Leserbericht: Albanienreise – Eindrücke und Gedanken

Seit langem schon wollte ich Albanien kennenlernen, im Frühjahr diesen Jahres hat es sich endlich ergeben dieses Land zu besuchen.

Das Interesse für Albanien ist bei mir vor vielen Jahren durch Berichte von Genossen ausgelöst worden, die dieses Land schon zu sozialistischen Zeiten bereist haben oder sogar dort für längere Zeit gelebt und gearbeitet haben. So habe ich angefangen mich mit der Geschichte des Landes auseinanderzusetzen, insbesondere mit dem Aufbau des Sozialismus und den Werken von Enver Hoxha.

Ich habe mich eine Woche, vor allem im mittleren Landesteil aufgehalten.Dieses Land ist wirklich sehr kontrastreich und dies in vielerlei Beziehung! Von dieser Reise sehr beeindruckt zurückgekehrt, habe ich für die Leser von Arbeit Zukunft, die sich ebenso für dieses Land interessieren, eine kleine Zusammenfassung erstellt. Eine Woche ist natürlich viel zu kurz, um tiefere Einblicke in dieses Land zu bekommen. Ich kann hier also neben allgemeinen Informationen nur einige fragmentarische Eindrücke und Gedanken wiedergeben, auf unterschiedliche Themen und Aspekte nur auf kleinen Raum eingehen.

Land und Leute

Albanien hat etwa 2,9 Millionen Einwohner. Etwa die gleiche Anzahl lebt in den Nachbarländern. Es gibt eine Diaspora von nicht wenigen Albaner, die es bis nach Nord- und Südamerika, Australien verschlagen hat.

Die Einwohner habe ich auf meiner Reise sehr freundlich und hilfsbereit erlebt. Gegenüber Kindern und älteren Menschen wird Fürsorglichkeit und Respekt entgegengebracht. Steht man irgendwo ratlos herum und ist auf der Suche nach Weg und Ziel, scheint es den Leuten recht schnell aufzufallen. Es kann also durchaus passieren, dass einem ohne danach zu fragen, Hilfe angeboten wird. Ist das gesuchte Ziel nicht weit entfernt, kann es zudem vorkommen, dass einen die Menschen dann sogar bis zum Zielort freundlich begleiten. Eine Verständigung findet sich meistens auch irgendwie. Nicht wenige Albaner sprechen Deutsch und viele eine andere westeuropäische Sprache oder Englisch.

Wie erwartet, begegnete ich einer großen Toleranz zwischen den religiösen Gruppen.Wenn gleich ich den Eindruck hatte, dass sich mehr Menschen zu einer Religion bekennen als es Atheisten gibt, praktizieren die wenigstens Menschen ihre Religion streng.

Der Reiseführer Lonely Planet hat Albanien als einer der besten zehn Reiseziele in Europa aufgenommen. Obwohl mit einer Fläche von 28 748 Quadratkilometern etwas kleiner als Belgien oder das Bundesland Brandenburg gibt es eine große Vielfältigkeit. Ob Strandurlaub, Natur- und Wanderurlaub, Kulturreise oder Abenteuerreise, für jeden hat das Land etwas zu bieten!

Der Schönheit der Natur mit seiner reichen Artenvielfalt stehen jedoch gleichzeitig eine Reihe von Umweltproblemen gegenüber. Immer wieder stößt man unterwegs auf herumliegenden Müll, wilde Müllkippen und verschmutze Gewässer. Die wilden Müllkippen aber auch die offiziellen Deponien zählen inzwischen zu den größten Problemen des Landes. Obwohl das Land schon mit der Entsorgung der eigenen Abfälle überfordert ist, wird auch noch Müll aus anderen Ländern importiert! Im Jahr 2004 wurde dem Land die stärkste Umweltverschmutzung in Europa attestiert. Seit dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde ebenso ein Rückgang der Biodiversität festgestellt. Die Regierung sieht schon seit einiger Zeit Handlungsbedarf, nicht zuletzt deswegen weil sich in der Bevölkerung ein Umweltbewusstsein entwickelt hat und eine Umweltbewegung im entstehen ist. Der 2017 in Elbasan entstandene Müllverbrennungsofen wurde aber selbst von der EU- Kommission in ihren Albanien- Bericht kritisiert. Geworben wurde damit, dass mit der Verbrennung von Müll auch gleichzeitig Energie gewonnen werde, was aber in Elbasan nicht funktionierte. Stellenweise wird der Müll auch weiterhin an Ort und Stelle verbrannt oder vergraben.

Verkehrsinfrastruktur

In den Stadtbereichen wie z.B. Tirana und Durres ist man einem auf sehr dichten Autoverkehr ausgesetzt, der innerhalb der Hauptreisezeit von Mai bis August nochmals zunimmt und die Situation noch weiter verschärft. Was noch hinzukommt, dass Auto ist inzwischen zum Statussymbol für viele Albaner geworden.Wer als Tourist mit Bus oder Bahn fahren möchte, bekommt von den Einheimischen meist den Rat zu hören, ein Taxi zu nehmen oder ein Leihauto zu mieten. Wenn gleich oft überfüllt, mit etwas Geduld funktioniert der Busverkehr und ist vergleichsweise sehr preiswert. Denn letztendlich steht man natürlich mit einem Taxi oder Leihauto auch im Stau!

