EU-Abschottungspolitik: Menschenrechte sollten keine Grenzen kennen

Die Vereinbarung zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Europaparlament zum „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ (GEAS) ist tatsächlich ein Tiefpunkt der europäischen Flüchtlingspolitik. Was die AFD und andere rechtspopulistische bis faschistische Parteien in der Vergangenheit gefordert haben, wird hier von den bürgerlichen Parteien „der Mitte“ praktisch umgesetzt. „Wenn, wie es unter Anderem vorgesehen ist, ein Teil der Geflüchteten in haftähnlichen Lagern einem Schnellverfahren unterzogen werden und nicht einmal Kinder davon ausgenommen sind, ist die menschenrechtliche Glaubwürdigkeit Europas verspielt.“ (aus einem Rundbrief der Flüchtlingshilfsorganisation PRO ASYL e.V.)

„In den geplanten Grenzverfahren unter Haftbedingungen soll zunächst eine sogenannte ‚Zulässigkeitsprüfung‘ erfolgen. Asylanträge von Schutzsuchenden, die über angeblich ‚sichere Drittstaaten‘ eingereist sind, werden dann gar nicht mehr erst inhaltlich geprüft. Um sie abschieben zu können, werden die Kriterien, wann ein Staat als ‚sicher‘ genug gilt, massiv aufgeweicht. Sichere Teilgebiete reichen dann, auch die Genfer Flüchtlingskonvention muss keine Gültigkeit besitzen. Besonders perfide: Selbst Familien mit Kindern werden von den verpflichtenden Grenzverfahren und der Inhaftierung nicht ausgenommen.

Diese GEAS-Reform hat mit der vielzitierten Solidarität unter EU-Staaten überhaupt nichts zu tun. Rechte Regierungen wie Ungarn haben erreicht, dass sie auch künftig keine Flüchtlinge aufnehmen müssen, sondern ihre ‚Solidarität‘ auch mit finanziellen Zahlungen für Abschottung und Flüchtlingsabwehr ausdrücken können. Die Staaten an der EU-Außengrenze werden also weiterhin allein gelassen, noch mehr Gewalt gegen Flüchtlinge zum Zwecke der Abschreckung droht.“ erklärt PRO ASYL.

Eine weitere Verschärfung ist die Dauer der Inhaftierung zum Zwecke der Abschiebung. Mit dem GEAS wurde die mögliche Abschiebehaftdauer verlängert. Die Zurückweisungs- oder Sicherungshaft kann bis zu 6 Monaten dauern – in Ausnahmefällen bis 18 Monate. Was es mit den Abschiebeknästen auf sich hat, darüber urteilt der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, Stephan Dünnwald, in Bezug auf das Abschiebegefängnis am Flughafen München: Das jetzt vorgestellte Gebäude und die Politik des Bayerischen Amts für Abschiebung sind kein Beitrag zu Humanität, nicht einmal ein Beitrag zur Ordnung. Behörden, die Geflüchtete in Angst und Schrecken versetzen und dafür sorgen, dass sie in die Illegalität abtauchen oder in andere EU-Staaten flüchten, schaffen Unordnung, existenzbedrohliche Lebenslagen und viel Leid. Bayern hat in den vergangenen Jahren durch die Schaffung des Landesamts, der Zentralen Ausländerbehörden und den Ausbau der Abschiebehaft enorm viel Geld verpulvert, um ein ausschließlich auf Abschiebung ausgerichtetes repressives System zu errichten…“

Die EU versucht, ihre Grenzen dicht abzuriegeln. Dazu haben manche EU-Staaten meterhohe Stacheldrahtzäune errichtet. An anderen Grenzabschnitten kommt die EU-Grenzschutzagentur „Frontex“ zum Einsatz. Auch Militäreinsätze sollen die Abwehr von Geflüchteten möglich machen. Es kommen Satelliten, Drohnen und Sensoren zum Einsatz. Mit „Grenzschutz“ hat das nichts mehr zu tun. Die oft mit „Schlepperbekämpfung“ gerechtfertigte Abschottung der Grenzen ist gut für das Geschäft der Schleuser – und für das der Rüstungsindustrie.

Die EU spannt Drittstaaten ein, um Flüchtlinge schon weit vor Europas Grenzen zu stoppen. Dabei kooperiert sie mit autoritären Staaten und Diktaturen. Die Dienste als Türsteher entlohnt sie mit „Entwicklungshilfe“, mit Privilegien oder indem sie zu Menschenrechtsverletzungen dieser Staaten schweigt. Die Folgen: Transitstaaten werden dazu gebracht, Flüchtlinge zu inhaftieren oder in Verfolgerstaaten abzuschieben. Diktaturen werden motiviert, Menschen, die vor ihnen fliehen, nicht außer Landes zu lassen. Autoritäre Regierungen erhalten den Rückhalt der EU. Beispiel Tunesien:

Seit Anfang Juli werden in Tunesien Hunderte von Menschen aus Subsahara-Afrika mit rechtswidrigen Massenabschiebungen an die Grenzen verschleppt. Mehrere Personengruppen wurden an die Grenze von Algerien gebracht, mindestens 1.200 Flüchtlinge und Migranten von tunesischen „Sicherheitskräften“ in Bussen an die tunesisch-libysche Grenze verschleppt und dort bei über 40 Grad Celsius in einer militärischen Zone ausgesetzt. An der Grenze befinden sich die Menschen in einer Art Niemandsland – tunesische und libysche Beamte lassen sie weder nach Libyen einreisen noch in das tunesische Inland zurückkehren. Die betroffenen Personen, unter ihnen auch schwangere Frauen, Kinder und zahlreiche Verletzte, harren zum Teil über Wochen ohne Sonnenschutz, ohne Gesundheitsversorgung und ohne ausreichend Nahrung und Wasser in der Hitze aus. Sie berichten, dass tunesische Behörden ihre Handys und Pässe zerstört, ihnen ihr Geld abgenommen und sie zum Teil brutal misshandelt hätten.

Mit der Einhaltung von Menschenrechten und den viel gepriesenen „westlichen Werten“ hat das absolut nichts zu tun. Für die kapitalistischen Länder der EU sind Geflüchtete nur Ballast, der möglichst aus der EU ferngehalten werden soll. Dazu sind ihnen alle Mittel recht, wie die obigen wenigen Beispiele zeigen. So lange Migrantinnen und Migranten als billige Arbeitskräfte ausbeutbar sind, können – oder sollen sie sogar – in die EU kommen, als Schutzsuchende sind sie unerwünscht. Und dann werden sie manchmal noch zu Opfern rassistischer Gewalt.

Diese Politik müssen wir bekämpfen.

Kein Ausverkauf der Menschenrechte!

 

S.N.