In den letzten Jahren beobachten wir in den sozialen Netzwerken vermehrt Trends, die die „natürlichen“ Rollenbilder von Mann und Frau wiederbringen möchten. Junge Frauen, die eine Familie anstatt einer Karriere anstreben und zur „guten alten Zeit“ zurückkehren möchten, in der die Haus- und Sorgearbeit von Frauen noch wertgeschätzt wurde. Diese werden insbesondere durch den Tradwives-Trend (was für traditional wife = traditionelle Ehefrau steht) immer populärer, in dem Frauen bewusst die traditionelle Rolle als Ehefrau und Mutter annehmen. In ihren Videos präsentieren sie sich oft in Kleidern und Schürzen, während sie liebevoll für ihre hart arbeitenden Ehemänner kochen, anstatt einer Lohnarbeit nachzugehen.
Dass sich junge Frauen nach einer Zeit sehnen, in der es einfacher war, ein sicheres Leben zu führen, ist in der aktuellen Situation kein Wunder. Dass Frauen für Lohn arbeiten, wurde in Arbeiterfamilien im Kapitalismus überhaupt erst nötig, weil die niedrigen Löhne sonst nicht für das Leben ausreichten. Die proletarischen Frauen waren aus ihrer wirtschaftlichen Not schon immer motiviert, einer Lohnarbeit nachzugehen. Das Gehalt der proletarischen Frauen, die unter enorm schlechten Bedingungen bis zu 14 Stunden am Tag schuften mussten, war viel niedriger als das ihrer männlichen Arbeitskollegen: Im Schnitt verdiente eine Arbeiterin in etwa 65 Prozent von dem, was ein Arbeiter für dieselbe Tätigkeit verdiente. Die Löhne wurden mit der Einführung der Frau auf den Arbeitsmarkt also enorm gedrückt. Und auch heute sind arbeitende Frauen mit enorm vielen Hürden konfrontiert, um ihr Leben zu bestreiten. Denn anstatt uns endlich gleiche Löhne zu zahlen und in Zeiten der Inflation die Forderung nach einem echten Inflationsausgleich zu erfüllen, sind unsere Arbeitsplätze unsicher und unser Gehalt wird von der Inflation aufgefressen. Anstatt das Bildungssystem auszufinanzieren und dafür zu sorgen, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern nicht auf den Schultern der Frauen lasten, leisten Frauen nach wie vor 40% mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer und sind trotz häufigerer Teilzeitarbeit in vielen Fällen doppelt durch Hausarbeit und Lohnarbeit belastet.
Trotzdem ist es richtig und gut, dass Frauen für Lohn arbeiten. Das klingt vielleicht erst einmal absurd, wenn man sich die schlechten Bedingungen ansieht. Aber die Lohnarbeit von Frauen war auch Grundlage für ihre gesellschaftliche Gleichstellung. Zwar kümmerten sich die Gewerkschaften und Arbeitervereine zunächst nicht um die Belange der Frauen, da viele die weiblichen Arbeiterinnen als Konkurrenz wahrnahmen, und so waren die Frauen nicht nur schlechter bezahlt, sondern konnten auch nicht so für ihre Interessen eintreten wie ihre männlichen Kollegen. Doch diese schlechte Situation im Produktionsprozess war schließlich der Ausgangspunkt der proletarischen Frauenbewegung, die erkannte, dass sie sich für ihre Rechte als Arbeiterinnen gemeinsam organisieren müssten. Als zentrale Erkenntnis der proletarischen Frauen hält Clara Zetkin fest: „die zielklare Erkenntnis von der Notwendigkeit der gemeinsamen Organisation und des gemeinsamen Kampfes der Proletarier ohne Unterschied des Geschlechts; die Würdigung der Frau als einer voll gleichberechtigten, aber auch gleichverpflichteten Mitstreiterin im Klassenkampf; der ausgesprochen proletarische, international gerichtete Charakter der Bewegung, die rein von jeder bürgerlich-frauenrechtlerischen Beimengung war; die feste, sichere Zielsetzung: die sozialistische Gesellschaft.“ Nur wenn die Frauen Teil des Produktionsprozesses sind, können sie auch Teil des Klassenkampfes werden und Seite an Seite mit ihren männlichen Kollegen für ihre Befreiung kämpfen. Mit der proletarischen Frau wurde für jedermann früher oder später klar, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht bedeuten müssen, dass es eine strikte Rollenverteilung gibt, sondern dass Frauen sowie Männer für vielfältige gesellschaftliche Tätigkeiten geeignet sind, dass trotz biologischer Unterschiede keine festen Rollen vorgeschrieben sein mussten.
Zwar sehen wir heute, dass Frauen noch einen großen Teil und vor allem einen immens größeren Teil der Zeit im Haushalt mit der Haus- und Sorgearbeit aufbringen, während sie dazu noch einer Lohnarbeit nachgehen. Doch diese Doppelbelastung kann nicht dadurch aufgelöst werden, dass wir zurück zu den traditionellen Rollenbildern kehren. Die Tradition der Hausfrauen, auf die sich die Tradwives beziehen, gab es historisch ohnehin nur für einen kleinen, privilegierten Teil der Frauen, die bürgerlichen, die durch ihre Männer und auf Kosten der Arbeiterschaft lebten. Doch diese Rollenverteilung bringt auch diverse Nachteile mit sich, denn die Frau ist ökonomisch abhängig vom Mann, sie ist allein nicht fähig, ein gutes Leben zu führen. In dieser Konstellation gibt es keine Gleichberechtigung – die Frau ist im privaten Bereich tätig, der Mann in der Gesellschaft, die Frau ist Mutter und Hausfrau, der Mann alles andere. Dabei sollte unser Ziel sein, dass unser Geschlecht nicht vorgibt, was wir gesellschaftlich sein können, sondern dass wir durch Mutterschutz, Gleichberechtigung und gesellschaftliche Arbeitsteilung eine Welt schaffen, in der jeder Mensch sich entfalten kann.
Die Probleme, denen arbeitende Frauen heute ausgesetzt sind, können wir nicht lösen, indem Frauen in den privaten Bereich gedrängt werden. Vielmehr muss die private Arbeit noch viel mehr in die Gesellschaft verlagert werden, die Mütter dürfen damit nicht allein gelassen werden. Und die Arbeit muss es jedem Menschen, ob Mann oder Frau ermöglichen, ein gutes Leben zu führen und genug Zeit und Geld zu haben, um allen Aufgaben des Lebens nachzugehen. Deshalb muss unser Ziel sein, die Frau von ihrer Doppelbelastung zu befreien, indem wir die Sorge- und Pflegearbeit zu vergesellschaften und für bessere Arbeit für alle kämpfen. Jegliche Verdrängung der Frau ins Private hindert sie daran, Teil dieses Kampfes zu sein.