Genötigt durch den letzten Willen ihrer Mutter, sehen sich zwei seit 13 Jahren entfremdete Brüder gezwungen, eine gemeinsame Reise anzutreten. Die Wahl des älteren Bruders fällt auf Italien. Auch auf der Reise bleibt die Beziehung der Brüder angespannt schwierig, allmählich schält sich aber heraus, dass sie beide vom harten Leben der Eltern als türkische „Gastarbeiter“ in Deutschland geprägt sind.
Can, der Ältere, war viel mehr in das Elend verstrickt als Karl, der Jüngere. Er fing nach der Schule eine Ausbildung im Betrieb an, in dem auch sein Vater schuftetete. Er erlebte dort unmenschliche Arbeitsbedingungen und Erniedrigung durch den Vorarbeiter. Als der Vater langsam zugrunde ging. hielt er es nicht mehr aus und verschwand in ein unstetes Leben weit weg von der Familie. Karl suchte einen anderen Weg aus dem Elend durch Bildung, Studium und Karriere als Richter sowie eine Ehe, in der er sich aber inzwischen wie versteinert fühlt. Beide Brüder werfen sich gegenseitig vor, sich aus dem Staub gemacht zu haben.
In Italien lernt Karl eine junge lebenssüchtige Schauspielerin aus der Ukraine kennen, die vor dem dortigen Krieg geflohen ist und an Tuberkulose leidet. Can kennt sie schon länger. Beide Brüder sind von der schönen Frau fasziniert. Sie führt die beiden zusammen und verbringt eine Nacht mit ihnen, nach der sie schwer erkrankt in die Klinik muss.
Mesut Bayraktar ergreift den Leser durch seine intensive Sprache mit ungewöhnlichen Wortschöpfungen, mit denen er z.B.sein Gefühl der Fremdheit in der deutschen Schulklasse,die grausam mit Kindern aus anderen Kulturen umgeht, beschreibt: „Die kichernden Kindergesichter um mich herum rotteten sich zusammen zu einem Spiegelsaal des Grauens, wo mit jedem Gesicht das Entsetzen nach mir griff und mein Selbst durchstrich.Heute weiß ich, was das bedeutet hat. Ich lernte durch ‚Aschenputtel‘, was Scham ist.“ Oder wenn er einem alten Mann tiefe Gedanken über den Krieg am Beispiel des trojanischen Kriegs in den Mund legt:“Die Wahrheit verlor – mal wieder. Die Ahnungslosen dachten nicht, dass das Wiedersehen über ein Jahrzehnt dauern sollte, und die Mächtigen fühlten sich nun noch mächtiger, da sie die Flotte Tessaliens unter ihre Befehlsgewalt gebracht hatten.“
Der talentierte, junge Schriftsteller ist bisher durch Gedichte und Kurzgeschichten bekannt, die in Anthologien erschienen sind.
Mesut Bayraktar: Wunsch der Verwüstlichen. Autumnus-Verlag, 244 S., geb., 18,95 €.