Nach den Wahlen … kommt das Brechen der Wahlversprechen!

Stellungnahme der Organisation für den Aufbau einer Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands


FDP und Grüne treffen sich zur Vorbereitung der Koalitionsverhandlungen; Karikatur von Guido Kühn; www.guidos-welt.de; vielen Dank!
Eigentlich war schon vor der Wahl klar, dass die Versprechungen der verschiedenen Parteien nach der Bundestagswahl keinen Bestand haben werden. Allen Beteiligten, auch den Wahlkämpfern war bewusst, dass sie nicht alleine regieren können und daher sowieso gar nicht erst in die Verlegenheit kommen werden, das umzusetzen, was sie versprochen hatten. Man konnte deshalb hemmungslos alles Mögliche ankündigen.

So konnte sich die SPD, die Partei von Hartz IV, Leiharbeit und Sozialabbau, erfolgreich als „soziale Partei“ darstellen. Die rückwärtsgewandte, reaktionäre CDU/CSU präsentierte sich als „Erneuerungspartei“. Alles, was diese beiden Parteien in ihren vielen Regierungsjahren nicht gemacht haben, sollte nun „radikal“ umgesetzt werden. Die Grünen, die in Baden-Württemberg eine Autopartei geworden sind, posierten als „die Umweltpartei“. Die FDP plakatierte „So wie es ist, kann es nicht bleiben!“, ohne allerdings zu sagen, was sie ändern will. Aus ihrer Programmatik ist jedoch klar, dass die FDP vor allem die sowieso schon geringe Steuer“belastung“ für die Reichen weiter senken will.

Es ist erstaunlich, dass fast alle bürgerlichen Parteien nicht etwa ein „Weiter so!“ versprachen, sondern einen grundlegenden Wechsel. Das sagt nichts über diese Parteien aus, die einen solchen Wechsel geradezu blockiert haben und weiter blockieren werden. Es sagt aber etwas über die Stimmung in der Arbeiterklasse und im Volk aus. Denn diese Parteien beobachten die Stimmung sehr genau und richten ihre Phrasen danach aus. Es war den Herrschenden klar, dass man mit dem Versprechen „Alles bleibt, wie es ist!“ aktuell keine Wahl gewinnen kann. Die AfD, die als einzige diese Position einnahm, verlor über 20% ihrer Stimmanteile! In der Bevölkerung wächst der Wunsch nach Veränderung und zwar nach radikaler Veränderung!

Schwierige Regierungsbildung?


Laschet klammert sich an die letzte Machtoption; Karikatur Guido Kühn; www.guidos-welt.de; vielen Dank!

Die Medien verbreiten nun, dass die Regierungsbildung schwierig und spannend sei. Wir können nicht vorhersehen, wer mit wem ein Bündnis schließen wird. Bemerkenswert ist allerdings, dass mehrere Industrieverbände für eine Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP trommeln; zugleich aber anmerken, sie könnten auch mit einer Regierung von SPD, Grünen und FDP leben. Für alle beteiligten Parteien bietet das Wahlergebnis allerdings allerbeste Voraussetzungen, ihre Wahlversprechen in aller Unschuld zu brechen.

Sollten CDU/CSU, Grüne und FDP zusammenkommen, werden die Grünen Steuerentlastungen für die Reichen – entgegen ihrer Ansage – schlucken, wenn das „ökologisch“ verkleidet wird. Umgekehrt wird die FDP die von ihr heftig abgelehnten „Regulierungen“ akzeptieren, wenn das eine Abwälzung der Lasten auf die arbeitenden Menschen bedeutet, z.B. in Form der Erhöhung der CO2-Steuer und von „ökologischen“ Abgaben. Und die CDU/CSU wird als „Erneuerungspartei“ im Scheinwerferlicht posieren. Das Motto: Wir machen Euch das Leben teurer und verkaufen Euch das als Erneuerung! Doch zuvor muss wohl Armin Laschet die Dolchstöße seiner „Parteifreunde“ überleben. Der grandiose Verlierer bangt um seine Karriere und will mit aller Macht an die Macht. Seine Erben stehen aber schon bereit.

