Aktualisiert am 15.3.22
In 5 Städten (Berlin, Hamburg, Leipzig, Frankfurt, Stuttgart) hatte ein breites Bündnis aus ver.di, BUND, Naturfreunde, Brot für die Welt, Netzwerk Friedenskooperative, Seebrücke, DFG-VK, NaBu, Ohne Rüstung leben und vielen mehr am 13.3.22 zu Kundgebungen und Demonstrationen gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine, gegen Krieg und Aufrüstung aufgerufen. Nach Angaben der Veranstalter nahmen daran insgesamt 125.000 teil.
13.3.22, Berlin, Gewerkschafter/innen für Frieden!
Von Bedeutung war dabei, dass viele Teilnehmer/innen gegen einen Schulterschluss mit der NATO, mit den Aufrüstungsbefürwortern, gegen eine deutsche Beteiligung an dem Krieg waren. Einhellig wurde der russische Einmarsch in die Ukraine verurteilt und der sofortige Rückzug dieser Truppen gefordert. Wenn Redner/innen diese Positionen klar zum Ausdruck brachten, erhielten sie sehr viel Beifall.
Leider ist dieses Bündnis in vielen Punkten unklar und zerbrechlich. In einer internen Vereinbarung zum Ablauf der Kundgebungen wurden, ohne dies zu veröffentlichen, wackelige Absprachen getroffen. Da heißt es:
„Ob der Frieden in der Ukraine besser mit oder ohne Waffenlieferungen zu erreichen ist – das bewerten Teilnehmer*innen und Bündnisorganisationen unserer Demonstrationen unterschiedlich. Das Thema soll bei zukünftigen Kundgebung nicht im Vordergrund stehen und Bündnismitglieder äußern sich nach Möglichkeit nicht dazu. Bei Pressenachfragen kann aber die jeweilige Position benannt werden. Dabei wird der Respekt vor der jeweils anderen Position betont. Redner*innen aus der ukrainischen Community können auf der Bühne sowohl pazifistische Positionen gegen jede militärische Gewalt äußern als auch sich für Waffenlieferungen aussprechen.“
Mit dieser windigen Vereinbarung wurde auch Kriegstreibern ein Podium gegeben.
Stuttgart
In Stuttgart kam es zu einem Eklat. Vertreter/innen der ukrainischen Gemeinschaft waren auf dem Podium. Als jedoch Jürgen Grässlin, ein Veteran der Friedensbewegung, klipp und klar Waffenlieferungen in die Ukraine und das 100 Milliarden-Aufrüstungspaket der Bundesregierung ablehnte, verließen die ukrainischen Vertreter unter Protest die Bühne. Sie versuchten dann, mit Sprechchören die Rede Grässlins zu stören. Doch ihr Protest war kaum zu hören, dafür gab es umso mehr Beifall der Teilnehmer/innen für die richtigen Positionen Grässlins. Es war eindeutig: Die Mehrheit lehnt Russlands Einmarsch ebenso ab wie die Aufrüstung der NATO und der Bundeswehr. Das kam auch bei der Kundgebung auf vielen Transparenten und Plakaten deutlich zum Ausdruck. Das ständige Trommeln für Aufrüstung und Kriegsvorbereitung hat also nicht nur Begeisterung, sondern bei vielen Menschen zu Ernüchterung und Widerstand geführt. Es wird ja auch schon nach kurzer Zeit sichtbar, wer für den Konkurrenzkampf der Großmächte, ihre Kriege und ihre Aufrüstung bezahlen muss: Die Arbeiterklasse und das Volk!
Hamburg
13.3.22, Hamburg, Jugend gegen Krieg und Aufrüstung!
