Auch in diesem Jahr gedenken wir Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin. Neben ihrer Rolle als Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands ist besonders ihr Kampf gegen den Krieg ein Erbe der beiden, das wir bis heute weitertragen. Auch für die heutige Friedensbewegung kann der Bezug auf Luxemburg und Liebknecht wichtige Antworten liefern.
In den letzten Jahren haben sich die militärischen Auseinandersetzungen weltweit weiter verschärft. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich der Konflikt zu einem Stellungskrieg entwickelt, in dem in den letzten zwei Jahren hunderttausende Soldaten auf beiden Seiten sterben mussten. Außerdem haben seit dem 7. Oktober die Bombardements Israels auf den Gazastreifen über 20.000 zivile Opfer gekostet. Durch Waffenlieferungen befeuern deutsche Rüstungsunternehmen und die Bundesregierung diese Konflikte noch weiter. Die Rüstungsexporte erlebten unter der Ampelregierung in diesem Jahr ein Rekordhoch und allein nach Israel wurden seit Oktober die Waffenlieferungen um ein 10faches erhöht. Doch schafft es die aktuelle Friedensbewegung nicht, dem eine starke Antwort entgegenzustellen. An den Friedensaktionstagen wie dem Antikriegstag am 1. September oder dem Ostermarsch gelingt es Jahr für Jahr nicht, große Massen für den Frieden auf die Straße zu bringen. Auch die zentrale Friedensdemo am 25. November in Berlin war eher ein verhaltenes Lebenszeichen als ein Ausdruck von Stärke. Die Demonstrationen sind von einem hohen Altersdurchschnitt und den immer gleichen Organisationen gezeichnet. Einen starken Gegner des deutschen Imperialismus und seiner Kriegspolitik gibt es also zurzeit nicht. Dies lässt sich jedoch nicht nur mit Antipropaganda oder Verleumdung der Bewegung in Medien und Politik begründen, sondern liegt auch an Problemen innerhalb der Bewegung.
Wie müsste der Kampf für den Frieden eigentlich aussehen?
Um die Mängel der derzeitigen Bewegung sowie eine Perspektive zu formulieren ist es zunächst wichtig, die Eckpfeiler des Kampfes gegen den Krieg zu umreißen. Luxemburg und Liebknecht formulierten schon angesichts des Ersten Weltkrieges vor über 100 Jahren Grundsätze, die für die Kriege bis heute gelten. Ihre Antikriegshaltung beruhte auf dem Grundsatz, dass alle militärischen Konflikte den Klassenkonflikt als Grundlage haben. So formulierte Karl Liebknecht zum Ersten Weltkrieg: „Dieser Krieg, den keines der beteiligten Völker selbst gewollt hat, ist nicht für die Wohlfahrt des deutschen oder eines anderen Volkes entbrannt. Es handelt sich um einen imperialistischen Krieg, einen Krieg um die kapitalistische Beherrschung des Weltmarktes, um die politische Beherrschung wichtiger Siedelungsgebiete für das Industrie- und Bankkapital.“ Luxemburg und Liebknechts Haltung zeichnete sich dadurch aus, dass sie den Krieg als einen imperialistischen Krieg im Sinne der Herrschenden betrachteten und betonten, dass die Arbeiter auf allen Seiten der Front nichts darin zu gewinnen haben. Statt den Kampf der Nationen gegeneinander riefen sie zum Kampf der Arbeiter aller beteiligten Länder gegen ihre nationalen Regierungen und Kapitalisten auf, die die Kriege befeuerten. Der Krieg war für sie keine nationale, sondern eine soziale Frage: Sie betonten, dass die Arbeiter nichts mit den Regierungen und Bossen gemeinsam hätten, für die sie jetzt kämpfen sollten, sondern diese im Gegenteil ihre Feinde sind, wenn sie für ein gutes Leben einstehen. Die Losung „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“, die Karl Liebknecht für alle imperialistischen Staaten im Ersten Weltkrieg ausrief, meinte genau das: Für die Arbeiter muss der Kampf gegen die eigenen Regierungen und Kapitalisten gerichtet sein, und zwar auf allen Seiten der Front, und er war eng verknüpft mit dem Kampf gegen Ausbeutung für soziale und politische Forderungen.
Was können wir von Luxemburg und Liebknecht für heute lernen?