Sollten SPD, Grüne und FDP sich einigen, werden wir ein ähnliches Schauspiel um die Wahlversprechen erleben. Die SPD wird – siehe Hartz IV – „hart“ um ihre sozialen Forderungen ringen. Aber sie wird am Ende den Plänen der FDP nach Steuersenkungen für die Reichen in verkleideter Form zustimmen. So könnte man sich auf „Zukunftsinvestitionen“ einigen, die für die Großkonzerne Milliarden und für die Arbeiterklasse ein paar hundert Arbeitsplätze – mit gleichzeitigem Abbau von zigtausenden Arbeitsplätzen an anderer Stelle – bringen. Wenn genug Lärm um die „neuen“ Arbeitsplätze gemacht wird, hofft man, dass der Verlust von zigtausenden Arbeitsplätzen nicht auffällt. Und natürlich wird die SPD ein paar Euro „Entlastung“ für die ärmere Bevölkerung „erkämpfen“ und gleichzeitig für die Grünen einer Erhöhung der CO2-Steuern zustimmen, die gerade die Ärmsten am stärksten belastet. So kann die FDP Milliarden für die Reichen herausholen und SPD sowie Grüne können ihren Wählern ein paar billige Bröckchen hinwerfen. Alle drei werden behaupten, dass sie so die „Zukunft sichern“.

Für die arbeitenden Menschen bringen beide Versionen einer Regierung nicht den Fortschritt, die Veränderung, die sie sich wünschen! Die Enttäuschung ist bereits vorprogrammiert. Aber der Wunsch nach radikaler Veränderung wird bleiben und sogar steigen!

Wahlverhalten von Gewerkschafter/innen

Der DGB jubelt, dass deutlich mehr Gewerkschafter/innen als vor 4 Jahren die SPD gewählt haben und dass die SPD bei diesen deutlich vor der CDU/CSU liegt. Das ist nach unserer Einschätzung kein Zeichen von einem besonders hohen Bewusstsein, sondern eher ein Erfolg der sozialdemokratischen, reformistischen Arbeit der Gewerkschaftsführungen, die Co-Management einem ernstzunehmenden Kampf vorziehen. Erschreckend ist jedoch, dass die AfD bei Gewerkschafter/innen mit 12,2% deutlich mehr Zustimmung findet als in der gesamten Wählerschaft (10,3%). Doch zu diesem Problem wird auf der Homepage des DGB geschwiegen. (https://www.dgb.de/themen/++co++79fb7b60-1f79-11ec-88c8-001a4a160123) Das zeigt jedoch, dass viele Arbeiter/innen mit der Politik von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP unzufrieden sind und sich mangels einer wirklichen Alternative in ihrem Interesse den Demagogen der AfD zuwenden. Dass der DGB zu dieser bedenklichen Entwicklung schweigt, ist skandalös.

Abstieg der Linkspartei

Die Linke hat ihre Stimmenzahl fast halbiert und ist bei 4,9% gelandet. Auch bei den Gewerkschafter/innen haben sie beinahe die Hälfte ihrer Stimmen gegenüber 2017 eingebüßt. Warum? Geht es den Arbeiter/innen so gut, dass sie keine fortschrittlichen Vertreter im Parlament mehr benötigen? Nein! Das Gegenteil ist der Fall! Allerdings ist die Linke für viele Arbeiter/innen keine Alternative mehr. Die Linke hat sich die zurückliegenden Jahre mit heftigen Grabenkämpfen beschäftigt. Die Arbeitenden waren da nur noch am Rande wichtig. Im Mittelpunkt der Partei standen oft Konflikte rund um Identitätspolitik, antideutsche Ausfälle gegen den Kampf der Palästinenser oder kritiklose Sympathie für Russland und ein Aufweichen der Friedenspositionen der Partei. Da verschwanden Themen wie Arbeitslosigkeit, Leiharbeit, Bildungskatastrophe immer weiter im Hintergrund.

