Am 26. Oktober startete die Tarifrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder in Berlin. Die Tarifverhandlungen wurden von ver.di gemeinsam mit den DGB–Gewerkschaften GEW, IG BAU, GdP in einer Verhandlungsgemeinschaft mit dem dbb Beamtenbund und Tarifunion geführt. Als Arbeitgeberverband verhandelte die Tarifgemeinschaft der Länder (außer Hessen). So stehen Regierungspolitiker den Gewerkschaften als Verhandlungspartner gegenüber und üben Druck auf die Beschäftigten aus mit der Begründung, die Staatskasse sei leer. Sie versuchen immer wieder die Streikbereitschaft mit politischer Stimmungsmache zu dämpfen. Die Forderung, den Gürtel enger zu schnallen in Zeiten massiv angehobener Militärausgaben und der vorgeschobenen Begründung, dass Geflüchtete die Kommunen zu stark belasten würden, müssen entschieden zurückgewiesen werden und sind ein Ergebnis rassistischer Politik zur Vorbereitung der Bevölkerung auf kriegerische Interessen.
Diesem Druck entgegen leisteten die Beschäftigten beispielhaften Widerstand durch ihren Arbeitskampf. Die Streikbeteiligung der Beschäftigten war so hoch wie lange nicht mehr. 80.000 Beschäftigte streikten noch vor der dritten Tarifverhandlung für 10,5 Prozent mehr Entgelt, mindestens aber 500 Euro bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Auszubildende und dual Studierende sollten 200 Euro mehr erhalten. Neben der hohen Inflation kritisieren die Beschäftigten den Personalmangel. In vielen öffentlichen Einrichtungen ist die Belastungsgrenze überschritten. Rund 300.000 Stellen sind im gesamten öffentlichen Dienst unbesetzt.
Bewertung des Tarifabschlusses
Doch die am 09. Dezember abgeschlossene Tarifrunde wirft kritische Fragen auf, da das erzielte Ergebnis, trotz hoher Streikbeteiligung und Kampfkraft, hinter den Forderungen der Beschäftigten zurückbleibt. Die Gewerkschaftsführung gab sich mit einem Abschluss zufrieden, der dem Schlichterspruch aus dem Frühjahr in der TVöD Tarifrunde für Bundes- und Kommunalangestellten gleicht. Allerdings beträgt die Laufzeit des Tarifvertrags sogar 25 Monate und gilt somit bis zum 31. Oktober 2025. Das Ergebnis beinhaltet eine Inflationsausgleichsprämie, die den Beschäftigten in verschiedenen Schritten zukommen soll: Eine einmalige Zahlung von 1.800 Euro im Dezember 2023 und monatliche Raten von 120 Euro von Januar bis Oktober 2024. Auszubildende und Dual Studierende sollen im Dezember 2023 1.000 Euro erhalten sowie monatliche Raten von 50 Euro in den genannten Monaten. Erst ist November 2024 sind tabellenwirksame Entgelterhöhungen vorgesehen. Die Entgelte werden um einen Sockel von 200 Euro erhöht, ab Februar 2025 soll es eine weitere Erhöhung von 5,5 Prozent geben. Wenn dann keine Erhöhung um 340 Euro erreicht wird, wird der betreffende Erhöhungsbetrag auf 340 Euro gesetzt. Für Auszubildende und Dual Studierende werden die Entgelte ab dem 1. November 2024 um 100 Euro und ab dem 1. Februar 2025 um 50 Euro erhöht.
Dieses als ‚errungen‘ dargestellte Ergebnis erweist sich als wenig nachhaltig. Denn die Einmalzahlungen in Form einer Inflationsausgleichsprämie sind nicht tabellenwirksam und werden sich somit nicht dauerhaft in der Lohnentwicklung niederschlagen. Vor dem Hintergrund der Inflationsrate sind sie wenig effektiv. Der errechnete Sockelbetrag von 340 Euro ab Februar 2025 wird bei einer Laufzeit von 25 Monaten ebenso wenig die Inflation ausgleichen.
Ein wichtiger Schritt, der durch die Kampfbereitschaft der Jugend erstritten wurde, ist die unbefristete Übernahme für Auszubildende und dual Studierende. Allerdings mit der Einschränkung, dass betriebliche Bedürfnisse im Vordergrund stehen und die unbefristete Übernahme nur für diejenigen mit der Abschlussnote 1 bis 3 gilt. Nachwuchskräfte mit der Abschlussnote 4 sollen maximal für 12 Monate übernommen werden. Diese Einschränkung schärft den Leistungsdruck und die künstliche Konkurrenz unter der arbeitenden Jugend und lässt den Arbeitgebern die Freiheit zu entscheiden, ob es einen betrieblichen Bedarf an Nachwuchs gibt oder nicht.
Der Tarifabschluss hat durch die Übertragung auf Beamtinnen und Beamte eine Auswirkung auf rund drei Millionen Beschäftigte, die das öffentliche Leben als Pflegerinnen und Pfleger oder Ärztinnen und Ärzte an Unikliniken, Erzieherinnen und Erzieher in Kitas oder Lehrkräfte an (Hoch-) Schulen am Leben erhalten.
Besonders weil sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst entschieden hinter ihre Forderungen klammerten, hätte eine vorzeitige Einigung ohne die breite Abstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern verhindert werden müssen. Dieses Ergebnis ist als fauler Kompromiss zwischen der Gewerkschaftsführung und Regierungspolitik zu verstehen. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen der kriegerischen und rassistischen Politik dieses Staates zu entlarven und in den Gewerkschaften dafür zu kämpfen, dass im Sinne der Beschäftigten gehandelt wird, indem ihre Forderungen bis zum Ende ausgetragen werden, ohne Spaltung zu betreiben. Auch wenn das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist, ist jeder Euro mehr, der errungen wurde, ein Ergebnis der Kampfbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst.