Die Grünen haben im bürgerlichen Politikbetrieb der letzten Jahre einen rasanten Aufstieg erlebt. Durch Fridays for Future gewann die Partei einen Rückhalt auf der Straße, als dessen Stimme in den Parlamenten sie sich hochstilisieren konnte, und mittlerweile scheint selbst die Wirtschaft auf eine schwarz-grüne Regierung hinzufiebern. Man könnte meinen, dass der allseits bekannte Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Lobbyinteressen hier aufgehoben wird. Doch hinter der angeblichen grünen Wende verbirgt sich kein Umdenken in der Wirtschaft, sondern ein Pakt zur Stärkung des deutschen Kapitals.
Im kapitalistischen Wirtschaftssystem ist die Zerstörung der Umwelt unumgänglich. Der Wachstumszwang führt unweigerlich dazu, dass die natürlichen Ressourcen, die nun einmal endlich sind, langfristig aufgebraucht werden, dass durch Raubbau die Lebensgrundlage des menschlichen Lebens immer weiter zerstört wird. Lässt man diese Tatsache zu ihrer vollen Geltung kommen, dann ist eine Skepsis an dem plötzlichen Hype um den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft angebracht. Genau diesen versprechen die Grünen in ihrem Wahlkampf – und gewinnen so immer weitere Zustimmung aus den Rängen der Wirtschaftsvertreter. Schon lange kann die grüne Partei auf Unterstützung aus der urbanen Start-Up-Szene setzen, die mit ihrem nachhaltigen Anstrich einen perfekten Verbündeten in der Partei gefunden hat, die Gründer stärken und ihnen den Aufstieg erleichtern will. Doch um in einer Industrienation wie Deutschland als Partei etwas zu reißen reicht allein dieser Rückhalt aus dem Kleinbürgertum nicht aus.
Das wissen die Grünen, und so findet seit Jahren eine Annäherung an die Automobilindustrie statt, mit der sie auch im grün regierten Baden-Württemberg bestens klarkommen. Neuerdings pflegen unter anderem VW und BMW einen engen Austausch mit dem Führungspersonal der Grünen. Hier geht es vor allem um den Umstieg auf E-Mobilität, dem sich auch die deutsche Automobilindustrie nicht mehr verweigern kann. Der Dieselskandal hat die Verzweiflung gezeigt, mit der an dem bis zuletzt profitablen Verbrenner festgehalten wurde. Doch mittlerweile führt kein Weg mehr an dem Umstieg vorbei. So gesteht Daimler-Chef Källenius ganz offen: „Die Aktionäre erklären mir: Wenn du keinen glaubwürdigen Weg in Richtung Klimaneutralität hast, wird dir unser Geld in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen.“. Hier springen die Grünen in die Bresche. Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie aufrecht zu erhalten, wollen sie „Planungssicherheit“ bieten. Einfach gesagt: Der Staat muss mit Subventionen und Regelungen dafür einstehen, dass die eventuellen Verluste der Industrie ausgeglichen werden und die Profite sprießen. Wie sowas funktionieren kann, haben wir im Krisenjahr 2020 gesehen. Die Autoindustrie erhielt Staatshilfen, mehrere Milliarden, finanziert von Steuergeldern. Der Stellenabbau geht trotzdem weiter: perspektivisch 20.000 gestrichene Stellen bei Daimler, 37.000 bei VW und 6000 bei BMW. Noch viel mehr fallen bei den Zulieferern weg. Staatshilfen sicherten die Gewinne des Kapitals, während die Arbeitenden auf die Straße gesetzt werden. Was die versprochenen grünen Subventionen in die Autoindustrie bedeuten, lässt sich absehen.
Doch auch wenn der angebliche natürliche Feind der Grünen mittlerweile zum Freund geworden ist, fehlt der Partei weiterhin maßgeblicher Rückhalt in der Chemie- und Stahlindustrie. Hier kommt der „Industriepakt“ ins Spiel. Am Tag der deutschen Industrie warb Baerbock erneut dafür, die „Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland“ müsse erhalten bleiben. Das Angebot richtet sich maßgeblich an die Schwerindustrie, der beispielsweise bei der Umstellung auf klimaneutralen Stahl unter die Arme gegriffen werden soll. Auch hier will die grüne Partei durch staatliche Hilfen eine Art „Planungssicherheit“ bieten – also die Profite der Unternehmen steigern.
All diese Entwicklungen gehen unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit vonstatten. Doch die steigende Zustimmung des Kapitals deutet auf groß angelegte Umstrukturierungsversuche hin. Wenn die deutsche Industrie sich auf dem Weltmarkt weiter halten möchte und mit Ländern wie China mithalten will, müssen die Produktivkräfte weiterentwickelt werden. Hier soll der Staat aushelfen. Dies wird aller Erfahrung nach auf dem Rücken der arbeitenden Menschen geschehen. Und so könnte sich hinter der „sozial-ökologischen Neubegründung“ der Grünen ein Programm vom Ausmaß der Agenda 2010 verstecken – das krisenerschütterte deutsche Kapital könnte dies gebrauchen.
Die Grünen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie bereit sind, auch die schonungsloseste Drecksarbeit des Kapitals zu erledigen. Auch die imperialistische Kriegsgefahr wächst und die Grünen sind ganz vorne mit dabei, wenn es um Stimmungsmache gegen Russland und China geht. Kriegstreiberei gehört seit Jugoslawien und Afghanistan zum Repertoire der Partei – unter dem Deckmantel der humanitären Intervention werden jetzt auch bewaffnete Drohnen nicht mehr ausgeschlossen. Denn das deutsche Kapital wird nicht nur nach innen, sondern vor allem auch nach außen verteidigt. Perspektivisch werden die Grünen an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein – sie haben sich von ehrlichen Bewegungen wie Fridays For Future nach ganz oben karren lassen. Dass diese Regierung nicht weniger, sondern eher mehr Kriegstreiberei und Angriffe auf die Arbeiterklasse mit sich bringen wird, ist absehbar. Der grüne Wandel wird sich noch früh genug selbst enttarnen und der Hype um die Grünen, heute befördert von Medien und Wirtschaft, wird sich Umwandeln in Hass der Menschen gegenüber den Parteien, die sich als fortschrittlich verkaufen, nur um dann eine Schelle an die gesamte Arbeiterklasse zu geben. Doch wenn diese Einsicht kommt, darf sie nicht in Frustration und Resignation bei den größtenteils jungen Menschen umschlagen, die sich für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Viel eher müssen wir die Einsicht stärken, dass wir wirkliche Veränderung nur als gestärkte Bewegung auf der Straße, in den Betrieben und Schulen erkämpfen können.