Seit Anfang des Jahres wird im Bauhauptgewerbe die Forderung „500 Euro mehr für alle, inklusive Azubis“ von der IG BAU an die Arbeitgebervereinigungen gestellt. Einen Festbetrag zu fordern ist ein wichtiger Schritt, denn dadurch klafft die Schere zwischen den verschiedenen Lohngruppen nicht noch weiter auf. Circa zwei Drittel der auf dem Bau Beschäftigten befinden sich in den unteren Lohngruppen, welche auf Grund der Inflation und der Kriegsfolgen einen massiven Reallohnverlust erlitten und weiter erleiden, durch einen Festbetrag jedoch eine angemessene Lohnerhöhung erhalten. Nun werden die Warnstreiks immer intensiver und beziehen immer mehr Beschäftigte ein.
Nachdem die Forderung gestellt wurde, gab es drei Verhandlungsrunden zwischen der Gewerkschaft und den Arbeitsgebervereinigungen. Allerdings nahm die Kapitalseite die Punkte der IG BAU von Anfang an nicht ernst und legte ein destruktives Verhalten an den Tag. Es wurden Argumente vorgelegt wie, dass ein Festbetrag als Lohnerhöhung eine unfaire Forderung sei, da dadurch die höheren Lohngruppen einen geringeren Vorteil hätten und somit die angeblichen „Leistungsträger“ (die im Büro) bestraft würden. Diese Verhandlungsrunden wurden von der Gewerkschaft als gescheitert erklärt und somit musste ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden. Hier kam es erneut zu respektlosem Verhalten von den Verhandlungsführern der Arbeitgeberseite. Denn der Schlichter pausierte die Verhandlungen und wies die Tarifparteien an, weiter zu diskutieren und ihm später die Ergebnisse zu präsentieren. Die Gewerkschaft nahm das wahr, die Arbeitgeber jedoch nicht. Die Arbeitgeberverbände empfahlen daraufhin die Ablehnung des Schlichterspruchs, welcher 250€ für alle (aufgeteilt auf Einmalzahlungen im ersten und prozentuale Lohnerhöhungen im zweiten Jahr) umfasst hätte, während die IG BAU-Führung sich für die Annahme aussprach.
Es gab verschiedene Begründungen für die Entscheidung, den Schlichterspruch anzunehmen. Zum einen waren viele zufrieden mit dem Ergebnis, jedoch wurde hauptsächlich der taktische Vorteil in den Vordergrund gestellt, dass wenn die Arbeitgeber den Schlichterspruch ablehnen würden, was sehr wahrscheinlich war, man mehr Zeit haben würde, die Streiks vorzubereiten.
So kam es dann auch, dass zwei Wochen nach der Annahme der Gewerkschaft die Arbeitgeber den Schlichterspruch ablehnten. Deshalb wurden seit dem 13. Mai in Deutschland Warnstreiks organisiert. Den ersten Tag nur in Niedersachsen und ab dem zweiten Tag dann auch bundesweit. Insgesamt kam es in der ersten Warnstreikwoche in vielen Städten zu Warnstreiks, so z.B. mit knapp 350 Streikenden in Duisburg. Dort setzten sich die Bauarbeiter über die Vorschrift der Polizei, eine spontane Demonstration zu unterlassen, hinweg und demonstrierten zum Trotz lautstark und kämpferisch durch die Innenstadt von Duisburg. Dafür gab es eine Strafanzeige gegen den verantwortlichen Streikleiter. In Köln zog man mit einer Demo zum Kölner Dom. Auch in zahlreichen anderen Städten kam es zu Warnstreiks mit jeweils hunderten Teilnehmern.
