Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Partei Spaniens (Marxisten-Leninisten) PCE (m-l) gab angesichts der Wahlniederlage der sozialliberalen Regierungskoalition und der Erfolge der rechten Parteien bei den Kommunalwahlen im Mai 2023 folgende Erklärung heraus:
Kommuniqué des Exekutivkomitees der PCE (m-l) zu den Ergebnissen der Wahlen vom 28. Mai 2023
Das Ergebnis der Wahlen in den Kommunen und den autonomen Gebietskörperschaften vom 28. Mai lässt sich in einigen Zahlen zusammenfassen, die den Rechtsruck in den Institutionen und die Rolle, die jede Kraft im liberalen monarchischen Staat spielt, akut verdeutlichen. Die PP (Volkspartei) ist die Kraft, die die meisten Stimmen erhalten hat, mit fast 800.000 Stimmen mehr als die PSOE; Vox 1) ist die Partei, die – proportional gesehen – am meisten zulegt; die reformistische Linke, die sich die Regierung mit den Sozialliberalen (PSOE) teilt, bricht noch mehr ein und verliert jegliche Vertretung in so wichtigen Parlamenten oder Rathäusern wie Madrid oder Valencia.
Was wir seit langem betonen, tritt heute in aller Schärfe zutage: Die institutionelle Linke hat den gesamten Auftrieb bei den Wahlen verloren, den sie gewonnen hatte, als sie vor dem Hintergrund einer allgemeinen Mobilisierung auftauchte, die sie aktiv beigetragen hat, zum Versiegen zu bringen. Darüber hinaus hat die reformistische Politik ihrer Führer dazu geführt, dass sich die Mehrheit der Arbeiter immer weiter von der Politik entfernt.
Die Realität ist, dass, je mehr Schläge die Interessen des Volkes treffen, desto offensichtlicher die Interessen sind, die von den wichtigsten Institutionen des monarchischen Staates verteidigt werden: Es ist die radikalste und neo-franquistische Rechte, die sich zynisch als „gegen das System gerichtet“ darstellen und versuchen kann, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, und es ist genau die institutionelle Linke, die in die Bresche springt, um das Regime und seine „Werte“ zu verteidigen, wobei sie die Parole missachtet, die sie bei den großen Mobilisierungen vor zehn Jahren hochhielt: Der Kampf findet auf der Straße statt, nicht im Parlament.
Um die Gründe für diese Niederlage zu erklären, kann man als Beispiel die Ereignisse der letzten Monate in der Region Madrid heranziehen, der Hochburg von Isabel Diaz Ayuso, einer mittelmäßigen und schlecht organisierten Politikerin, die zutiefst reaktionär ist, aber im Gegensatz dazu ihre Kontrolle über die Regionalversammlung verstärkt hat.
In Madrid haben seit November letzten Jahres zwei große Mobilisierungen zur Verteidigung des öffentlichen Gesundheitswesens stattgefunden, an denen fast eine Million Menschen teilgenommen haben. Diese Mobilisierungen haben den Kampfgeist der Madrider Bevölkerung zur Verteidigung ihrer Rechte gezeigt und angeregt. Mobilisierungen, die die Vertreter dieser institutionellen Linken und die Gewerkschaftsführer tatenlos verstreichen ließen: Sie ließen den Streik der Allgemeinmediziner auslaufen, ohne ihnen die geringste effektive Unterstützung zu gewähren, ohne einen Finger zu rühren, um zu versuchen, die übrigen Beschäftigten für diesen Kampf zur Verteidigung der öffentlichen Dienstleistungen gegen die Regionalregierung zu gewinnen. Obwohl sie die Regionalregierung mit der PSOE teilten, versuchten sie auch nicht, die staatlichen Gesetze zu ändern, die es der PP (Partito Popular) und anderen reaktionären Kräften ermöglichen, so wesentliche Dienstleistungen wie das Gesundheits- und das Bildungswesen im Eiltempo zu privatisieren. Letztendlich überließen sie die Initiative einer Regierung, in diesem Fall der von I. Diaz Ayuso, obwohl diese auf der Straße offen kritisiert wurde. Sie erstickten die Dynamik des Volkes, nahmen die Initiative der Massen an sich und ertränkten sie in fruchtlosen Diskussionen in den Institutionen wie der Versammlung von Madrid oder den „Dialog“-Tischen mit den Arbeitgebern, die von der reaktionärsten Rechten kontrolliert werden, von Kräften, die von Demokratie und Vaterland sprechen, es aber täglich mit Füßen treten und verkaufen.
Die Belohnung für ihren Verbündeten Pedro Sanchez 2), ist die Ausrufung von allgemeinen Wahlen für den 23. Juli; was konkret dem Totenschein für jeden Versuch gleichkommt, die „Fassade“ neu zu tünchen, um ihre Politik fortzusetzen, immer und immer wieder „still und leise“ für den „sozialen Frieden“ zu verhandeln, um angeblich die sozialen Rechte gegen die antisoziale und antidemokratische Minderheit, die das Räderwerk des Staates kontrolliert, voranzutreiben…
Letztlich spielt es keine Rolle, was die Führer der institutionellen Linken in der Regierung tun werden: Am ehesten vorhersehbar ist, dass sie weiterhin ein Regime unterstützen, dem niemand mehr vertraut. Es ist sehr gut möglich, dass sich die Interpretation der Situation durch die Führer der institutionellen Linken darauf beschränkt (wie sie es bereits zuvor getan haben), die Verantwortung für ihre Niederlage den Wählern, den Arbeitern und der Unterschicht in die Schuhe zu schieben, die nicht verstanden hätten, worum es bei diesen Wahlen ging. Der Cäsarismus ihrer Führer, ihre Geringschätzung für die organisierten Aktionen der arbeitenden Mehrheit haben sie völlig von ihr entfremdet, und die Folgen davon sind deutlich zu sehen. Tatsächlich ist es so, dass am Rande der Rechten und insbesondere der extremen Rechten von Vox, die, wie wir sagen, ihre Präsenz in den kommunalen Institutionen und den autonomen Gebietskörperschaften 3) deutlich erhöht hat , waren es gerade die nationalistischen Kräfte, die auf die eine oder andere Weise als Gegner der aktuellen Situation wahrgenommen werden, die ihre Präsenz bei den Wahlen aufrechterhielten oder sogar deutlich ausbauten.
