Regionalkonferenz der Parteien und Organisationen Europas der IKMLPO
Im Jahr 2020 erschütterte die Krise des Kapitalismus mit der Covid-Pandemie die Weltwirtschaft. Millionen von Arbeiter/innen haben ihren Arbeitsplatz verloren, alle Arbeiter/innen mussten massive Lohnkürzungen hinnehmen und wichtige Teile der Arbeiter/innen waren gezwungen, unter schlechten und gefährlichen Bedingungen zu arbeiten. Die „systemrelevanten“ Arbeiter/innen, vor allem die Frauen, wurden „gefeiert“, aber sie mussten kämpfen, um eine gewisse Anerkennung in Form von Lohnerhöhungen zu erhalten. Die Bosse haben diese Zeit genutzt, um die Ausbeutung zu erhöhen, soziale Rückschritte im Namen der „Rettung“ der Wirtschaft zu erzwingen und Milliarden öffentlicher Gelder zu erhalten.
Als die Pandemie vorbei war, riefen die Bosse und die Regierungen zur allgemeinen Mobilisierung auf, um den Aufschwung der Wirtschaft zu sichern. In Wirklichkeit bedeutete dies eine Steigerung der Gewinne und des Raubbaus. Die Inflation begann zu steigen und die Reallöhne zu sinken.
Der Widerstand der Arbeiter begann sich auf verschiedenen Ebenen Schritt für Schritt zu organisieren; die Notwendigkeit höherer Löhne war breit verankert.
Der Einmarsch in die Ukraine hat die Konflikte und die Rivalität zwischen dem russischen und dem westlichen Imperialismus ernsthaft verschärft. Die Preise für Öl, Gas und Lebensmittel sind in die Höhe geschossen, so dass die Arbeiter und die breiten Massen die Folgen dieses reaktionären Krieges zu tragen haben. Sanktionen und Militarisierung haben die Inflation in die Höhe schnellen lassen und zu einer brutalen Verarmung der Arbeiter und des Volkes geführt.
„Jetzt ist unsere Zeit gekommen!“
In allen Ländern werden die Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen immer lauter: Mobilisierungen, Streiks, Demonstrationen werden mehr und mehr zum Mittel, um sie den Bossen aufzuzwingen. Es handelt sich um eine Tendenz, mit unterschiedlichem Niveau und Rhythmus, aber sie ist in allen Ländern zu beobachten, und der Klassenkampf, die Stärke der Arbeiter, wenn sie gemeinsam kämpfen, die Bedeutung der Arbeiterklasse haben sich mehr und mehr durchgesetzt.
Wir geben hier einige Beispiele.
In Deutschland hat sich in vielen Sektoren eine seit zig Jahren nicht mehr dagewesene Welle von starken Mobilisierungen, Streiks mit konkreten Forderungen entwickelt, die höher gingen als zuvor. Es gab einen „neuen Geist“ unter den Arbeitern, eine größere Entschlossenheit zu gewinnen und ein allgemeines Gefühl der Unterstützung für diejenigen, die im Kampf standen: Die Arbeiter des Gesundheits- und Bildungswesens und des öffentlichen Verkehrs konnten das erleben, und weder die Regierung noch die Bosse konnten die anderen Bereiche gegen die Streikenden aufbringen. Die reformistischen Gewerkschaftsführer mussten dieser Situation Rechnung tragen. Sie waren zu einer radikaleren Demagogie und sogar zu einer Ausweitung der Streiks gezwungen.
Die Bosse, die Gewerkschaftsführer und die Koalitionsregierung einigten sich auf einen Kompromiss, um die Streikwelle zu beenden und die Löhne im Rahmen der offiziellen Inflation zu erhöhen. Eine neue Generation von kämpferischen Arbeitern hat sich in diesem Kampf zusammengeschlossen und mehr Selbstvertrauen in die Kraft der Arbeiter erlangt. Es ist offensichtlich, dass weitere Kämpfe folgen werden.
In Italien hat die rechtsextreme Regierung im Dienste des Großkapitals einen brutalen Angriff auf die Arbeiterklasse, die armen Menschen und die Migranten gestartet. Der Arbeitsmarkt wurde weiter liberalisiert und prekarisiert, die Sozialhilfe wurde gestoppt, der Mindestlohn wurde von der Tagesordnung gestrichen, der besondere Schutz für Migranten wurde abgeschafft.
Unter diesen Bedingungen entwickelt sich der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, für Lohnerhöhungen und gegen Entlassungen: zum Beispiel in den Fabriken von Stellantis und Arcelor Mittal, im Logistik-, Transport-, Gesundheits- und Pflegesektor, während der beispielhafte Kampf des GKN-Arbeiterkollektivs* weitergeht.
(* GKN, ein britisches multinationales Unternehmen, das Achswellen für Automobilhersteller produziert, hat am Freitag, 9.7.21 die sofortige Schliessung des Standorts Campi Bisenzio in der Provinz Florenz angeordnet. Dagegen gibt es Kämpfe, zuletzt wurde das Werk im Mai 2023 besetzt; Anmerkung des Übersetzers)
In Norwegen sind die Bourgeoisie und die großen Monopole „Profiteure des Krieges“, insbesondere aufgrund der hohen Gaspreise. Trotzdem ist das Realeinkommen der Arbeiter in den letzten drei Jahren gesunken. Nach einem viertägigen Arbeitskampf in der Privatwirtschaft, an dem sich 25.000 Beschäftigte beteiligten, handelte die reformistische Führung des Gewerkschaftsbundes im April einen Lohnkompromiss aus, der die Inflation nur für eine Minderheit ausgleicht. Nichtsdestotrotz haben die Arbeiter/innen ihre Stärke und ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, die Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen abzuwehren.
In Spanien liegt die Inflation bei 7,5 %, die Arbeitslosigkeit bei 13,1 %, die Jugendarbeitslosigkeit bei 29,26 %, und 28 % der Menschen leben an der Armutsgrenze. Zwei große Demonstrationen mit Hunderttausenden von Teilnehmern fanden zur Unterstützung des öffentlichen Gesundheitssystems statt, organisiert von lokalen Initiativen. Arbeiter/innengruppen (Reinigungskräfte, Wohnheime…), die bisher wenig Kontakt zu den Gewerkschaften hatten, sind in den Kampf eingetreten und versuchen, ihren Kampf zu koordinieren. Die Notwendigkeit, den Widerstand gegen den Plan der Privatisierung der öffentlichen Bereiche zu organisieren, steht auf der Tagesordnung. Angesichts der jüngsten Kommunalwahlen und der bevorstehenden Parlamentswahlen ist das politische Panorama instabil und die rechten Parteien drohen an die Regierung zu kommen.
In Dänemark, wo die Gewinne der großen Monopole hoch sind, waren die Erwartungen der Arbeiter/innen bei den nationalen Tarifverhandlungen diesmal hoch, was eine reale Lohnerhöhung angeht. Stattdessen einigten sich die Bosse und die Gewerkschaftsführer auf ein Abkommen mit einer geringen realen Erhöhung und überließen es den lokalen Verhandlungen, mehr zu erreichen, wobei die kollektive Kampfkraft der Klasse vernachlässigt wurde. Einige Arbeiter beginnen, den Kampf für höhere Löhne selbst in die Hand zu nehmen, da die Bosse sich weigern. Die Frage des „Sozialdumpings“, das vor allem Migrant/innen ausbeutet, ist ein wichtiges Thema für die Arbeiter/innen, das sie bekämpfen und damit die Solidarität zwischen den Arbeitern stärken. Die Regierung hat beschlossen, einen freien Tag in einen Arbeitstag umzuwandeln, um den erhöhten Kriegshaushalt zu finanzieren, was eine große Demonstration und Proteste auslöste.
In der Türkei beherrschten die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen die politische Lage. Das verdeckte die dramatische Inflation von 100 % in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 und all die großen Probleme, mit denen die Arbeiter und das Volk konfrontiert sind, wie das Erdbeben. In der Türkei, wo 60,4 Prozent der Bevölkerung unter der Hunger- und 87 Prozent unter der Armutsgrenze leben, wo das Vermögen der Zentralbank in den negativen Bereich gefallen ist, wo es unvermeidlich ist, dass die von der Regierung verfolgte straffe Geldpolitik die Arbeitslosigkeit explodieren lässt, ist es offensichtlich, dass all diese Probleme nach den Wahlen wieder auf der Tagesordnung stehen werden und das Land nicht die gewohnten politischen Bedingungen haben wird.
Frankreich: „Nein zu 64 Jahren!“
Die mächtige Bewegung von Demonstrationen (13, einschließlich des 1.Mai) und Streiks, die im Januar 2023 gegen die Reform des Rentensystems begann, hat Millionen von Arbeiter/innen, Jugendlichen, Frauen… mobilisiert. Die Bewegung wurde um die konkrete Forderung vereint: „Nein zu 64!“, die von einer breiten Koalition aus den wichtigsten Gewerkschaften und Jugendorganisationen mit Unterstützung zahlreicher Verbände und linker politischer Parteien unterstützt wurde… Diese Bewegung ist auch eine Fortsetzung früherer Bewegungen gegen arbeitnehmer- und volksfeindliche Reformen und findet im Kontext einer Streikwelle für höhere Löhne statt, die 2019 begann. Die jetzige Gegenreform führte zu der Stimmung „zu viel ist zu viel“, dieses Mal heißt es „Nein!“. „Nein zur Ausbeutung! Nein zur Arbeit bis ins Grab!“
Diese Bewegung hat viele Aspekte, die zusammengenommen ihre Kraft und Entschlossenheit ausmachen, die in dem Slogan „Wir geben nicht auf“ zum Ausdruck kommen. An der Spitze dieses Kampfes steht die Arbeiterklasse, die in allen Städten, in den Produktionszentren des ganzen Landes teilgenommen hat… Sie hat große Teile der Arbeiter/innen und Massen angezogen, und auch heute noch sind 90% der Arbeiter/innen gegen diese Reform, auch wenn die Regierung sie durchgesetzt hat. Die Art und Weise, wie sie diese Reform durchgesetzt hat, indem sie alle Tricks der Verfassung angewandt hat – von denen viele den Massen völlig unbekannt waren – und indem sie Provokationen und polizeiliche Repressionen eingesetzt hat, hat die Entschlossenheit der Arbeiter, der Jugend erhöht…
Die Bewegung hat die Wirtschaft nicht blockiert, auch wenn wichtige Sektoren in ständige Streiks verwickelt waren. Aber die Blockade der Wirtschaft ist ein wichtiger Faktor für das notwendige Gleichgewicht der Kräfte, um die Regierung zum Rückzug zu bewegen. Das ist eine Lektion, die viele Arbeiter heute im Kopf haben.
Allgemein herrscht die Genugtuung, die Kraft der Arbeiterbewegung unter Beweis gestellt zu haben, ihre Fähigkeit, sich um konkrete Forderungen zu scharen. Es gibt viele Lektionen zu teilen und zu diskutieren, und das Bewusstsein, dass das gesamte System, das kapitalistische imperialistische System, das Haupthindernis ist, das es zu überwinden gilt, wächst.
Diese Bewegung ist international mit großer Sympathie verfolgt worden. Sie hat die Arbeiter/innen, die Aktivist/innen ermutigt und sie in der Idee bestärkt: „Ja, es ist möglich, dass die Arbeiter kämpfen, sich vereinigen, die Initiative ergreifen“ gegen das Kapital und sein System.
Einige Schlussfolgerungen
Die schwerwiegenden Folgen der Politik von Covid 19, die Verarmung der Arbeiter/innen und des Volkes, die Inflation und die enormen Kosten des Krieges in der Ukraine, führen zu einem Erwachen der Arbeiterbewegung in Europa auf verschiedenen Niveaus, aber in dieselbe Richtung und mit ähnlichen Forderungen.
Die Arbeiter/innen und das Volk befinden sich an einem Wendepunkt, an dem sie die anhaltenden Angriffe der Kapitalisten und ihres Staates nicht mehr ertragen können. In diesem Kampf ist das Bewusstsein der Arbeiter gewachsen und ihr Selbstvertrauen gestiegen.
Gezwungen durch die zunehmenden Angriffe des Kapitals und die schnell wachsende Unfähigkeit des Systems, die Forderungen und Hoffnungen der Arbeiter und der Volksmassen zu erfüllen, wird sich der Kampf in der nächsten Zeit weiterentwickeln und intensivieren.
Es ist unsere Pflicht, das Bewusstsein zu entwickeln, den reformistischen Einfluss, der von reformistischen und opportunistischen Kräften gefördert wird, zu bekämpfen, einen Weg aufzuzeigen, die Einheit zu stärken und den Kampf gegen das gesamte kapitalistische System zu führen.
„Der Kapitalismus zerstört unser Leben: dieses System gehört nicht uns, wir müssen es bekämpfen!“ (Parole aus den Kämpfen der französischen Arbeiter/innen; Anmerkung des Übersetzers)
Nur der Sozialismus, eine neue und bessere Gesellschaft ohne Ausbeutung der Arbeiter/innen, kann diese Probleme lösen, zugunsten der Arbeiterklasse, der breiten Massen und des Volkes
Frankreich, Mai 2023
Europäische Mitglieder der Internationalen Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen (IKMLPO)
Kommunistische Arbeiterpartei Dänemark (APK)
Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands/ Arbeit Zukunft
Kommunistische Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF)
Kommunistische Plattform für die Partei des Proletariats Italiens
Marxistisch-leninistische Organisation Revolsjon Norwegens
Kommunistische Partei Spaniens (Marxisten-Leninisten) PCE (m-l)
Partei der Arbeit der Türkei – EMEP