Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen wurde am 14. und 15. Juli in deutschen Häfen gestreikt. Ver.di fordert für die 12.000 Beschäftigen in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Niedersachsen, Bremen und Hamburg eine Erhöhung der Entgelte um 1,20 Euro pro Stunde + der tatsächliche Inflationsausgleich. Vor dem Hintergrund der Inflation sowie der drohenden Rationalisierungen in den Häfen sind diese Forderungen nicht nur gerechtfertigt, sondern das Mindeste.
Angriffe auf das Streikrecht
Der Druck, den bereits die vorhergegangenen Streiks auslösten, scheint bedeutend zu sein. Nicht nur vom Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), sondern auch in vielen Medien hört man davon, wie verantwortungslos der Streik der Hafenarbeiter sei, dass er die Lieferkettenprobleme verschärfen würde und vieles mehr. Ähnliche Schlagzeilen haben wir auch im letzten Jahr beim Streik der Lokführer gesehen – doch diese Stimmungsmache ist nicht mehr als heiße Luft! In diesem Fall geht das Kapital jedoch noch einen Schritt weiter: Nach dem ersten Warnstreik an den Seehäfen sagte BDA Präsident Rainer Dulger, „die Ausstände in einer Zeit, in der die Unternehmen dringend Materialien brauchen, hätten ihm sehr missfallen. Vielleicht brauche man einen »nationalen Notstand«, der auch Streikrecht breche“. Und an diesem ersten Warnstreiktag (14. Juli) haben mehrere Hafenlogistiker, Anträge auf einstweilige Verfügungen an den Arbeitsgerichten in Bremen, Oldenburg und Wilhelmshaven gestellt, um den Warnstreik zu stoppen. Das Hamburger Arbeitsgericht beschloss daraufhin, dass dieser Warnstreik zu Ende geführt werden darf, dann aber bis zum 26. August kein Arbeitskampf mehr zulässig ist. Es ist nicht das erste Mal, dass das Hamburger Arbeitsgericht ein Streik verbietet. Sie hat schon in der Vergangenheit mehrere Streiks der GdL (Lokführer-Streiks) und ver.di (Kita-Streiks) verboten.
Diese Entwicklungen sind als ernsthafte Angriffe auf das Streikrecht zu verstehen! Umso wichtiger ist es, dass die Hafenarbeiter mit ihrer Aktion am 15. Juli noch einmal ein starkes Zeichen setzten.
Demonstration am 15. Juli in Hamburg
Am Freitag versammelten sich also um 10:00 ca. 5.000 Kollegen aus Hamburg, Bremerhaven, Brake und anderen Städten am Hauptbahnhof, um laut zu sein und für ihre Forderungen einzustehen. Es kamen viele sehr kämpferische Redebeiträge von Kollegen aus dem Hafen sowie solidarischen Arbeitern aus anderen Branchen, zum Beispiel aus den derzeit kämpfenden Unikliniken in NRW oder von der Hamburger Hochbahn. Vor dem Lautsprecherwagen hatten sich Kollegen mit großen Schildern aufgestellt: „Wir sind der Hafen“, auf denen sie trommelten und Stimmung machten. Der Demonstrationszug lief durch die Innenstadt und machte einen Zwischenstopp vor Hapag Lloyd, wo sie ordentlich einheizten, und am Jungfernstieg, wo noch Redebeiträge kamen. Auch hier waren sie kämpferisch und thematisierten neben den Forderungen der Arbeiter auch die Angriffe auf das Streikrecht und machten klar: Streiken ist ein Grundrecht! Ein Angriff auf die Hafenarbeiter ist ein Angriff auf uns alle!
Danach zog der Zug zum Gewerkschaftshaus. Schon während der Demonstration wurden immer wieder Pyrotechnik und Böller gezündet. Diese sollten bei der Abschlusskundgebung zum Verhängnis werden. Ein Kollege wurde von der Polizei beim Zünden eines Böllers beobachtet, herausgezogen und an die Scheibe des Einsatzwagens gedrückt. Die Polizisten schienen jedoch nicht mit der Reaktion gerechnet zu haben: Sofort sammelten sich mindestens 50 Menschen um den Wagen und forderten, von ihrem Kollegen abzulassen. Die sichtlich überforderte Polizei musste von einem Trupp mit Helmen und Knüppeln geschützt werden, die gegen die Menge der Streikenden Pfefferspray einsetzte, um den Kollegen in den Wagen zu bekommen (Video des Einsatzes von Twitter: https://twitter.com/KGK_News/status/1547896449651712002?cxt=HHwWhICh6dXnnfsqAAAA). Die Kollegen ließen trotz des Angriffes nicht locker und drängten die Polizisten, die ihren Auftrag jedoch bereits erfüllt hatten, zurück. Die unnötige Provokation der Polizei hatte jedoch nur den Zusammenhalt und die Kampfbereitschaft der Kollegen demonstriert. In den folgenden Redebeiträgen der Abschlusskundgebung schlussfolgerten Kollegen aus den Betrieben: „Wir sehen, auf welcher Seite der Staat steht, und zwar nicht auf unserer“.
Jedem, der die Streikdemonstration der Hafenarbeiter an diesem Freitag mitbekommen hat muss jetzt klar sein, dass diese Kollegen bereit zum Kampf sind und sich nicht unterkriegen lassen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Kampfbereitschaft auch in die Tarifkommission durchdringt und von den berechtigten Forderungen nicht abgewichen wird. Zudem müssen weitere starke Aktionen auf die Beine gestellt und die Solidarität für die Hafenarbeiter gestärkt werden – auch, um Kapital und Regierung klarzumachen, dass sie mit ihren Angriffen auf das Streikrecht nicht durchkommen werden.