Dazu konnten die Arbeiter/innen und alle Wähler/innen Erfahrungen mit der praktischen Politik der Linken sammeln. Denn sie haben nun schon in mehreren Landesregierungen mitgearbeitet. In Thüringen stellen sie sogar schon länger den Ministerpräsidenten. Überall haben sie ihre vollmundigen Wahlversprechungen nicht erfüllt und ihre Wähler in großem Umfang enttäuscht. Das schrecklichste Beispiel dafür: Seit der Wende hat der Berliner Senat über 200.000 staatliche Wohnungen an private Wohnungskonzerne verkauft; oft für nen Appel und nen Ei! Ab 2002 war die Linke mit einer kurzen Unterbrechung dabei. Der größte Deal war 2004 der Verkauf der GSW mit 65.000 Wohnungen an ein Konsortium von internationalen Fondsgesellschaften für 400 Mio. Euro,also ca. 6154 Euro pro Wohnung!. Damals war Harald Wolff von der Linken Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters. Die Linke hatte nicht den Anstand, aus dem Berliner Senat heraus zu gehen. Sie klammerte sich an die Pöstchen. Heute versucht sie, dieses Verbrechen vergessen zu machen, indem sie die Enteignungsinitiative unterstützt. Allerdings müssen dann die damals billigst verhökerten Wohnungen teuer zurückgekauft werden.

MLPD, DKP?

Auf ihrer Internetseite https://www.rf-news.de/2021/kw39/die-wahren-sorgen-der-buergerlichen-parteien schreibt die Parteivorsitzende der MLPD, Gabi Fechtner: „Die MLPD geht dafür gestärkt aus ihrer taktischen Offensive ‚Gib Antikommunismus keine Chance!‘ und für den echten Sozialismus hervor. Sie hat sich im weltanschaulichen Kampf gewappnet, ihren engen Schulterschluss mit der Arbeiterklasse gestärkt und organisatorisch an Kraft gewonnen.“

Lassen wir die Zahlen sprechen: 2017 erzielte die MLPD 29.785 Zweitstimmen. 2021 waren es nur noch 17.994! Eine Ursachenanalyse oder Selbstkritik zu diesen starken Verlusten? Fehlanzeige! Von einer Partei, die sich marxistisch-leninistisch nennt, sollte man eine offene Analyse und Selbstkritik erwarten!

Die DKP hat 2021 noch weniger Stimmen als die MLPD erreicht: 15.158. Das ist zwar etwas mehr als 2017 mit 11.558 Zweitstimmen, aber damals ist die DKP auch in weniger Wahlkreisen angetreten.

Angesichts der Schwäche der klassenkämpferischen und revolutionären Kräfte denken wir, dass Kleinstkandidaturen problematisch sind. Nur unter bestimmten, konkreten Umständen können sie einen Fortschritt für die Bewegung bringen. Meist aber führen die mageren Ergebnisse bei den klassenkämpferischen und revolutionären Kräften zu Enttäuschung und Demotivation. Das ist auch ein wesentlicher Grund für das schlechte Abschneiden von MLPD und DKP. Wenn man Wahl für Wahl mit immer ähnlichen Ergebnissen, ohne einen Fortschritt, sogar mit Verlusten abschneidet, fördert das die Resignation. Was wir Schritt für Schritt aufbauen müssen, ist eine Front aller fortschrittlichen, klassenkämpferischen und revolutionären Kräfte, die auf einer breiten Plattform gemeinsam zu den Wahlen, aber auch unabhängig von Wahlen und zu wichtigen Themen auftreten. Damit können sie eine ernst zu nehmende Alternative bieten.

Doch davon sind wir angesichts des Verhaltens dieser Organisationen weit entfernt. Wir werden ihnen aber weiter im konkreten Klassenkampf die Hand reichen und uns für eine größtmögliche Zusammenarbeit einsetzen.

Nach den Wahlen… geht der Kampf weiter!

Ob Scholz, Laschet oder wer auch immer Kanzler wird, der Kampf wird weiter gehen müssen. Er wird sogar verstärkt werden müssen. Die Unzufriedenheit, der Wunsch nach radikaler Veränderung bei vielen Menschen wird sich an verschiedenen Fronten Bahn brechen. In den Betrieben werden die Auseinandersetzungen mit der Vertiefung der Krise stärker werden. Kämpfe um die Rettung unserer Lebensgrundlagen wie bei Fridays for future werden angesichts der sich anbahnenden Katastrophe zunehmen. Und bei dem Drang der herrschenden Klasse zu mehr internationaler Einmischung, zu mehr Bundeswehreinsätzen, wird auch der Kampf für den Frieden, gegen Waffenexporte und Kriegseinsätze nicht verschwinden, sondern weiter gehen.

Da ist unser Platz und dort werden wir zu finden sein – in einer breiten Front mit allen kämpfenden Arbeiter/innen, Bauern, Jugendlichen, Umweltschützern, Kriegsgegnern! Machen wir uns auf schwere Zeiten und Kämpfe gefasst.