Vor dem Beginn der Kundgebung ertönte laut die ukrainische Nationalhymne. Dicht gedrängt standen Menschen unterschiedlichen Alters auf dem Jungfernstieg an der Alster in der Frühjahrssonne. Aufmerksam lauschten sie den Redebeiträgen, die von riesigen, auf dem gesamten Platz verteilten Lautsprechern über die Menge tönten. Ukraine Flaggen waren überall, in Form von über den Köpfen ragenden Schildern, in die Haare geflochtenen Bändchen oder um Schultern gewickelten Fahnen. Einige der Flaggen trugen den goldenen Dreizack, das Nationalwappen der Ukraine. In der Menge wurden Schilder gehalten auf denen „Fuck Putin“ oder „NO WAR“ steht. Auf vielen steht sogar „NATO close our sky – we will handle the rest“ und „Heute Ukraine, morgen EU!!!“.
13.3.22, Hamburg, Gegen Krieg und Aufrüstung weltweit!
In Hamburg sind tausende Menschen dem Aufruf des breiten Bündnisses aus Parteien und Gewerkschaften gefolgt. Dabei hat die Teilnehmerzahl seit dem letzten Wochenende, an dem eine Kundgebung von ähnlichen Organisationen abgehalten wurde, abgenommen. Viele der Teilnehmer waren alte Menschen, oder Familien mit Kindern. Dabei haben Geflüchtete aus der Ukraine einen beachtlichen Teil der Versammlung ausgemacht. Moderiert wurde vom DGB-Hamburg und zentrale Redebeiträge kamen von dem „Norddeutschen Ukrainischen Hilfsstab“, der Evangelisch-Lutherischen Kirche und Peter Tschentscher, Hamburgs Erstem-Bürgermeister. Es wurde vor allem auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland und den Appell, endlich militärisch zu handeln, eingegangen, mit ukrainisch-nationalistischer Rhetorik wurden ukrainische Stimmen laut für die militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland und die NATO. Mit Solidaritätsbekundungen zu der ukrainischen Bevölkerung wurde, unter dem Deckmantel der Friedenskundgebung nur sanft verschleiert, offen zu militärischen Handlungen aufgerufen und Stimmung gegen Russland gemacht. Sanktionen wurden als wirksame Druckmittel dargestellt und die Bevölkerung zur Heiz-Abstinenz aufgerufen. Dabei sind die Gewerkschaften mit sanften Formulierungen auch auf die Unterstützung der Bevölkerung in Bezug auf die steigenden Energiekosten durch den Staat eingegangen. Der lauteste Applaus kam jedoch immer, wenn Aufforderungen zur Abrüstung oder für Diplomatie kamen.
Die Kundgebung war von vielseitigen Teilnehmer:innen geprägt. Neben den aufrufenden Großparteien SPD, Grüne, CDU, etc., der Ukrainischen Diaspora und den Gewerkschaften waren auch Vereine und Verbände wie Greenpeace, VVN-BdA, der Internationale Jugendverein und die DIDF, Organisationen und Parteien wie die MLPD und ihre Jugendorganisation Rebell und Initiativen und Gruppen wie das Hamburger Forum und die Interventionistische Linke präsent. Dabei haben einzelne Akteure versucht auf die Frage nach dem Frieden mit einer antimilitaristischen und internationalistischen Perspektive zu antworten. Mit Flyern und Transparenten wurde auf die beschlossenen Gelder für die Bundeswehr und auf die NATO Osterweiterung kritisch eingegangen. Dies stellte ein wichtiges Gegengewicht zu den Redebeiträgen dar.
In den letzten Wochen sind in Hamburg insgesamt weit über 100.000 Menschen zu Kundgebungen und Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine auf die Straßen gegangen. Die größten Aktionen waren inhaltlich von der Solidarität mit dem ukrainischen Staat und allgemeiner Sympathie zur NATO geprägt. Diese Ausrichtung einer Friedensbewegung lässt sich offensichtlich in eine Politik der Mobilisierung für einen Krieg in Europa eingliedern und instrumentalisieren. Jetzt muss es heißen konsequent gegen den Krieg und jegliche Aufrüstung vorzugehen und sich nicht für diesen Krieg vor den Wagen spannen zu lassen!