Auch heute sehen wir sehr deutlich, dass die Analyse der beiden sich nicht erübrigt hat. Besonders in den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie die Kriege und die deutsche Aufrüstung vor allem zu Lasten der arbeitenden Menschen geht, die unter dem Vorwand des „nationalen Kraftaktes“ überall sparen sollen, während hunderte Milliarden für Aufrüstung und Unterstützung für Großkonzerne ausgegeben werden. Unter dem Vorwand der Verteidigung eines nationalen Interesses wird den Arbeitenden abverlangt, die Kriegslast auf sich zu nehmen und sie sind es auch, die im Falle eines Krieges an die Front müssen. Unsere Aufgabe muss es also sein, diesen Widerspruch aufzudecken und den Kampf gegen den Krieg als soziale Frage zu begreifen: Antimilitaristische Standpunkte zur Frage in den Betrieben und Gewerkschaften, in den Hochschulen und Schulen zu machen und den Kampf um soziale Rechte immer auch mit dem Kampf gegen deutsche Kriegspolitik zu verknüpfen. Nur so kann eine breite Bewegung geschaffen werden, die den Friedenswunsch auch mit der eigenen sozialen Not in Verbindung setzt und den Krieg an der Wurzel packt. Nur so kann auch das gemeinsame Interesse mit den Arbeitern weltweit, die teils schon heute in den Kriegen der Herrschenden ihr Leben lassen, gestärkt werden – im Erkennen der gemeinsamen, sozialen Interessen unabhängig davon, in welchem Land.
Wohin also mit der Friedensbewegung?
Schauen wir uns die aktuelle Friedensbewegung an, dann ist sie weit weg von all diesen Standpunkten. Viele Mängel werden deutlich, wenn man sich die Inhalte und Kräfte auf diesen Demonstrationen ansieht. Der Kampf für den Frieden wird größtenteils ohne eine tatsächliche Analyse für die Gründe des Krieges geführt. Vielmehr gibt es verschiedene falsche Positionen, die auch der Verbreiterung der Bewegung im Weg stehen.
Nationalistische Tendenzen sind in der Friedensbewegung keineswegs selten. So konnten sich zuletzt sozialchauvinistische Kräfte wie das Bündnis Sahra Wagenknecht auf der Antikriegsdemo am 25.11. profilieren, deren Gründe für die Ablehnung des Krieges eher darin liegen, dass „deutsche Interessen“ darin nicht richtig verteidigt würden, anstatt auf einer Ablehnung des Krieges aufgrund seines Klassencharakters. Diese Haltung vertreten auch rechte Kräfte wie die AfD oder die Basis. Letztere war auch auf der Demonstration am 25.11. präsent, was nicht überrascht. Solange die Friedensbewegung keine inhaltliche Grundlage hat, die auf der Ablehnung des deutschen Imperialismus allgemein beruht, gibt es auch keinen Grund zur Abgrenzung von nationalistischen Kräften. Die derzeitige, oft kritisierte „Rechtsoffenheit“ der Friedensbewegung ist eine Folge ihres bürgerlichen Charakters und ihrer falschen Analyse.
Aber auch die Tatsache, dass in der Friedensbewegung regelmäßig verkannt wird, dass auch heute die Konflikte zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten verlaufen, dass also auch Russland oder China keine Friedensmächte, sondern selbst Gegner der Arbeiter auf der ganzen Welt sind und, im Fall von Russland, zurzeit sehr deutlich, nicht davor zurückschrecken, in ihrem Interesse auch zu Krieg zu greifen. Viele Menschen erkennen dies auch und schrecken davor zurück, dass die Friedensbewegung den russischen Angriffskrieg teils nicht verurteilte oder sich zu schwach dagegen positionierte, denn das macht unglaubwürdig. Die Friedensbewegung muss eine klare Analyse der Weltlage haben, zu der sie sich positioniert, die nicht hinter dem herhinkt, was viele Menschen längst erkannt haben: Keiner der Imperialisten handelt in ihrem Interesse!
Und was tun?
Trotz all dieser Mängel ist es wichtig, die Friedensbewegung nicht abzuschreiben. Wir sehen den Krieg als eine der brennendsten Fragen unserer Zeit und den Kampf gegen den deutschen Imperialismus als so wichtig wie schon lange nicht mehr. Die Rüstungsexporte sind so hoch wie nie und auch verbal werden wir von der Politik auf den Krieg eingestimmt. Und auch wenn die derzeitige Friedensbewegung schwach ist, ist sie immer noch die einzige Bewegung, die Menschen hinter Forderungen für den Frieden versammelt, so zum Beispiel gegen Waffenlieferungen und für Verhandlungen. Solange dies der Fall ist, müssen wir in dieser Bewegung aktiv sein und dem deutschen Imperialismus etwas entgegensetzen. Mit dem Ziel, die Massen gegen Militarisierung und Aufrüstung auf die Straßen zu bringen, müssen Kompromisse eingegangen werden, die unsere Kräfte bündeln und in den aktuellen Bewegungen die richtigen Schwerpunkte setzen, in erster Linie die Verbindung der Kriegsfrage mit der sozialen Frage und den Kampf gegen Aufrüstung und Sozialabbau zusammenzubringen. Auch das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht jedes Jahr in Berlin ist für uns eine Gelegenheit, diese Forderungen nach außen zu tragen.