Mit einem machtvollen zweitägigen Streik zeigte die große Mehrheit der Hafenarbeiter/innen in Niedersachsen, Hamburg und Bremen am 14. und 15.Juli 22, wie ernst es ihnen mit ihren Forderungen nach mehr Lohn ist. Die Forderung von Verdi war 1,20 Euro pro Stunde plus einen tatsächlichen Inflationsausgleich. Das war auch der Wille der Kolleg/innen. Sie sind sowieso schon für die harte Arbeit schlecht bezahlt. Da wollten sie keinen Reallohnverlust hinnehmen.
Um den Kampf zu brechen, verbot das Hamburger Arbeitsgericht auf Antrag mehrerer Hafenlogistiker eine Fortsetzung des Streiks bis zum 26.8.22.
Kurz vor Ablauf dieses Streikverbots einigte sich Verdi leider auf einen Abschluss, der sich zwar gut anhört, aber bei weitem nicht die Fordeurngen der Kolleg/innen erfüllt.
Ab 1. Juli 2022 steigen die Entgelte in Vollcontainerbetrieben in der Ecklohngruppe 6 (inklusive Sonderzahlung) um 9,4 Prozent; in den konventionellen und Stückgut-Hafenbetrieben steigen sie in derselben Referenzlohngruppe (inklusive Sonderzahlung) um 7,9 Prozent. Ab 1. Juni 2023 erhöhen sich die Entgelte in den genannten Betriebsarten um jeweils weitere 4,4 Prozent. Sollte die Preissteigerungsrate darüber liegen, tritt eine Inflationsklausel in Kraft, die eine Preissteigerungsrate bis 5,5 Prozent ausgleicht. Für den Fall einer höheren Inflationsrate haben die Tarifparteien eine Verhandlungsverpflichtung, inklusive eines Sonderkündigungsrechtes, vereinbart.
Warum unterschiedliche Abschlüsse im Container- und Stückgutbereiche? Das vertieft die Spaltung! Zudem gleichen 7,9% schon jetzt die offizielle Inflation nicht aus! Da jeder weiß, dass die Inflation für die niedrigen Lohngruppen weit über der offiziellen Inflationsrate liegt, ist die Forderung nach „einem tatsächlichen Inflationsausgleich“ bei weitem nicht umgesetzt. Von einer Reallohnerhöhung ist gar nicht zu reden.
Der Rechtsanwalt für Arbeitrecht, Rolf Geffken, schrieb dazu auf twitter:
„1. Laufzeit 24 Monate in einer Zeit der galoppierenden Inflation und massiver Verteuerungen.
2. Bei „höherer Inflationsrate“ die so gut wie sicher ist, gibt es nur eine „Verhandlungsverpflichtung“ der Tarifparteien und keine automatische Anpassung.
3. Wieder einmal werden die Arbeiter im Autoumschlag gegenüber den anderen Beschäftigten diskriminiert.
Ver.di erweist sich als staatstragende „Friedens“-Gewerkschaft in einer der größten Wirtschaftskrisen dieses Jahrhunderts. So wird die vorbildliche KAMPFKRAFT der Hafenarbeiter auf dem Altar der Sozialpartnerschaft verscherbelt!“
Dieser Tarifkampf ist exemplarisch für das, was in nächster Zeit zu erwarten ist:
Der große Druck der Arbeitgeber, die Hetze in den Medien gegen den „unverantwortlichen Streik“, das gerichtliche Streikverbot. In all dem spiegelt sich die Angst der herrschenden Klasse vor der Kraft der Arbeiterklasse wieder. Die Arbeiterklasse ist also nicht wehrlos und ohnmächtig!
Aber gerade diese offensichtlich gewordene Kraft, sollte und wollte nicht genutzt werden. Deshalb haben Arbeitgeber und Verdi-Führung kurz vor Ablauf des Streikverbots eine Einigung hingelegt.
Jetzt gilt es in der Gewerkschaft zu fragen, warum die sichtbar gewordene Kampfkraft nicht konsequent genutzt, sondern vor Ablauf des gerichtlichen Streikverbots ein schneller Abschluß gesucht wurde.
Siehe auch unseren Bericht über den Streik der Hafenarbeiter