Der Straßenausbau geht voran und viele Ziele, die in der Vergangenheit sehr schwierig zu erreichen waren, sind nun zu erreichen. Die Autobahnverbindung vom Kosovo nach Albanien wurde vom US-Straßenbauunternehmen Bechtel gebaut. Es gilt nicht als ein Zufall, dass nun dem US-Militär ein schnellerer Verbindungsweg zwischen den beiden Ländern zur Verfügung steht! Was sehr grotesk erscheint ist, dass vielerorts eine viel zu große Anzahl an Tankstellen entstanden ist. Im Ballungsraum zwischen Tirana und Durres sind im dreißig kilometerlangen Streckenabschnitt bereits über dreißig Tankstellen entstanden!

Im Gegensatz zum Straßennetz wurde der ÖPNV sehr vernachlässigt. Der Eisenbahnverkehr ist seit 1991 stark rückläufig, die meisten Strecken nach und nach stillgelegt. In den 1990 Jahren wurde das bis dahin bestehende Streckennetz teilweise auch von Vandalen zerstört. In Durres etwa gibt es an der einstigen „Train-Station“ nur mehr einen dort angesiedelten Busbahnhof und Gleise führen von dort nicht mehr fort! Die Gleis- und Signalanlagen wurden demontiert. Die Lage in Tirana stellt sich nicht besser da, Tirana ist wohl die einzige Hauptstadt in Europa die keinen Eisenbahnhof hat.

Ökonomische Situation

Nicht selten werden ökonomische Probleme und die allgemeine Rückständigkeit in manchen Bereichen von Politikern und Journalisten, der sozialistischen Vergangenheit angelastet. Ausgeblendet wird oftmals der Kontext, die Ausgangssituation Mitte des 20.Jahrhunderts und welche Fortschritte in den Jahren des sozialistischen Aufbaus tatsächlich erzielt werden konnten.

Im Albanien- Reiseführer, der im Michael Müller Verlag 2019 erschienen ist, wird zwar mit antikommunistischen Kommentaren nicht sparsam umgegangen, doch wird immerhin eingeräumt:

Dabei war das Land während der ersten drei Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft auf dem Weg von der Feudalgesellschaft in einen modernen Staat einen Riesenschritt vorangekommen: Jedes Dorf hatte nun Strom, Telefon, Schule, Ambulanz und natürlich eine Parteizentrale. Bildungshäuser, Ferienheime, Bibliotheken und Kindergärten wurden eingerichtet, Tirana bekam eine Universität, in den von der Partei gezogenen Grenzen blühten Kultur und die Lebenserwartung stieg von 40 auf 70 Jahre.“

Das Land ist heute Mitglied der Vereinten Nationen, der NATO, der OSZE, des Europarates, der CEFTA und ist Mitglied der Weltbank. Seit Juni 2014 hat Albanien den EU-Kandidatenstatus. Wenngleich vor allem die Gewinner und Verteidiger der kapitalistischen Restauration ein positives Bild der wirtschaftlichen Entwicklung Albaniens zu zeichnen versuchen, diese langjährige Entwicklung immer noch als eine Übergangsphase, Transformation bezeichnen, ist es unübersehbar, dass das Land neben den Umweltproblemen auch noch schwere wirtschaftlich Probleme hat. Mit Moldawien und Bosnien-Herzegowina wird Albanien zu den ärmsten Ländern in Europa gezählt.

Zumindest in den touristischen Gebieten ist mir eine große Geschäftigkeit begegnet. In Durres etwa wurden an allen Ecken und Enden vorbereitende Arbeiten für die kommende Badesaison ausgeführt. In den letzten Jahren sind viele Hotels, Restaurants, Kaffees und kleine Läden entstanden. Der Tourismus spielt bereits eine größere Rolle und soll noch weiter ausgebaut werden. In Tirana ist das Stadtzentrum durch den Bau einer ganzen Reihe von neuen Hochhäusern verändert worden. In erster Linie natürlch mit Bank, Hotel- und anderen Geschäftshäusern.

Die Diskussion darüber, was aus der sozialistischen Zeit erhalten werden soll und was nicht, hält immer noch an. Eingerüstet war in meiner Reisezeit das Historische Nationalmuseum in Tirana. Das Mosaik dieser Fassade befindet sich ebenso in Renovierung wie der Pyramidenbau, dass voraussichtlich in ein Zentrum für Technologie verwandelt werden soll. Eine übergeordneten Plan für all diese Aktivitäten scheint es offensichtlich nicht zu geben. Gesamtgesellschaftliche Interessen müssen hinter privaten, individuellen Interessen zurückstehen. So entstehen z.B. Hotel- und Casino-Prunkbauten direkt neben sehr ärmlichen Häusern.

Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei über 15 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit dürfte gut doppelt so hoch sein. Warum, wie eingangs bereits erwähnt, so viele Menschen zeitweilig oder auch dauerhaft im Ausland leben und arbeiten, ist leicht nachzuvollziehen. Besonders die Jugendlichen zieht es ins Ausland oder in die Städte. Mittlerweile sollen innerhalb Albaniens auch schon mehr Menschen in den Städten leben als auf dem Land. Arbeitslosigkeit, hohe Lebenshaltungskosten und niedriges Einkommen können häufig durch einen starken familiären Zusammenhalt abgemildert werden. Etwa die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird im Dienstleistungssektor erwirtschaftet. Viele Jugendliche arbeiten in Callcentern, Frauen verrichten oftmals Heimarbeiten. Die Industrieproduktion kommt dagegen anteilig nur mehr auf 10 Prozent des BIP. Auch hier sind Industrieanlagen ab 1990 mutwillig zerstört worden, die durchaus in großen Teilen als veraltet galten, aber immerhin die weitere Produktion von wichtigen Gütern und Produkten noch ermöglicht hätten. So müssen also sehr viele Güter vom Ausland importiert werden. Die Politik wirbt um Unternehmen, um sich im Land anzusiedeln, da es in Albanien „viele günstige Bedingungen“ gäbe. Gemeint sind wohl der niedrige Durchschnittslohn, die hohe Arbeitslosigkeit etc. Viele Beschäftigten erhalten nicht einmal den ohnehin niedrigen Mindestlohn. Eine Bezahlung für geleistete Überstunden wird zudem nur selten geleistet! Hinzu kommt die schwache gewerkschaftliche Bewegung, die nach Medienberichten erst in letzter Zeit wieder etwas am erstarken ist!

Eine Auswahl an Sehenswürdigkeiten die ich besucht habe

Wie eingangs beschrieben habe ich den mittleren Landesteil ein wenig kennengelernt: Durres, Tirana, Kruja und ein Abstecher nach Vlora mit anschließendem Besuch des Ausgrabungsortes Apollonia in südlicher Richtung.

Durres ist mit 290 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Landes. Besonders der Hafen sicherte der Stadt schon sehr früh seine Bedeutung. Zu erreichen ist Durres u.a. durch eine Fährverbindung aus Italien.Besonders die antiken Ausgrabungsfunde wie z.B. das römische Amphitheater haben mich besonders beeindruckt.Bis heute halten gezielte Ausgrabungen im Stadtgebiet an und es werden immer wieder beachtliche Funde gemacht. An den kilometerlangen Sandständen begegneten mir wie auch sonst überall im Land anzutreffen, streunende Hunde, die größtenteils geduldet werden und auf mich eher einen entspannten Eindruck machten.

Die Hauptstadt Tirana ist größte Stadt des Landes und auch wirtschaftliches und kulturelles Zentrum wo es sehr viel zu entdecken gibt. Die Zeit reichte hier nur für einige ausgewählte Routen im Zentrum, vor allem auf und rund um den neu gestalteten Skanderbegplatz mit all seinen Sehenswürdigkeiten wie Skanderbeg-Denkmal, Nationalhistorisches Museum, Kulturpalast, Ethem-Bey-Moschee und Uhrturm. Das Wandmosaik „Albanien“ mit sozialistischer Symbolik am Nationalhistorischen Museum war wie bereits erwähnt außen eingerüstet und für einen Besuch des Museums verblieb mir leider zu wenig Zeit. Besichtigt habe ich auch neue oder neu entstanden relgiöse Bauten wie die große Moschee, die Pauluskathedrale und die orthodoxe Kathedrale der Wiederauferstehung Christi. Als Kontrast hierzu schloss ich noch einen Bummel durch das große, ebenso neu entstandene Univers- Einkaufszentrum an. Die Stadtbesichtigung abgeschlossen habe ich dann am Ende des Tages mit einer Seilbahnfahrt auf den Dajti-Nationalpark.

Wenn möglich sollte auch Kruja auf der Besichtigungsliste einer Albanienreise stehen. Dort habe ich das Skanderbeg-Museum in der Festungsanlage und die in der Nähe befindlichen Basarstraße besichtigt.

Empfehlenswert ebenfalls Apollonia, ein archäologischer Park mit Ausgrabungsstätte, einem byzantinischen Kloster und einem Archäologischen Museum in wunderschöner landschaftlichen Umgebung.

Noch nach einigen Wochen denke ich immer wieder an diesen kontrastreichen Urlaub zurück und würde das Land jederzeit wieder gerne besuchen!

Wer Hinweise, Anregungen oder Kritik zu meinen Ausführungen hat, kann gerne über die Redaktion von Arbeit Zukunft Kontakt mit mir aufnehmen und sich mit mir austauschen. rab