Hausdurchsuchungen, Terrorvorwürfe und Haftstrafen – in den letzten Monaten ist der Staat mit einer Reihe heftiger Maßnahmen gegen die Klimaaktivisten der Letzten Generation sowie die Angeklagten im Antifa Ost Verfahren vorgegangen. Der selbsternannten Fortschrittskoalition scheint einiges daran zu liegen, in Zeiten der zunehmenden Klimakrise, Verarmung und gesellschaftlichen Polarisierung nach links zu treten – warum?
Was ist passiert?
In den letzten Monaten gab es auf der einen Seite bundesweite Razzien gegen die Mitglieder der Letzten Generation, auf der anderen Seite ein Urteil im sogenannten Antifa Ost Verfahren. Beide hatten einiges gemeinsam. So wurde in beiden Fällen der Paragraph 129 StGB genutzt, der die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ betrifft. Zudem werden beide Fälle schon seit langem von einer medialen Kampagne begleitet, die die Betroffenen erniedrigt und das harte Vorgehen nicht nur akzeptiert, sondern teils einfordert.
Im Falle der Letzten Generation werden die Aktionen des zivilen Ungehorsams als Straftaten gewertet, die so schwer wiegen, dass die Gruppe darum als kriminelle Vereinigung gewertet werden kann. Dieser Vorwurf wird begleitet von immer neuen Hetzkampagnen in der Springer–Presse, die die Stimmung gegen die Aktivisten schüren. Zuletzt hatte es vielerorts gewalttätige Angriffe gegen die Klebenden gegeben, teils mit brutalem Vorgehen. Natürlich lässt sich kritisieren, dass die Letzte Generation es mit ihren Methoden leicht macht, sie zu marginalisieren und gegen den Großteil der arbeitenden Bevölkerung auszuspielen. Trotzdem muss die Schmutzkampagne als Maßnahme gesehen werden, der die Aufmerksamkeit und dieWut von derRegierungund ihrermenschen–undumweltfeindlichenPolitikweglenkt auf diejenigen, die mit allen Mitteln versuchen, irgendetwas dagegen zu tun.
Im Antifa Ost Verfahren ist derVorwurf angeblich die Selbstjustiz derAngeklagten gegen Nazis, die sie körperlich angegangen haben sollen. Schon seit der ersten Festnahme der Hauptangeklagten Lina E. wurde sie in den Medien zu einer gefährlichen Terroristin stilisiert, die mit ihrer Gewalt eine Gefahr für alle um sie herum darstellte. Der öffentlichkeitswirksame Helikopterflug, mit dem Lina E. vor einigen Jahren transportiert wurde, wurde mit Schlagzeilen wie „Die rote Rächerin“ unterlegt. Während in ganz Deutschland ein massives Problem mit rechtem Terror innerhalb und außerhalb von staatlichen Institutionen besteht, das tatsächlich eine Gefahr für arbeitende Menschen, insbesondere mit Migrationshintergrund, darstellt und nicht nur nicht verurteilt, sondern in Fällen wie dem NSU sogar gedeckt wird, findet natürlich wenig Platz in BILD und Co. Die Message ist klar: Die Gefahrkommt von links.
Dass nun aber nicht nur die entsprechende Stimmung von rechten Medien geschürt wird, sondern auch unter der selbsternannten Fortschrittskoalition, die sich das Vorgehen gegen rechts sowie den Klimaschutz auf die Fahnen schreibt, eine staatliche und ernsthafte Einschränkung und Bedrohung dieser Gruppen besteht, zeigt natürlich ein anderes Ausmaß von Repression und ruft einigen Protest auf den Plan.
„Auf dem rechten Auge blind“
Dabei geht der Protest oft selbst dem Image der Regierung auf den Leim und das staatliche Vorgehen wird an den von der Regierung versprochenen Standards gemessen. Der Staat sei „auf dem rechten Auge blind“ – schließlich wird gegen Rechte nicht annähernd so viel getan. Das stimmt natürlich so weit, doch wenn die Konsequenz ist, dass der Staat gefälligst dem selbstgesetzten Anspruch des Antifaschismus und Klimaschutzes gerecht werden soll, liegt augenscheinlich eine grundsätzliche Fehleinschätzung dieses Staates und seiner Aufgaben vor. Vielmehr zeigen die Verfahren, auf wessen Seite dieser Staat steht, wenn es ernst wird. In Zeiten, in denen die Klimakrise sich real bemerkbar macht, in Deutschland in erhöhten Temperaturen niederschlägt, in denen die Krise Teile der Bevölkerung in Armut stürzt und durch neue Regeln an den EU Außengrenzen einerseits tausende Menschen dem Tod überlassen werden, auf der anderen Seite als billige Arbeitskräfte ins Land geholt und gegen die hiesige Bevölkerung ausgespielt werden, in solchen Zeiten ist der Staat nicht ein Instrument, was im Namen der Demokratie genutzt werden kann, um all diese Zustände und Ungerechtigkeiten zu beheben. Der Staat ist es, der diese Politik überhaupt durchsetzt, der gegen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung weltweit eine Politik der wenigen, wenn nötig mit Gewalt, verteidigt. Und da kann es auch nicht schaden, diejenigen, die diese Gewalt zwar nicht tatsächlich angreifen, denn weder die Letzte Generation noch die Antifa Ost sind eine Gefahr für diesen Staat, sie jedoch zumindest in Frage stellen, öffentlichkeitswirksam die volle Härte spüren zu lassen. Der Staat unter Führung der Fortschrittskoalition handelt nicht widersprüchlich, sondern er zeigt sowohl sein wahres Gesicht als auch seine Funktion.
Was tun?
Aus dieser Erkenntnis, die die Illusionen des demokratischen und gerechten Staates in Luft auflösen muss und das bei vielen auch tut, darf jedoch nicht die Konsequenz gezogen werden, dass wir eh nichts tun können. Vielmehr müssen wir erkennen, dass diese Maßnahmen nur so lange funktionieren, wie kein ausreichender und breiter Widerstand dagegen entsteht. Begleitet von den Medienkampagnen wird die staatliche Repression vor allem für Gruppen in der Bevölkerung, die von rechts beeinflusst sind, als Gewinn für die breite Masse verkauft – denen haben wir‘s gezeigt! Unsere Aufgabe muss es sein, dieses „wir“ zu brechen. Derselbe Staat, der Gesetz nach Gesetz gegen die Interessen der Mehrheit durchsetzt, der 100 Milliarden für Kriegsvorbereitungen ausgibt, während wir immer ärmer werden, derselbe Staat setzt auch die vielen Maßnahmen und die Repression gegen diese Gruppen durch – und dieser Staat steht nicht auf „unserer“ Seite, sondern uns direkt gegenüber. Anhand von den aktuellen Beispielen die Solidarität zu stärken und breiteren Teilen der Arbeiterklasse deutlich zu machen, dass die Angriffe gegen die Letzte Generation und Antifa Ost, auch wenn wir in vielem nicht mit ihnen übereinstimmen, morgen auch Angriffe gegen uns sein können, die gegen Krieg, Verarmung und Spaltung protestieren.