Noch wichtiger werden die Lehren sein, die jene Organisationen (einschließlich uns selbst) ziehen werden, die den Reformismus angeprangert haben; jene Menschen und Kräfte, die bereits einer Art und Weise, Politik zu machen, den Rücken gekehrt haben, die nur dazu dient, die Fäulnis des Regimes aufrechtzuerhalten; jene, die die Haltung bereits in der populär gewordenen Losung zusammenfassen: „Wer auch immer regiert, die Rechte der Mehrheit müssen verteidigt werden“.
Denn schließlich stellen Wahlen nicht den wahren Stand der Dinge in der nationalen Politik dar; sie begrenzen nicht die Möglichkeiten des Kampfes und des Widerstands angesichts der permanenten Katastrophe, die die Volksklassen erleben. Was können wir in Zukunft tun? Das ist die wichtigste Frage, die wir uns stellen müssen, um entsprechend zu handeln.
Der neue politische Rahmen, der aus diesen Wahlen hervorgegangen ist, verstärkt etwas, das für alle offensichtlich ist – außer für diejenigen, die darauf beharren, die Welt mit den Scheuklappen ihrer sektiererischen Vorurteile zu sehen -, nämlich dass unsere Klasse, unser Volk Einheit braucht; nicht eine Einheit, die im Verborgenen, in Büros, durch Pakte und Absprachen zwischen den Führern aufgebaut wird, sondern eine wirkliche Einheit, auf der Straße, im Kampf.
Ohne eine echte und effektive Organisationsstruktur in den Stadtvierteln, die es ermöglicht, die kollektive Energie zu bündeln, ohne die Entschlossenheit der Gewerkschaften in den Betrieben; mit anderen Worten, ohne die Kraft der Mehrheit, die sich zusammenschließt und in einer gemeinsamen Anstrengung für politische Ziele organisiert, die weiter gehen als „Marsch durch die Institutionen“ und das Rascheln der Schritte auf den Palastteppichen, werden die Wahlurnen nur das bestätigen, was uns das Leben jeden Tag sagt. Die Linke, die politischen Organisationen, stehen neben den Menschen; sie tun nichts, um den Kampf zu organisieren; sie beschränken sich darauf, sich auf dem Wahlmarkt als gute Verwalter zu präsentieren. Was übrigens falsch ist, wie die Praxis gezeigt hat, denn politische Angst, Komplizenschaft mit der bestehenden Ordnung, haben nie dazu gedient, voranzukommen, haben nie dazu gedient, den einzigen Faktor zu mobilisieren, der die Dinge wirklich verändern kann: die vereinte Aktion der sozialen Mehrheit, die sich mit Klarheit und Entschlossenheit gegen den gemeinsamen Feind richtet.
Die Vertreter dieser Kräfte beteiligen sich weiterhin an den Postenschachereien zwischen den Führern, die die Organisation „Sumar“ (Sammeln) in den Vordergrund stellen, obwohl sie nur die Plätze auf den Wahllisten unter sich aufteilen wollen. Was uns betrifft, so reihen wir uns wirklich in die Volksfront ein, die stärkste Front, um einen Vorschlag zu machen, der ein für alle Mal mit der Vergangenheit abrechnet. Ohne die Gesetze zu beenden, die sie ermöglichen, werden wir die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen nicht beenden. Ohne die Aktivitäten einer Minderheit von Finanzoligarchen zu stoppen, die ihre Bankkonten mit dem Geld der Allgemeinheit füllen und unsere elementarsten Bedürfnisse (Wohnung, Arbeit, Schulbildung, Gesundheit usw.) zu ihrem besonderen Geschäft machen. Ohne die Kontrolle über eine Handvoll Institutionen, die die Politik unseres Landes wirklich diktieren, und ohne einen endgültigen Bruch mit dem monarchischen Regime gibt es keine Möglichkeit, Fortschritte bei der Demokratie und den Rechten oder bei der Lösung der Hauptprobleme des Landes zu machen. Und das Ergebnis dieser Wahlen wie auch das Ergebnis der nächsten allgemeinen Wahlen wird nichts an dieser Wahrheit ändern.
Die praktische Schlussfolgerung aus dieser erneuten Niederlage betrifft uns alle: Wir müssen beim Aufbau der Volkseinheit zur Verteidigung unserer Rechte vorankommen; den sozialen Frieden mit denen, die diese Rechte bedrohen, brechen und den Kampf gegen die Reaktion und den grassierenden Faschismus entschlossen führen.
Arbeiter, Völker Spaniens, lasst uns vereint für dieses Ziel kämpfen!
den 29. Mai 2023
Anmerkungen:
1) Vox: Partei der extremen Rechten, 2013 von ehemaligen Mitgliedern der PP gegründet
2) P. Sanchez: Premierminister im Amt
3) Spanien zählt 17 autonome Gebietskörperschaften, zu denen noch die autonomen Städte Ceuta und Melilla (auf marokkanischem Territorium) hinzukommen
(Übersetzung aus dem Französischen von der Homepage der PCOF:
https://www.pcof.net/communique-du-pce-ml-sur-les-resultats-des-elections-en-espagne/ )