Kampf ums Streikrecht

„Hat das Streikrecht auch Grenzen?“ Diese Frage stellte das ZDF im Bezug auf die jüngsten Streiks der Bahnarbeiter, doch handelt es sich dabei ganz klar um eine Fangfrage. Denn natürlich hat das Streikrecht Grenzen, sehr scharfe sogar. Wenn es nach Verkehrsminister Wissing (FDP) geht, soll es sogar noch stärker eingeschränkt werden.

Ab 2029 haben Bahnarbeiter die Möglichkeit, anstatt 38 nur noch 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich zu arbeiten. Diese überfällige Arbeitszeitverkürzung wurde durch mehrtägige Streiks erkämpft. Den Arbeitgebern und dem Staat passt diese Verbesserung der Arbeitsbedingungen natürlich gar nicht, doch vor allem die Streiks bei der Bahn, mit ihren weitreichenden Folgen für die gesamte Wirtschaft, sind ihnen ein besonderer Dorn im Auge. In der Politik und in den Medien wird daher von allen Seiten nach einer Verschärfung des Streikrechts geschrien.

Zur Frage des ZDFs muss zunächst einmal gesagt werden, dass Arbeiter in Deutschland überhaupt kein Streikrecht besitzen. Zum Streik aufrufen darf nur eine Gewerkschaft, in welcher sich die Arbeiter organisieren können. Dies darf außerdem nur geschehen, wenn das verfolgte Ziel des Streiks tarifrechtlich „zulässig“ ist. Beim Abschluss eines Tarifvertrags wird außerdem eine Friedenspflicht festgelegt. Innerhalb dieser Zeit sind Streiks stets illegal, egal ob „wild“ oder von einer Gewerkschaft organisiert. Politische Streiks, das heißt die Arbeitsniederlegung zur Erreichung von Forderungen, die sich außerhalb der Verfügungsgewalt des Tarifpartners befinden, sind strikt verboten. Ein Beispiel für solche Streiks sind die Massenstreiks der Millionen französischer Arbeiter im letzten Jahr, als die Macron-Regierung die Anhebung des Renteneintrittsalters beschloss und das sogar ohne die Zustimmung des Parlaments. Ein solcher Streik gegen einen politischen Angriff auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen wäre in Deutschland verboten.

Doch selbst diese Einschränkungen gehen den Herrschenden nicht weit genug. Im März während des GDL-Streiks ließ der Verkehrsminister verlauten: „Aber klar ist auch, dass wir uns das ganz genau anschauen werden. Wenn dieser Tarifkonflikt beigelegt ist, muss geprüft werden, ob wir eine Änderung brauchen oder nicht.“ Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann wird noch konkreter. Sie fordert, dass Streiks in Bereichen der „kritischen Infrastruktur“ mindestens vier Tage vorher angekündigt werden müssen und überhaupt nur dann möglich sein sollten, wenn es vorher einen Schlichtungsversuch gegeben hat. Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, spricht gar von einer „maßlosen Streikgier“ die in „Zukunft unterbunden“ werden muss. Von all diesen Verleumdungen darf man sich nicht täuschen lassen. Während Politiker und Konzernvertreter vorgeben, sich um die kritische Infrastruktur zu sorgen und so tun, als ob eine kleine gierige Minderheit von Arbeitern versuchen würde, der Bevölkerung zu schaden, ist es in Wahrheit andersherum. Erst letztes Jahr verdoppelte Bahnchef Richard Lutz sein Gehalt auf über 2 Millionen Euro! Und die Infrastruktur? Im Rahmen der Sparmaßnahmen der Bundesregierung wurden kürzlich 13 Milliarden Euro für Neubauprojekte der Deutschen Bahn gekürzt. Im Gesundheitswesen, welches von Politik und Wirtschaftsvertreter auch gerne herangezogen wird, wenn es um die Unterdrückung von Streiks geht, wurden 8 Milliarden Euro gekürzt. Dass die Angriffe auf unser Streikrecht zur fortlaufenden Profitmaximierung der Konzerne dienen sollen, ist offensichtlich. Sie beuten unsere Arbeitskraft aus und wollen uns sogar die Möglichkeit nehmen, für das Mindeste an Lohnforderungen zu streiken.

Aktuell gibt es einen rasanten Anstieg von Angriffen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von uns Arbeitern in Deutschland und das nicht nur ausgehend von der Kapitalseite, sondern immer öfter handelt es sich dabei auch um politische Angriffe. Neben der weiteren Durchlöcherung der gesetzlichen Renten im Rahmen der geplanten Aktienrente, kommen außerdem riesige Kürzungen und die weitere Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und auch die Aufrüstung und Militarisierung dazu. Angesichts dessen muss klar sein, dass es längst nicht mehr reicht, nur die weitere Einschränkung des Streikrechts abzuwenden. Wir Arbeiter müssen uns auch gegen die weiteren Angriffe zur Wehr setzen und dafür braucht es ein politisches Streikrecht, für das es jetzt zu kämpfen gilt. Die erfolgreichen Streiks der Kolleginnen und Kollegen bei der Deutschen Bahn und auch bei der Hamburger Hochbahn zeigen, dass die Arbeiterklasse sich wehren kann. Wir sind diejenigen, die den Wert schaffen, welchen sich unsere Chefs aneignen. Wir sind die Kraft, die alles am Laufen hält. Und wir sind es auch, die alles zum Stillstand bringen können, wenn wir es nur wollen.