IG BCE und BAVC haben sich am 27. Juni über einen neuen Tarifvertag verständigt. Die Tarifparteien hatten zuvor in neun regionalen Runden und zwei Bundesrunden vergeblich nach einem Kompromiss gesucht. Beim dritten bundesweiten Gespräch wurde der von den „Sozialpartnern“ ersehnte Kompromiss erreicht. Der neue Tarifvertrag enthält erstmals auch einen „Mitgliedervorteil“, darauf sind die beiden Tarifparteien sehr stolz! Auch wenn die „Sozialpartner“ den Abschluss schönrechnen: es bleibt bei Reallohnverlust! Ein „starkes Zeichen“ würde anders aussehen!
Die „Sozialpartner“ IG BCE und BAVC haben sich, laut eigenen Angaben, „nach langen und zähen Verhandlungen“ auf einen Tarifkompromiss geeinigt. Am 27. Juni informierten die Tarifparteien in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Bad Breisig die Öffentlichkeit über das Ergebnis.
Die Tarifparteien hatten zuvor in neun regionalen Runden und zwei Bundesrunden vergeblich nach einem Kompromiss gesucht. Nach Bekanntwerden des Ergebnisses jubelte die bürgerliche Presse lauthals: „Tarifeinigung für Chemieindustrie – ganz ohne Streiks.“
50 tausend bei Aktionen!
Als die neun regionalen und zwei auf Bundesebene geführten Gesprächen keine Annährung brachten, rief die IG BCE zu Tarifaktionen auf – wohlgemerkt „Tarifaktionen“ und keine Warnstreiks! An diesem Tarifaktionen nahmen nach Angaben der IG BCE von Brunsbüttel bis zum Bodensee, von Krefeld bis Chemnitz, von Kundgebungen über Mahnwachen bis hin zu Demonstrationszügen ca. 50 tausend Kolleginnen und Kollegen teil. Die Tarifaktionen fanden außerhalb der Arbeitszeit statt.
Auch wenn es „nur“ Tarifaktionen waren, die in der Regel während der Mittagspause stattfanden, so waren die Kolleginnen und Kollegen doch sehr zahlreich und kämpferisch aufgetreten und forderten 7% für 12 Monate! Denn die Kollegen aus der Chemie spüren ebenso die Auswirkungen der Inflation – auch wenn ihre Löhne etwas höher als in anderen Branchen sind.
IG BCE-Führung ganz euphorisch
Während die IG BCE-Führung in dem Tarifkompromiss euphorisch, „ein starkes Zeichen“ sieht, spricht die BAVC von einem „zweistufigen Tarifpaket, das den Unternehmen Planungssicherheit bis ins erste Quartal 2026 garantiert.“
Der IGBCE-Verhandlungsführer Oliver Heinrich sagte, dass man in allen drei Punkten eine Einigung erzielt habe. „Einem ordentlichen Entgeltplus in zwei Stufen mit einem Gesamtvolumen von 6,85 Prozent. Zwei Prozent ab 1. September 2024 und 4,85 Prozent ab 1. April 2025. Bei einem Gesamtlaufzeit von 20 Monaten“ so der Gewerkschafter.
„Eine grundlegende Modernisierung des Bundesentgelttarifvertrags (BETV)“, über den sich die Tarifparteien verständigt haben, wird noch bis 2030 (!) verhandelt. Es würde darum gehen „die Herausforderungen der sich stetig ändernden Arbeitswelt und die strukturellen Veränderungen in der Branche anzupassen.“ Perspektivisch sollen die Chemie-Tarifverträge einfacher werden, indem Komplexität und Regelungstiefe reduziert werden.
Und der letzte Punkt, über den sich die IG BCE ganz besonders freut, ist der sogenannte „Mitgliedervorteil“. Nach Worten Heinrichs „konnte auch erstmals in einem großen Flächentarifvertrag in Deutschland ein Bonus exklusiv nur für IGBCE-Mitglieder, die tariflich beschäftigt sind, durchgesetzt werden.“ Die IGBCE Mitglieder haben ab dem 1. Januar 2025 einen zusätzlichen freien Tag sowie jeweils einen zusätzlichen freien Tag bei einem Gewerkschaftsjubiläum, also für 10, 25, 40 oder 50 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft. Zudem erhalten aktive IGBCE-Mitglieder im entsprechenden Jahr einen Zeitausgleich von einem weiteren Arbeitstag! Damit schlage man ein „neues Kapitel in der Tarifpolitik auf“, sagte IGBCE-Verhandlungsführer Heinrich.
Und der IGBCE-Chef Michael Vassiliadis erklärte: „Damit senden die Arbeitgeber ein klares Zeichen der Wertschätzung an diejenigen Beschäftigten, die mit ihrem gewerkschaftlichen Engagement Tarifverträge erst möglich machen.“
„Für uns ist wichtig, dass wir das Prinzip ‚Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‘ nicht antasten“, sagte der Verhandlungsführer des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC) Matthias Bürk. Der Bonus sei ein „Zeichen der Wertschätzung und solle das ehrenamtliche Engagement der Gewerkschafter in deren Freizeit belohnen“. „Wir sind einen innovativen Weg gegangen und haben unserer Sozialpartnerschaft einen großen und wichtigen Dienst geleistet“ so Bürk!
Wurde die „Talfahrt bei den Reallöhnen“ gestoppt?
Vassiliadis lobte das Ergebnis mit diesen Worten: „Am Ende steht ein Ergebnis, mit dem die Chemie-Sozialpartner die Talfahrt bei den Reallöhnen stoppen und die Tarifbindung stärken.“
Ist das so? Für Juli und August gibt es eine Nullrunde! Erst ab September werden die Löhne um mickrige 2% erhöht. Das bedeutet für 2024 auf jeden Fall Reallohnverlust! In welcher Höhe das sein wird, werden wir am Ende des Jahres sehen. 2025 gibt es die Lohnerhöhung erst ab 1. April -kein Scherz – in Höhe vom 4,85%. Und dieser gilt bis Ende Februar 2026! Und der Clou: Dieser kann in einzelnen Betrieben aus wirtschaftlichen Gründen um bis zu drei Monate nach hinten verschoben werden!
Natürlich freut sich Bürk auf dieses „20-monatige und zweistufige Tarifpaket, das den Unternehmen Planungssicherheit bis ins erste Quartal 2026 garantiert.“
Auch wenn die „Sozialpartner“ den Abschluss schönrechnen, es bleibt bei Reallohnverlust! Ein „starkes Zeichen“ würde anders aussehen! Lieber Vassiliadis und Heinrich, „Talfahrt bei den Reallöhnen stoppen“ und „Wertschätzung der Beschäftigten“ sieht ganz anders aus.
Für mehr Infos zum Tarifabschluss siehe: https://igbce.de/igbce/was-du-jetzt-wissen-musst-239332