Deutschland in der EU

Alle fünf Jahre ist es soweit: Die rund 350 Millionen wahlberechtigten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger dürfen das Europäische Parlament wählen.

Deutschland nimmt innerhalb der EU als bevölkerungsreichstes Land und größte Volkswirtschaft eine besondere Rolle ein und wird neben Frankreich von bürgerlichen Ökonomen gerne als „Motor Europas“ bezeichnet. Auf der Website der EU heißt es dazu: „Als größte Volkswirtschaft in der Mitte Europas profitiert Deutschland besonders von der europäischen Integration. Deutsche Unternehmen exportieren ihre Produkte vor allem in den europäischen Binnenmarkt.“

Wenn man Deutschland mit deutschen Unternehmen gleichsetzt, mag die Rechnung aufgehen, denn für Monopole wie Volkswagen bedeutet der erweiterte Absatzmarkt eine Möglichkeit zur Maximierung ihrer Umsätze. Doch davon profitieren noch lange nicht alle. Ganz im Gegensatz: Während deutsche Unternehmen von dem Export „ihrer“ Waren massiv profitieren, indem sie in rückständigen Regionen innerhalb und außerhalb Europas heimische Produkte verdrängen und billige Arbeitskräfte ausbeuten, verarmt die breite Masse. Erhebungen des Statistischen Bundesamts ergaben, dass jeder Fünfte in Deutschland von Armut betroffen ist. In der gesamten EU liegt die Armutsquote bei sage und schreibe 28 Prozent. Das obige Zitat stimmt dementsprechend in folgender Hinsicht: Deutsche Unternehmen profitieren extrem von der EU – und dies auf dem Rücken der werktätigen Menschen innerhalb und außerhalb der EU.
Denn auch die hochgelobte, individuelle Reisefreiheit und das Fehlen von Grenzkontrollen dürfen nicht missverstanden werden und über den wahren Charakter der EU hinwegtäuschen. Die EU ist eine Union der Banken und Konzerne und ihre erste und wichtigste Prämisse ist die Freiheit der Waren. Und so ist der Mensch in der EU auch nur so frei, wie er Träger der essenziellen Ware Arbeitskraft ist. Der freie Verkehr der Ware Arbeitskraft ermöglicht es großen Konzernen auf eine viel breitere Masse an Arbeitskräften zuzugreifen und damit die Konkurrenz unter den Arbeitern zu erhöhen, was wiederum zu Lohndumping führt. Ein gutes Beispiel dafür ist heute die Deutsche Post, die mithilfe selbstgegründeter Leiharbeitsfirmen Arbeiter im Balkanraum „rekrutiert“ und anschließend für die Arbeit nach Deutschland liefern lässt. Die Arbeiter lernen kein Deutsch, können sich auf der Arbeit nur mithilfe eines deutschsprachigen Vorarbeiters orientieren und leben nach wie vor in ihrer Heimat, die sie für die Arbeit in Deutschland monatelang verlassen. Dass wir uns beinahe grenzenlos frei innerhalb der EU bewegen dürfen, ist eine kleine, nette Nebenwirkung davon, dass die EU die Ware Arbeitskraft befreit, die uns als Arbeiter (glücklicherweise) untrennbar innewohnt. Und dass eben diese „Bewegungs- und Reisefreiheit“ des Einzelnen genau dann aufhört, wenn seine Arbeitskraft von den großen Konzernen „nicht gebraucht“ wird, das lässt sich heute an ausnahmslos jeder Außengrenze der EU nachvollziehen.
Die EU bevorteilt allerdings nicht nur die Banken und Konzerne gegenüber den werktätigen Massen, sondern auch die großen Volkswirtschaften innerhalb der EU gegenüber den kleineren. Dieser Umstand wurde durch die gemeinsame Währung, den Euro, endgültig auf die Spitze getrieben. Der Euro ermöglichte den noch grenzenloseren Absatz von Waren und so musste es eine logische Folge sein, dass sich die leistungsstarken Volkswirtschaften mit ihren international-tätigen Konzernen auch den europäischen Binnenmarkt gänzlich zu eigen machten, da sie in der Lage waren die kleineren konkurrierenden Unternehmen, insbesondere in den süd- und osteuropäischen Ländern, zu unterbieten und zu verdrängen. So entstanden auch innerhalb der EU Machtgefälle und Abhängigkeiten, die viele Staaten in Europa in den Windschatten der großen, imperialistischen Mächte drängten. Ganz vorne dabei: Deutschland und Frankreich.

Auch in Bezug auf die Konkurrenz mit anderen imperialistischen Mächten außerhalb der EU, stellt die Union eine gute Hilfe dar. Am besten lässt es sich an Beispielen festmachen. Während der Kapitalismus in die Krise gerät, ringen die Staaten um die Aufteilung- oder Neuaufteilung der Welt. Beliebt sind aktuell die afrikanischen Länder: So ringen sowohl die EU als auch China um den Einfluss des Ressourcen reichen Kontinents. Im Rahmen des Investitionsprogramms „Global Gateway“ von 150 Milliarden Euro will die Europäische Union in Afrika investieren. Diese Gelder werden nicht aus Nächstenliebe verteilt. Die Investitionen stehen in direkter Konkurrenz mit dem immer größer werdenden Einfluss Chinas auf dem Kontinent vor allem durch die neue Seidenstraße. Pest und Cholera stehen sich gegenüber: China verteilt Kredite und die Europäische Entwicklungsbank packen Investitionspakete. Investitionspakete, die aus dem Bankkapital der Europäischen Entwicklungsbank und privatem Kapital zusammengeschnürt werden. Deutschland ist dabei der größte Beitragszahler des Europäischen Entwicklungsfonds und bestimmt maßgeblich, in welche Unternehmen das Geld für Projekte fließt. Ein gutes Beispiel ist Namibia. Namibia ist sogenannter Hoffnungsträger für die Herstellung von Wasserstoff. Das Projekt inmitten der namibischen Wüste hat ein Investitionsvolumen in der Höhe des gesamten BIPs Namibias. Nebst den europäischen Investitionen, die deutschen Unternehmen die Tür zur Ausbeutung billiger Arbeitskräfte öffnen, sichert Deutschland der namibischen Regierung 342 Millionen Euro an zinsvergünstigten Krediten und Zuschüssen zugesagt. Dabei verschuldet sich das Land massiv und gerät in immer stärkere Abhängigkeit. Dies ist besonders perfide, wenn man sich die Geschichte zwischen Deutschland und Namibia anschaut. Zwischen 1904 und 1908 war Namibia die deutsche Kolonie Deutsch-Südwestafrika und hat einen Genozid an den Herero und Nama begangen. Zwei gute Jahrhunderte später hat sich der Kapitalismus weiterentwickelt, die Abhängigkeit bleibt. Deutschland nutzt die EU, um durch seinen starken Einfluss als größte Volkswirtschaft seinen Monopolen Investitionen zukommen zu lassen und ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, ihren weltweiten Einfluss zu erweitern und maximale Profite zu generieren. Dabei werden Menschen- und Grundrechte mit Füßen getreten, für die die EU als „Wertegemeinschaft“ vermeintlich eintritt. Die EU dient nur als Plattform der Monopole. Alles andere wäre geheuchelt.