(Übersetzung aus „La Forge“ Sept. 2022, Zeitung der PCOF)
Im August erklärt Macron von seinem Urlaubsort aus: „Wir müssen es akzeptieren, den Preis für unsere Freiheit und unserer Werte zu bezahlen“. Damit bezog er sich auf den Krieg in der Ukraine und seine „Folgen“. Er spann seine Idee weiter in seiner Einführungsrede bei der ersten Kabinettssitzung des neuen Schuljahres (Ende August), die im Fernsehen live übertragen wurde, indem er ankündigte:
„Es ist das Ende des Überflusses, der Unbeschwertheit und der Selbstverständlichkeit“. Die Reichen fühlten sich nicht betroffen, denn es ist „ihr“ Präsident und er bleibt dabei, ändert weder die Seiten noch den Kurs, auch wenn „der Präsident der Krisen“, wie er sich selbst gerne bezeichnet, sich „pessimistischer“ zeigt. Aber die Masse derjenigen, die das Land durch ihre Arbeit am Leben halten, die noch Urlaub machen konnten, der für ihre physische und psychische Gesundheit nötig war, die sich über die steigenden Preise Sorgen machen und sich fragen, wann es aufhört, sehen, dass die Wälder brennen, das Wasser knapp wird… konnten diese Aussagen als Beleidigung, Provokation und als die Ankündigung weiterer Schläge gegen ihre Rechte und Interessen ansehen. Es geht in der Regierungserklärung überhaupt nicht mehr um die Erhöhung der Löhne, der Renten, der Sozialleistungen … – „Das ist gelaufen“, sagt er hochnäsig. – sondern um die Notwendigkeit von Einsparungen, um unumgängliche Preiserhöhungen, Anstrengungen „für das Klima“.
Macron und seine Regierung bereiten die Gemüter auf groß angelegte Angriffe auf die Arbeiter
und die Volksmassen in den kommenden Monaten vor. Sie verweisen auf die internationale Lage, die geprägt ist durch den Krieg in der Ukraine, der immer mehr ins Stocken gerät und mit einem nuklearen Unfall droht. Dies ist natürlich eine besorgniserregende Situation, aber sie ist kein
Phänomen, das „außerhalb“ der Politik von Macron und seiner Regierung, liegt. Diese ist Teil dieses Krieges und aller Maßnahmen, Sanktionen und Gegensanktionen, die von den Mächten der westlichen Staaten und von Russland verhängt wurden. Der Monopolist Total, ein wichtiger Akteur auf dem internationalen Öl- und Gasmarkt, profitiert in hohem Maße von den steigenden Preisen für beide Produkte: Er ist eindeutig ein „Kriegsgewinnler“, der versucht, den Schein zu wahren, indem er „Rabatte“ an den Tankstellen gewährt. Borne 1), Le Maire und Co. nehmen das als Beispiel für Bürgersinn und Politik zur Hebung der Kaufkraft.
Nach den ersten Monaten der neuen Regierungszeit, die durch seine Wahlniederlage bei den Parlamentswahlen vor dem Hintergrund einer sehr hohen Wahlenthaltung begann, musste Macron sich mit seiner Isolation und einer sehr kleinen relativen Mehrheit abfinden. Die Gesetze über die „Kaufkraft“ und das Haushaltsgesetz, die als Gesetze, die auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen, dargestellt und als „leicht zu verabschieden“ bezeichnet wurden, wurden am Ende langer Debatten und mit Müh‘ und Not verabschiedet. Man suchte nach Kompromissen mit der Rechten und der Unterstützung einer extremen Rechten, die sich in den Institutionen festsetzt, ohne ihre reaktionären Prinzipien zu verleugnen.
Macron will dies hinter sich lassen, um neue Gegenreformen einzuleiten, die auf „den Arbeitsmarkt“ abzielen. Es geht darum, den Unternehmen dabei zu helfen, sofort billige Arbeitskräfte zu finden, die gezwungen sind, die Löhne und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die es ermöglichen, Gewinne zu erzielen und wettbewerbsfähig zu bleiben… Das ist die Reform der Arbeitslosenversicherung, um Arbeitslose dazu zu zwingen, die Arbeitsplätze in Branchen, die in Schwierigkeiten stecken, zu besetzen; das ist die Reform der neue Gegenreformen, die auf „den Arbeitsmarkt“ abzielen. Es geht darum, den Unternehmen dabei zu helfen, sofort billige Arbeitskräfte zu finden, die gezwungen sind, die Löhne und Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die es ermöglichen, Gewinne zu erzielen und wettbewerbsfähig zu bleiben… Das ist die Reform der Arbeitslosenversicherung, um Arbeitslose dazu zu zwingen, die Arbeitsplätze in unter Druck stehenden Branchen zu besetzen; das ist die Reform der Berufsausbildung, die stärker direkt von den Unternehmen gesteuert werden soll…
Alles nur für die Unternehmen
Wenn für die Benutzer und abhängig Beschäftigten die Aufforderungen, weniger Gas und Elektrizität zu verbrauchen, mit einem sehr starken Anstieg der Tarife einhergehen, werden die großen Unternehmen und Großabnehmer aufgefordert, sich selbst zu beschränken, ohne dass der Staat ihnen etwas vorschreibt. Im Gegenteil, er wird ihnen „helfen“. Darüber hinaus zählte Borne*) vor den Unternehmern, die sich zur Universität der Medef 2) versammelt hatten, die Steuererleichterungen auf,die die Regierung weiterhin gewähren wird.Das sind Maßnahmen, die zusätzlich zu denjenigen über die „Kaufkraft“, die es den Unternehmen vor allem ermöglichen, die Steuerbefreiung von Überstunden zu finanzieren.
Die andere Priorität, welche die Regierung gesetzt hat, ist die Reduzierung der öffentlichen Defizite mit dem Ziel der „Rückkehr zu 3 % des BIP“ bis zum Ende der Legislaturperiode. Dies ist eine politische Botschaft , die offenkundig ist: es sind Einsparungen für alle Sozialbudgets, für das Gesundheitswesen, die Bildung,die Ausbildung… Als Borne diese Grundzüge vorstellte, haben mehrere Kommentatoren betont, dass sie die Reform der Renten nicht erwähnte. Sie begnügte sich damit, zu sagen, dass sie nicht aufgegeben wird, „weil sie notwendig ist“, und verwies sie auf Diskussionen, insbesondere im Rahmen des „Conseil national de refondation“ 3). Die Medef selbst findet, dass das Boot bereits voll ist und nicht noch zusätzlich dieses Thema auf die Agenda der soziale Proteste gesetzt werden sollte.
Anmerkungen:
1) Borne: französische Premierministerin
2) Medef: Arbeitgebervereinigung Frankreichs
3) eine Art „Bürgerversammlung“ nach Macron‘scher Vorstellung, an der Vertreter der politischen Kräfte, der Sozialpartner, der Kommunalpolitiker, der Wirtschaft und der Verbände teilnehmen.