Die großen Schwärmereien über die Bedeutung der EU und die deutsch-französische Zusammenarbeit, die der Motor und Garant für ihre Stärke und Entwicklung sei, werden tendenziell durch den zunehmenden Wettbewerb und den Kampf in Europa um die Führungsrolle in Schlüsselsektoren getrübt. Dies ist insbesondere in einem strategischen Bereich der Fall, dem der Rüstung, sei es zu Lande oder in der Luft.
Der französische Imperialismus und die Monopole, die in diesen Sektoren das Sagen haben, sind der Ansicht, dass sie dazu berufen sind, in Europa führend zu sein, und dass sie diese Rolle in der industriellen Zusammenarbeit mit den Monopolen anderer Staaten spielen müssen, sowohl bei der Konzeption von Projekten, die sich über viele Jahre erstrecken, als auch beim „Anteil“ an den Märkten, die sie repräsentieren. Zwar wurden diese Dominanz und dieser Anspruch aufgrund der wirtschaftlichen und vor allem militärischen Stärke des französischen Imperialismus im Vergleich zu seinen wichtigsten Verbündeten in Europa mehr oder weniger akzeptiert, doch ist dies schon lange nicht mehr der Fall und die Meinungsverschiedenheiten nehmen tendenziell zu und werden öffentlich ausgetragen, auch innerhalb der europäischen Konsortien – dem von Airbus Defense & Space oder dem des Eurofighters1).
Ende November wollte Safran (Luftfahrtzulieferer) die ursprünglich italienische Firma Microtecnica kaufen, die jedoch von der US-amerikanischen RTX-Gruppe (ehemals Rayteon) aufgekauft worden war. Die italienische Regierung lehnte den Kauf ab, weil sie die nationale Souveränität verteidigen wollte. Der Journalist von Le Monde kommentierte dieses „europäische Schlamassel“ und beklagte „die immer größeren Ambitionen Italiens, aber auch Deutschlands, ihre Verteidigungsindustrie zu entwickeln, die Frankreichs Exzellenzbereich in Europa ist. Daher wird jeder Vorstoß der Trikolore (Frankreichs), Unternehmen zu kaufen oder gemeinsam zu arbeiten, als hegemoniale Anfechtung empfunden“!
Er weitet seine Analyse auf andere europäische Militärprojekte aus und kommt zu dem Schluss, dass „die Wiederbewaffnung Europas angesichts der geopolitischen Risiken an seinen Grenzen führt, anstatt zur Einheit, zur Herrschaft des Jeder-für-sich“. Tatsächlich beklagt er vor allem den relativen Niedergang der französischen Monopole gegenüber den Rivalen in Europa und wirft den Regierungen dieser NATO-Mitgliedstaaten vor, statt der neuen Generation von Rafale-Flugzeugen die US-amerikanischen F-35 zu kaufen. Es ist offensichtlich, dass der imperialistische Krieg in der Ukraine den Trend zur Militarisierung verstärkt 2), der wiederum den Wettbewerb zwischen den Monopolen, die Rüstungsgüter herstellen, verschärft.
Andere Artikel sind besorgt über den Anstieg der deutschen Waffenexporte auf offiziell 11,7 Milliarden im Jahr 2023, was einem „Anstieg von 25 % in einem Jahr“ entspricht, Zahlen, die mit denen der französischen Rüstungsindustrie verglichen werden müssen: 27 Milliarden (Jahresbericht des französischen Verteidigungsministeriums). Es sind die Rafale-Verkäufe, die diese Zahlen in die Höhe treiben und den Abstand zu Deutschland vergrößern, das zwar Eurofighter (die in Koproduktion mit Großbritannien, Italien und Spanien hergestellt werden) verkauft, aber mehr Panzer und andere konventionelle Waffen absetzt.
Das Projekt „Kampfpanzer der Zukunft“, das vom deutsch-französischen Monopol KNDS 3) geleitet wird, wurde 2012 gestartet. Der Einstieg des italienischen Monopols Leonardo (direkter Konkurrent von Thales im Bereich der Verteidigungselektronik) in das Projekt markiert ebenfalls eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses, da Krauss Maffei Wegmann eine direkte Vereinbarung mit Leonardo unterzeichnet hat, um auf der Grundlage des Leopard 2A einen Panzer für die italienische Armee zu entwickeln.
Dieser verschärfte Wettbewerb zwischen den Rüstungsmonopolen schlägt sich in gefährlichen Diskursen nieder, die von Nationalismus, Chauvinismus und der Verherrlichung des Militarismus geprägt sind.
Die Einheit und Solidarität zwischen den Arbeitern und Völkern in Europa können nicht um die Projekte zum Aufbau einer militärisch und wirtschaftlich starken europäischen Macht herum aufgebaut werden. Im Zusammenhang mit dem reaktionären Krieg der imperialistischen Mächte in der Ukraine – des russischen Imperialismus und seiner Verbündeten sowie des US-Imperialismus, der NATO und ihrer Mitgliedstaaten – ist es wichtig, die Verantwortlichen klar zu benennen und sich zu weigern, sich mit der einen oder anderen Kriegspartei gemein zu machen. Man muss die beschleunigte Militarisierung der Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft anprangern und diesen Kampf mit dem Kampf zur Verteidigung der wirtschaftlichen und politischen Interessen der Arbeiter und der Völker verbinden, auf der Grundlage von Losungen wie „Geld für Löhne, Renten, Schulen, Gesundheit, nicht für die Waffenhändler“.
Anmerkungen:
1) Airbus-Aktionäre: Französischer Staat: 11 %, deutscher Staat: 11 %, spanischer Staat: 4,1 %, „unabhängige“ Aktionäre: 73,6 %. Eurofighter-Konsortium: Vereinigtes Königreich (BAE Systems), Deutschland (DASA), Italien (Leonardo), Spanien.
2. Siehe den Artikel „Der Krieg in der Ukraine verstärkt die Militarisierung weltweit“ in La Forge vom Dezember 2022.
3. Krauss Maffei-Wegman-Rheinmetall und Nexter.
(Übersetzt aus „La Forge“ 01/2023. Zentralorgan der PCOF)