700 Soldatinnen und Soldaten in Uniform für die Bundeswehr. Das Erreichen der Sollstärke von 203.000 wurde bereits mehrfach verschoben, trotz Werbung durch Jugendoffiziere an Schulen, trotz Rekrutierung von unter 18-jährigen und trotz „raffinierter“ Werbung auf verschiedenen Kanälen. Wer will schon gern als Kanonenfutter fürs deutsche Kapital im Ernstfall sein Leben opfern?
Deshalb kündigte Pistorius in diesem Frühjahr an, einen Vorschlag für ein „Wehrdienstmodell neuer Art“ vorzulegen. Auf einer Leitungsklausur des BMVg wurden dafür drei Modelle vorgestellt.
Das erste Modell beruht auf Freiwilligkeit: Mit Erreichen des 18. Lebensjahres sollen alle deutschen Staatsbürgerinnen und -bürger erfasst werden und Infomaterial der BuWe zugeschickt bekommen. Freiwillig sollen sie zudem einen Online-Fragebogen ausfüllen, der unter anderem die „persönliche Einstellung“ zur Bundeswehr und „die Motivation zum Wehrdienst“ feststellt. Gesetzlich müsste dazu nur unwesentlich etwas geändert werden. Der Nutzen für die Rekrutierung von Soldaten wird aber als „nicht sehr groß“ eingeschätzt.
Zweites Modell: Es wird vom BMVg als „grundgesetzkonforme Auswahlwehrpflicht“ bezeichnet, weil der jetzt (im Gegensatz zu Modell 1) nicht mehr freiwillige Online-Fragebogen und die Musterung „für Männer verpflichtend“ werden soll, aber nicht für Frauen.
Das dritte erwogene Modell beinhaltet die „geschlechtsneutrale Wehrpflicht“, weil dabei alle Männer und Frauen gezwungen wären, den Online-Fragebogen der Bundeswehr auszufüllen… und wenn sie unter die Auswahl fallen, zur Musterung anzutreten. Das wird dann eben als „geschlechtsneutral“ bezeichnet. Dafür wäre dann auch eine Änderung des Grundgesetzes nötig – das heißt eine 2/3-Mehrheit im Parlament.
Obwohl Kriegsminister Pistorius das dritte Modell bevorzugen würde (allgemeine Wehrpflicht für Frau und Mann), stellte er mit Rücksicht auf Kanzler Scholz und viele Abgeordnete der Koalitionsparteien Grüne und FDP am 12. Juni im Verteidigungsausschuss und der anschließenden Bundespressekonferenz das zweite Modell vor. Freiwillig ist da der Wehrdienst allerdings nicht. Alle jungen Männer ab 18 wären zur Beantwortung des Fragebogens verpflichtet und können dann zur Musterung vorgeladen werden. Das wären derzeit etwa 400.000 junge Männer. Das nennt sich dann „Neuer Wehrdienst“.
Es wird allerdings bezweifelt, ob die Bundeswehr mit dem „Neuen Wehrdienst“ die Zielgröße von 203.000 Soldatinnen und Soldaten erreichen wird. Dann wird wahrscheinlich Variante 3, die „geschlechtsneutrale“ allgemeine Wehrpflicht kommen. „Sollte die Zahl der Freiwilligen nicht reichen, muss es die Pflicht geben. Da bin ich mir mit Boris Pistorius einig“, sagte die Wehrbeauftragte Högl (SPD) gegenüber der „Welt“.
Zahlen und Fakten dieses Artikels stammen aus dem Beitrag „(K)ein Dienst für Deutschland? – Überblick über die Wehrpflichtdebatte“ von Robin Welsch des Magazins „Ausdruck“ der Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI)
S.N.