Verzicht auf die Überarbeitung der europäischen REACH-Verordnung:
Was ist die REACH-Verordnung? Die Abkürzung bedeutet auf Deutsch: Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. Es handelt sich um eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union, die am 18. Dezember 2006 verabschiedet wurde. Ihr Ziel ist es, ein einheitliches integriertes System zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien in der EU einzuführen. Diese Chemikalien sind in vielen Produkten des täglichen Bedarfs enthalten: Spielzeug, Lebensmittelverpackungen und -behältern, Kleidung, Möbeln, elektronischen Geräten, Kosmetika, Farben, Reinigungsmitteln und vielem mehr.
Der Vorschlag zur Überarbeitung der Reach-Verordnung, insbesondere die Risikobewertung nach Stofffamilien und nicht mehr auf Einzelfallbasis, sollte bis Ende 2022 vorgelegt werden. Er wurde ein erstes Mal auf das Frühjahr 2023 verschoben. Im April verschob die Kommission sie dann ein zweites Mal auf das vierte Quartal dieses Jahres, trotz der Proteste einer Reihe von Abgeordneten. Letztendlich wird es nicht dazu kommen, da die Überarbeitung nicht auf dem Arbeitsplan der Kommission für das Jahr 2024 steht!
Nicht nur, dass diese Revision in Vergessenheit gerät, auch das Vorhaben, den Export von in Europa verbotenen Substanzen durch die Mitgliedsstaaten zu verbieten, wird nicht mehr erwähnt. So exportiert unter anderem Bayer weiterhin in großem Umfang in der EU verbotene Giftstoffe nach Brasilien. Auch von einer dauerhaften Finanzierung und Aufgabenklärung der ECHA (Europäische Chemikalienagentur), einem wichtigen Glied in der Arbeit der Chemikalienbewertung, ist nicht mehr die Rede.
Bereits im September 2022 hatte Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Industrie, für eine Pause plädiert. Ihm hatte sich der deutsche konservative Abgeordnete Manfred Weber (CSU) angeschlossen. Im September 2023 war es Olaf Scholz selbst, der Regierungschef Deutschlands, der sich gegen die Überprüfung aussprach, mit dem Argument, dass die chemische Industrie der wichtigste Sektor der deutschen Industrie sei!
Eine Studie des Europäischen Umweltbüros (EEB) hat jedoch errechnet, dass der Ausschluss der gefährlichsten Chemikalien zu Einsparungen bei den Gesundheitsausgaben in Höhe von 11 bis 13 Milliarden Euro pro Jahr in den EU-Ländern führen würde. Darüber hinaus spricht die Studie von „direkten Vorteilen für die Gesundheit von Verbrauchern und Arbeitnehmern, wie bessere Fruchtbarkeit, geringere Inzidenz von Fettleibigkeit, Asthma, neurologischen Erkrankungen und Krebs„, die mit der „Verringerung der Exposition gegenüber den gefährlichsten Chemikalien“ verbunden sind.
Aber was wiegt das schon angesichts der Milliardengewinne, die die Monopole der chemischen Industrie (Bayer, BASF, Syngenta und andere) erzielen?
Die Nichtregierungsorganisationen verhehlen ihr Missfallen nicht. „Die Europäische Kommission hat die europäischen Bürger betrogen, indem sie die Augen vor der chemischen Verschmutzung verschlossen und die kurzfristigen Interessen der Giftindustrie auf Kosten der Bürger gefördert hat„, sagt Tatiana Santos, die beim Europäischen Umweltbüro, einem Netzwerk von Umweltorganisationen in Brüssel, für die Regulierung der Chemieindustrie zuständig ist. „Es ist nun klar, dass die Profite der Chemieindustrie wichtiger sind als die Gesundheit der Europäer„.
1992, als der Vertrag von Maastricht unterzeichnet wurde, prangerte unsere Partei die Schaffung eines Europas der Monopole an. An dessen grundlegenden Charakter hat sich nichts geändert, und die Entscheidungen der EU bestätigen, dass sie in deren Dienst steht.
Laut Eurostat, dem europäischen Statistikamt, werden EU-weit jährlich etwa 300 Millionen Tonnen Chemikalien von der Industrie hergestellt. Eine große Mehrheit (74 %) dieser Stoffe wird von der Europäischen Umweltagentur als „gesundheits- oder umweltgefährdend“ eingestuft. Und 18% werden als potenziell krebserzeugend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend eingestuft.
Im Jahr 2020 wurden laut Marike Kolossa-Gehring, Abteilungsleiterin beim Umweltbundesamt (UBA), „etwa 230 Millionen Tonnen gefährliche Chemikalien in der EU verbraucht, darunter mehr als 34 Millionen Tonnen krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe, von denen einige in unsere Körper gelangen“.
Quelle: Artikel in der Zeitung Le Monde vom 17. Oktober 2023
(aus La Forge 11-2023, Zentralorgan der PCOF)