Das Märchen von der Lohn-Preis-Spirale

Foto: Unser Flugblatt zur Metalltarifrunde

Immer, wenn Lohn- und Gehaltstarifrunden bevorstehen und von den Gewerkschaften, wie jetzt bei der IGMetall, die Forderung nach Lohnerhöhungen gestellt werden, jammern die Kapitalisten über die hohen Belastungen „der Wirtschaft“ und malen das Gespenst von der „Lohn-Preis-Spirale“ an die Wand. Dieses Märchen besagt, dass die erhöhten Lohnkosten (wenn sie denn erkämpft würden) eben auf die Preise der Waren niederschlagen würden und dann „wir alle“ die Lohnerhöhungen über die gestiegenen Warenpreise bezahlen müssten. Im Endeffekt hätten nicht mal die Metall-KollegInnen was von den Einkommenserhöhungen, weil sie die ja bei jedem Einkauf wieder verlieren würden.

Klingt erst mal ganz logisch, ist aber falsch!

Erstens: Wenn es schon so wäre, dass die Kapitalisten die Kosten der höheren Löhne ohne weiteres auf ihre Produkte schlagen könnten, dann würden zwar im Fall der Metall- und Elektroindustrie Maschinen, Autos, Elektrogeräte usw. teurer, wohl aber nicht Möbel, Lebensmittel, Kleidung und tausend andere Dinge.

Zweitens: Die Personalkosten machten z.B. bei den Autozulieferen im Jahr 2013 laut „statista“ gerade mal 18% der Gesamtkosten aus; heute ist der Prozentsatz bestimmt noch niedriger. Das heißt in diesem Fall: sollten die Löhne und Gehälter bei Metall tatsächlich um 8% brutto steigen, ergäbe das in dieser Branche lediglich eine Erhöhung der Preise um 1,44 %. Das wäre sehr weit unter der derzeitigen Teuerungsrate, die ja bekanntlich bei 9% liegt.

Aber drittens: Das Ganze ist eine Milchmädchenrechnung. Schon Marx hat in „Lohn, Preis, Profit“, nachgewiesen, dass die Warenpreise sich nicht willkürlich bestimmen lassen, sondern immer von Angebot und Nachfrage abhängig sind. Würden also die Warenpreise von den Kapitalisten willkürlich erhöht, würde auch die Nachfrage nach ihren Waren sinken – ein Autokäufer, der sonst einen VW gekauft hätte, würde dann vielleicht eher einen Japaner oder Franzosen kaufen, wenn der VW zu teuer ist. Es ist so: wenn der Preis der Ware Arbeitskraft – sprich der Lohn oder das Gehalt – steigt, fällt gleichzeitig der Profit. Das versuchen die Kapitalisten natürlich auszugleichen, üblicherweise mit der Steigerung der Produktivität, sprich Rationalisierung. So findet es auch statt.

Durch Produktivitätssteigerung wird zwar der gestiegene Arbeitslohn bzw. das Gehalt nicht wieder weniger, aber der Anteil der Lohnkosten an den Herstellungskosten der Ware sinkt und die Macht des Kapitals über die Arbeit nimmt wieder zu. Deshalb muss bei den Forderungen an das Kapital nicht nur ein Lohnausgelich für die Preissteigerungen sondern auch ein Ausgleich für die gestiegene Produktivität der Arbeitskraft gefordert werden. Deshalb treten wir für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich ein!

Abschließend:

Es geht bei den jetzigen und kommenden Tarifrunden ja gar nicht darum, dass sich die Beschäftigten auf einmal mehr leisten wollen, z.B. statt einem VW-Golf einen Mercedes oder Porsche (oder einen eigenen Privatjet wie viele Bosse und Top-Manager!), sondern darum, die schon stattgefundene Teuerung aller Waren – insbesondere Lebensmittel, Heizung, Sprit – auszugleichen. Dazu wären Einkommenssteigerungen von ca. 12% brutto notwendig. Wenn die IG Metall jetzt nur 8% fordert, dann ist das schon unter dem Ausgleich für die stattgefundene Inflation.

S.N.