„Wenn wir wieder Stärke zeigen müssen“ ist eine der Schlagzeilen in der neuen Kampagne der Bundeswehr. In dieser wurde vom 2. bis zum 17. Mai auf Werbetafeln im ganzen Land und in sozialen Medien wieder einmal ein offenes Image mit einschlägigen Anspielungen kombiniert.
Zweck der Kampagne
Die Werbeagentur Castenow, mit der das Bundesministerium für Verteidigung die Kampagne entwickelt hat, beschreibt den Zweck so: „Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 steht die Notwendigkeit einer starken Bundeswehr für die deutsche Bevölkerung wieder im Vordergrund. Gleichzeitig ist eine gestiegene Skepsis der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Ausrüstung und der Funktionsfähigkeit zu beobachten. Eine neue Imagekampagne soll die Menschen bei ihren Fragen abholen. Die Antwort ist eine starke Bundeswehr – und die Aufforderung, daran mitzuarbeiten“. Es ist also ganz offen Zweck der Kampagne, die sogenannte Zeitenwende innerhalb der Bundeswehr darzustellen und Menschen für eine kampffähige und starke Armee sowohl zu begeistern als auch zur Mitarbeit zu motivieren. Die Zielgruppe ist vordergründig junge Menschen von 17 bis 35, wie Business Insider schreibt.
Um diese zu begeistern, wird in Videoclips der Berufsalltag bei der Bundeswehr gezeigt und in einem dramatischen Imagefilm werden die verschiedenen Aufgabenbereiche dargestellt. Besonders interessant sind die zentralen Fragen, die die Plakate und Filme aufwerfen und auch direkt beantworten, zum Beispiel: Was zählt, wenn die Welt um uns rauer wird? Was zählt, wenn wir über den Wolken Grenzen aufzeigen müssen? Was zählt, wenn unsere Freiheit auf dem Spiel steht? Was zählt, wenn wir wieder Stärke zeigen müssen? Die Antwort ist natürlich: eine starke Bundeswehr. Aber die verschiedenen Signale, die die Bundeswehr mit der Kampagne und der Bildsprache sendet, sind interessant.
Zwischen weltoffen und chauvinistisch
So scheint einerseits seit einigen Jahren vermehrt darauf geachtet zu werden, die Frauen in der Bundeswehr bewusst zu überrepräsentieren. Da der Frauenanteil zwar kontinuierlich steigt, aber 2022 trotzdem erst bei ca. 13% lag, sieht man deutlich, dass in der Werbung darauf geachtet wird, das Geschlechterverhältnis ausgeglichener darzustellen – auch die neuen Serien der Bundeswehr auf YouTube drehen sich teils explizit um die „Powerfrauen“ in der Armee. Auch gegendert wird jetzt: „Arbeite mit uns daran als Sodat_in“ ist die Aufforderung auf der Homepage. Und in den Videos sind nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Kampfpiloten mit Migrationshintergrund zu sehen. Sie alle erzählen ihre Geschichte, wie sie zu Bundeswehr gekommen sind – wegen der interessanten technischen Aufgaben, aus Zufall oder weil man keinen „normalen“ Job machen wollte. So wird zumindest mehr als in der Vergangenheit das Bild der Bundeswehr als innovativer, weltoffener und toleranter Arbeitgeber vermittelt.
Dem gegenüber stehen die Slogans, die noch expliziter als sonst den eigentlichen Zweck der Bundeswehr benennen. Über den Wolken Grenzen aufzeigen und die Freiheit verteidigen, die auf dem Spiel steht, sind recht platte Umschreibungen dafür, deutsche Interessen durchzusetzen – ganz im Sinne vom ehemaligen Verteidigungsminister Struck, der in Bezug auf den Krieg in Afghanistan erläuterte, „unsere Freiheit“ würde „auch am Hindukusch verteidigt“ werden. Doch ein Slogan sticht besonders ins Auge: Wenn wir wieder Stärke zeigen müssen. Denkt man für einige Sekunden darüber nach, wie dieser Satz zu verstehen sein dürfte, kommt man schnell darauf, dass es genau zwei Situationen in der jüngeren Geschichte gab, in denen Deutschland im Sinne der militärischen Verteidigung „Stärke gezeigt“ hat. Die eine ging von 1914 bis 1918 und kostete ca. 17 Millionen Menschenleben, die andere von 1933 bis 1945 und kostete ca. 60 Millionen Menschenleben. Die Demonstration deutscher Stärke kostete auf der ganzen Welt und auch in Deutschland Millionen von Leben, sie verloren alles, was sie hatten in Kriegen, in denen sie nichts zu gewinnen hatten. Darauf Bezug zu nehmen und sogar explizit zu betonen, dass diese militärische Stärke in der Vergangenheit gezeigt werden „musste“, als wären es nicht deutsche imperialistische Interessen, die all diese Kriege vom Zaun gebrochen haben, ist eine offen rechte Geschichtsauffassung. Dies ist nicht überraschend, wenn man sich den Zweck der Bundeswehr anschaut, die genau für die Verteidigung dieser Interessen da ist und entsprechende Gesinnungen explizit befördert. Aber die Offenheit, mit der diese Auffassung nach außen getragen wird, dürfte schon überraschen.
Wer wird angeworben?
Werbekampagnen wie diese sind kein Zufall. Ihre Kernaussagen werden vielfach durchdacht und geprüft. Dass Ergebnisse wie diese herauskommen, die aus dem chauvinistischen Weltbild, das in der Bundeswehr vorherrscht, gar nicht erst ein Geheimnis machen, lässt mehrere Motive vermuten. Einerseits lassen sich die Motive und die Interessen, die diese Institution vertritt, gar nicht komplett verschleiern – sie sollen auch gar nicht verschleiert werden. Vielmehr trägt die Bundeswehr diese Auffassungen bewusst nach außen und verbreitet sie unter jungen Menschen. Zudem ist eine gewisse Weltanschauung, die mit solchen Aussagen zumindest kein Problem hat, auch gewissermaßen Voraussetzung, um in einer Institution, die die Machtansprüche eines imperialistischen Landes militärisch verteidigt, überhaupt arbeiten zu können. Somit wirbt sich die Bundeswehr das Klientel an, das in ihre Reihen passt – ein zu „fortschrittliches“ Image ist gar nicht brauchbar.