Arbeitende Schüler – prekär, überlastet, ausgebeutet


Krasse Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen in aller Welt ist Bestandteil des kapitalistischen Systems. In Deutschland sieht es an der Oberfläche „besser“ aus. Doch auch hier ist Kinder- und Jugendlichenarbeit eine Klassenfrage. Foto von Mumtahina Tani bei Pexels

Die meisten Schüler:innen geben sich, sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben, nicht mehr mit ihrem Taschengeld zufrieden. Ab der zehnten Klasse gibt es sehr viele Leute, die sich einen Job als Apothekendienst oder im Eiscafé besorgen und zweimal die Woche nach der Schule arbeiten, um sich etwas Geld dazuzuverdienen. Besonders Schüler aus Familien mit niedrigen Einkommen, die ihren Kindern kein oder sehr wenig eigenes Geld zur Verfügung stellen können, suchen sich häufig früh einen Nebenverdienst. Laut Schätzung des Deutschen Kinderhilfswerks hat bundesweit mindestens ein Drittel aller Kinder ab 13 Jahren einen Nebenjob und arbeitet im Schnitt mehr als drei Stunden pro Woche. Knapp 30 Prozent der Jugendlichen arbeiten sechs bis zehn Stunden pro Woche in einem Nebenjob, so das Statistik-Portal Statista.

Obwohl der zeitliche Arbeitsaufwand der Schule allein durchschnittlich dem eines Vollzeitjobs entspricht, möchten viele Schüler nicht nur zusätzlich Geld verdienen, sondern auch die Selbstständigkeit, das Warmwerden mit der Arbeitswelt und das Lernen des Umgangs mit selbstverdientem Geld spielen eine Rolle. Doch in unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem werden diese Motive systematisch ausgenutzt – und führen dazu, dass Schüler häufig als Teil des Niedriglohnsektors die Profite der Kapitalisten aufstocken.

Arbeitsbedingungen als Schüler

Ab 15 Jahren dürfen Kinder meist (nahezu) uneingeschränkt arbeiten, ihr Einkommen fällt, bis sie 18 sind, hingegen oft klein aus: Da Minderjährige, Auszubildende und Praktikant:innen vom Mindestlohngesetz ausgenommen sind, muss der Arbeitgeber keine 9,50€ pro Stunde zahlen. Das führt zu absurden Situationen, in denen ein 17-Jähriger und eine 18-Jährige zusammenarbeiten und die 18-Jährige drei Euro mehr die Stunde bekommt, unabhängig von Qualifikation oder Erfahrung. Viele Arbeitgeber stellen bewusst Schüler:innen ein, um diese Lücke auszunutzen.

Eine besondere Ungerechtigkeit betrifft Jugendliche, deren Eltern Sozialleistungen vom Staat, wie Hartz-IV, beziehen. Wie man sich denken kann, haben diese meist ein gesteigertes Interesse daran, einen Nebenjob zu haben und sind häufiger auf diesen angewiesen. Doch da ein Teil des Hartz-IV-Satzes explizit pro Kind berechnet wird, gilt der Haushalt als Bedarfsgemeinschaft und die Kinder der Leistungsbeziehenden auch als Sozialhilfeempfänger:innen. Und wenn Sozialhilfeempfänger:innen mehr als den Freibetrag von 100 Euro verdienen, wird ihnen das von ihrem Hartz-IV-Satz abgezogen. Konkret heißt das: Hat ein Schüler, dessen Eltern Sozialhilfeempfänger sind, einen Nebenjob und verdient dabei 200 Euro im Monat, so kann er von diesen 200 Euro 100 Euro behalten, zusätzlich werden von den restlichen 100 Euro 20 % anrechnungsfrei gelassen. Im Endeffekt bleiben von seinen 200 Euro Monatsgehalt also 120 Euro über, die der Schüler behalten darf. Die restlichen 80 Euro werden mit dem Hartz-IV-Satz seiner Eltern verrechnet.

Dieses Gesetz lässt aufhorchen, da es in unserer Gesellschaft doch so oft heißt, wenn man nur hart arbeite, sei alles erreichbar. Doch wie sollen Kinder die gleichen Chancen auf gesellschaftlichen und finanziellen Erfolg haben, wenn ihre prekäre Klassenlage von Geburt an festgelegt wird und sich keine Möglichkeit ergibt, dieser zu entkommen?

Die Schule wird vernachlässigt

Solange die Schüler:innen nicht mehr gesetzlich schulpflichtig sind, also in der Regel nach erfolgreichen Abschluss der neunten Klasse, gelten ähnliche Bedingungen wie für arbeitende Erwachsene: Maximal 40 Stunden die Woche, maximal 8 Stunden am Tag, im Regelfall nur zwischen 6 und 20 Uhr. Ferienjobs, also viel Arbeit auf einen Zeitraum von wenigen Wochen, sind für alle Schüler ab 15 Jahren erlaubt. Wegen dieser wenigen Einschränkungen kommt es oft dazu, dass Schüler:innen die Schule vernachlässigen, um stattdessen zur Arbeit zu gehen. Dies betrifft vor allem Jugendliche, die für ihre weitere Berufsausbildung sparen oder die zur Haushaltskasse beitragen müssen. Es gibt Familien, bei denen die Sozialen Hilfen oder das Einkommen nicht ausreichen, um den Kindern zum Beispiel den „Luxus“ eines Führerscheins zu finanzieren. Häufig stehen Schüler also vor der Entscheidung ob sie die Schule priorisieren oder sich eine angenehmere Freizeit und eine lebenswertere Jugend erarbeiten. Das Jugendarbeitsschutzgesetz gibt zwar vor, dass die Arbeitsbedingungen so gegeben sein müssen, dass ein Vorrang des schulischen Unterrichts gesichert sein kann und dieser nicht durch den Nebenjob negativ beeinflusst wird, aber wie das überprüft oder gewährleistet wird, ist dort nicht zu finden.

Chancen- und Bildungsgerechtigkeit – nicht in diesem System!

Die profitorientierte Wirtschaft und die kapitalistische Ausbeutung führen dazu, dass viele Eltern ihren Kindern nicht so einen Lebensstandard ermöglichen können, wie sie gerne würden. Doch anstatt hier Maßnahmen vorzunehmen, die Familien entlasten und allen Schülern dieselben Chancen bieten, führen die derzeitigen Gesetze dazu, dass Schüler auf dem Arbeitsmarkt noch schonungsloser ausgebeutet werden können als ihre volljährigen Kollegen. Sie werden prekär beschäftigt und sind häufig überlastet, worunter auch die schulischen Leistungen leiden. Das Mindestlohngesetz muss dahingehend geändert werden, dass Minderjährige nicht mehr grundlos für niedrigere Löhne arbeiten müssen. Außerdem dürfen Kinder von Sozialhilfeempfänger:innen nicht auch als solche gelten. Niemandes Bildung sollte dadurch vernachlässigt werden, neben der Schule arbeiten gehen zu müssen.

Wenn Schüler arbeiten möchten, um Erfahrungen zu sammeln und Selbstverantwortung zu übernehmen, dann sollte dies ermöglicht werden. Doch sobald ökonomischer Zwang gegeben ist, der Schüler zum Verkauf ihrer Arbeitskraft bringt, kann hiervon nicht mehr die Rede sein. Für den Erhalt unseres derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftssystems muss Armut existieren. Auch wird es innerhalb dieses Systems keine vollständige Chancengleichheit geben können. Gerechtigkeit in der Bildung ist nicht losgelöst von dem Kampf gegen die Armut und das kapitalistische System zu betrachten.