Es ist schon kurios: Industrie und Handwerk klagen über Fachkräftemangel. Gleichzeitig gibt es junge Menschen, die trotz verzweifelter Bemühungen keinen Ausbildungsplatz finden und ebenso offene Ausbildungsplätze.
So erhielten 2021 67.800 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Das sind 12,5%! Zwei Drittel mussten auf Praktika, weiteren Schulbesuch oder einen Job ausweichen. 24.600 fielen völlig durch das Raster und blieben unversorgt. Zugleich gab es rund 63.200 Ausbildungsplätze, die nicht besetzt wurden. Rein rechnerisch hätte damit fast jeder Jugendliche, der einen Ausbildungsplatz suchte, auch einen bekommen können.
Sind die Jugendlichen schuld?
Sieht man sich die „Erklärungsversuche“ in den meisten Medien an, dann sind vor allem die Jugendlichen schuld. Mal sind sie nicht qualifiziert genug, mal zu unflexibel, weil sie unbedingt bei ihren Eltern wohnen bleiben wollen. Dass man von dem, was man bei einer Ausbildung verdient, nicht selbständig leben kann, wird ausgeblendet. Oder die Jugendlichen haben falsche Erwartungen. Dann wiederum möchten nur wenige Jugendliche in den Billiglohnbereich wie Gastronomie oder Reinigung. Verschwurbelt schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung: „Auch ein zu hoher oder zu niedriger Schulabschluss oder die Betriebsgröße können zu Passungsproblemen führen.“ https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61659/ausbildungsmarkt/)
„Passungsprobleme“? Das ist keine Erklärung, sondern eine Wortspielerei, die die realen Ursachen verschleiert.
Schweigen zum System
Abgesehen von ein paar kleinen Reformvorschlägen wird zum System geschwiegen. Es ist bequemer, wenn die Jugendlichen selbst schuld sind.
Wie kommt es denn dazu, dass die Qualifikation nicht passt? Liegt das nicht an unserem Bildungssystem, dass keine ausreichenden Fördermöglichkeiten hat, sondern kaputt gespart wird? Warum nehmen Jugendliche weit entfernt liegende Ausbildungsplätze nicht an, wenn sie so wenig Geld bekommen und keine Aussicht auf eine Wohnmöglichkeit haben? Gibt es in diesem System nicht Wohnungsnot und rasant steigende Mieten?
Es ist doch klar, dass in einem überwiegend privatwirtschaftlich organisierten Berufsausbildungsbereich nicht die gesamtgesellschaftlichen Interessen Grundlage sind, sondern eben private ökonomische Interessen. Da kann sich ein Kleinbetrieb keine Ausbildung leisten oder er macht das nur, um billige Arbeitskräfte zu bekommen und so unter dem Druck des Marktes zu überleben. Oder ein Großkonzern bildet breiter aus, als er selbst benötigt. In einer Lehrwerkstatt kann er rationeller ausbilden und zugleich staatliche Zuschüsse kassieren. Er kann dann am Ende die Rosinen herauspicken. Wenn einige ohne Abschluss gehen oder nicht übernommen werden, ist das nicht sein Problem. Und warum sollte ein Privatbetrieb Auszubildende nehmen, die nicht so gute Abschlüsse haben. Da müsste er viel Zeit und Geld reinstecken. Das bringt keinen Profit, sondern schmälert diesen noch. Es ist offensichtlich, dass in diesem System nicht eine gute Ausbildung der Jugend das Ziel ist, sondern größtmöglicher Profit.
In einer anderen Gesellschaft…
In einer anderen Gesellschaft, in der nicht der Profit regiert sondern die Interessen der arbeitenden Menschen, der Arbeiterklasse, würde die gesellschaftliche Aufgabe „Berufsausbildung“ auch gesellschaftlich gelöst. Das bedeutet, dass man nicht vom einzelnen Betrieb ausgeht, sondern von den Interessen der ganzen Gesellschaft. Und die ganze Gesellschaft hat ein Interesse an einer möglichst gut und allseitig ausgebildeten Jugend, die entsprechend ihren Fähigkeiten am weiteren Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft im Einklang mit der Natur arbeiten kann. Daher wird in einer solchen, sozialistischen Gesellschaft zunächst einmal der Bedarf ermittelt. Schulen und Bildungseinrichtungen werden entsprechend geplant und ausreichend ausgestattet. Auch die Ausbildung der notwendigen Lehrkräfte und Erzieher wird langfristig geplant. Der Unterricht wirn durch polytechnischen Unterricht frühzeitig mit der Arbeitswelt verzahnt, sodass Jugendliche ihre Fähigkeiten und Neigungen in der Praxis prüfen können. Jeder erhält nach seinen Fähigkeiten eine Berufsausbildung, die zugleich der Gesellschaft nutzt. Die gesamte Ausbildung wird von der Gesellschaft, vom Staat organisiert und finanziert. Jugendliche erhalten ein Ausbildungsgeld, von dem sie leben können. Ist eine Ausbildung entfernt von Elternhaus notwendig, stellt die Gesellschaft, der Staat bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung.
Was im Kapitalismus ein unlösbares Problem darstellt, über das sich tausende Experten die Köpfe zerbrechen, wäre in einer solchen sozialistischen Gesellschaft zwar auch ein Problem, aber eben lösbar!
Es lohnt sich, dafür zu kämpfen!