So trafen sich in Hamburg am zweiten Tag zunächst ca. 300 Streikende im Streiklokal und füllten die Bescheinigungen für das Streikgeld aus. Weiter ging es mit dem ersten Besuch einer kleineren Gruppe Streikender von einer Straßenbaustelle direkt nebenan. Vier von fünf Arbeitenden konnten überzeugt werden, sich den Streikenden anzuschließen und der Gewerkschaft beizutreten. Später am Vormittag wurde noch eine Großbaustelle in der Hamburger Hafencity besucht, um dort die Arbeitenden vom Streik zu überzeugen. Jedoch wurde den Streikenden der Zutritt auf die Baustelle verweigert und nach einer kleinen Blockade der Baustelleneinfahrt, blieben sie leider erfolglos.
Parallel hielten Referenten den ganzen Vormittag im Streiklokal informative Kurse zu klassischem Streikverhalten. Ab 11:30 Uhr gab es dann ein gemeinsames Mittagessen und im Anschluss einen Demonstrationszug, welcher erneut die Hafencity zum Ziel hatte, eines der meist bebauten Viertel in Hamburg. Besonders die jüngeren Streikenden waren laut und unterstrichen immer wieder, dass sie gerne auf dem Bau arbeiten, allerdings nur für eine gerechtere Entlohnung. Auch gab es einzelne Beschwerden über die mangelhafte Organisierung des Streiktages, aber auch der ganzen Mobilisierung zu den Warnstreiks, denen sich die IG BAU Hamburg stellen musste.
In der vierten Maiwoche wurden zum ersten Mal größere Baustellen begangen und die Streikbrecher am Fortführen der Arbeit gehindert. So wurde zum Beispiel auf einer Baustelle auf der neuen U-Bahnlinie 5 der Baustrom abgestellt und die Bauzäune mit Kabelbindern an den „richtigen“ Stellen geschlossen. Auch der Betonmischer war für kurze Zeit blockiert.
Und auch bundesweit fanden in dieser Woche an diversen Orten ganztägige Warnstreiks statt und es kam zu zentralen Streikdemos, so zum Beispiel mit 1.000 Bauarbeitern in Bremen und mit 2.000 Teilnehmern in Düsseldorf. Hier nahmen auch der Bundesvorsitzende der IG BAU und die DGB NRW Vorsitzende, Anja Weber, teil. Es gab eine klasse Stimmung unter den Streikenden. Der aktuelle Flyer von Arbeit-Zukunft zur Bautarifauseinandersetzung wurde auch an zahlreiche Kolleginnen und Kollegen verteilt. Zudem fanden unter anderem Warnstreiks in Saarbrücken, Koblenz, Heilbronn, Stendal, Hannover und anderen Städten statt. Die Baubeschäftigten sind sauer über die Blockadehaltung der Arbeitgeberverbände. Es war überall klar und deutlich zu sehen, dass die Bauarbeiter voll und ganz hinter der Tarifforderung von „500€ mehr Geld für alle Lohn- und Gehaltsgruppen“ stehen und auch bereit sind, den Arbeitskampf auszuweiten. Es ist der zweite flächendeckende Arbeitskampf beim Bau in der Geschichte der BRD.
Inzwischen haben einige Bauunternehmen den Belegschaften schon eine fünfprozentige Lohnerhöhung zugesichert. Mit dieser Taktik möchte man die Belegschaften vom Streik abhalten und die Baubeschäftigten spalten. Allerdings ohne Erfolg. Vereint und gewerkschaftlich organisiert sind die streikenden Baubeschäftigten nicht zu stoppen. Jetzt ist es nötig diesen Arbeitskampf überall zu unterstützen.
In der fünften Maiwoche soll es weitere Warnstreiks geben und es ist im Allgemeinen auch mit einer steigenden Eskalation der Maßnahmen zu rechnen. Aber erst nach einer Urabstimmung aller IG BAU Mitglieder kann in den unbefristeten Streik getreten und somit auch flächendeckend zu härteren Maßnahmen gegriffen werden. In der Zwischenzeit werden immer wieder Gespräche mit den Arbeitgebern geführt, falls diese bereit sind, den Forderungen der Arbeitenden entgegenkommen. Solange wird vom Zugangsrecht der IG BAU auf den Baustellen Gebrauch gemacht und mit den streikbrechenden Kollegen gesprochen.