Nein zur Atomkraft und ihrer Welt!


Aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF), Mai 2021

Vergessen wir nicht Tschernobyl!

Vor 35 Jahren, am 26. April 1986, ereignete sich in Tschernobyl in der Ukraine ein schrecklicher Atomunfall. Die menschlichen und ökologischen Kosten der Katastrophe waren furchtbar. Die Menschen in der Region bezahlen noch heute dafür. In den Tagen nach der Explosion der Reaktoren und dem Brand trugen die Winde radioaktiven Staub vor allem (aber nicht nur) über ganz Westeuropa; die 1. Mai-Demonstrationen fanden vor allem in Ostfrankreich in einer mit Cäsium angereicherten Atmosphäre statt; aber die Medien versicherten uns, dass die Wolke an der Grenze aufgehört hatte: Ein starkes Hochdruckgebiet schütze Frankreich! Lügen, die ein paar Tage später widerlegt wurden.

Um die Bevölkerung in Frankreich (das den ersten Atompark der Welt besitzt) nach der Katastrophe zu beruhigen, betonten die offiziellen Kommentatoren die Schwächen der UdSSR, die baufälligen Anlagen, die Bürokratie und die Korruption der Apparatschiks und trugen so dazu bei, den antikommunistischen Diskurs zu nähren; ihnen zufolge könnte ein solcher Unfall in einem westlichen Land wie dem unseren, demokratisch, mit einem hohen technologischen Niveau, mit sehr strengen Standards, Kontrollen usw., nicht passieren.

Fukushima, die zweite Atomkatastrophe

Ende März 2011 explodierten nach einem Erdbeben und einem Tsunami die Reaktoren des Kernkraftwerks in der Region Fukushima in Japan und verursachten erhebliche Schäden…. Ein schwerer Atomunfall konnte also auch in einem entwickelten kapitalistischen Land wie Japan passieren! Und zehn Jahre nach der Katastrophe bereitet sich die Firma Tepco (die das Kraftwerk gebaut hat und betreibt), die nicht weiß, was sie mit dem verseuchten Wasser tun soll, das zur Kühlung der schmelzenden Reaktoren verwendet wurde, darauf vor – mit Genehmigung der japanischen Regierung – 1,25 Millionen Tonnen davon ins Meer zu verklappen! Wie in Tschernobyl, wo es immer noch keine Lösung gibt, um die Reste von Brennstoff und Corium (1) zu evakuieren, die unter den 4.000 Tonnen Material begraben sind, mit denen das Feuer erstickt wurde, wissen wir nicht, wie wir den Atommüll beseitigen und das verseuchte Wasser vollständig recyceln können. Dennoch wird trotz und gegen den Widerstand der Bevölkerung in Japan wie anderswo mit Hochdruck weitergearbeitet!

Alternde Kernkraftwerke – eine Gefahr!

Aber auch dieses Mal, versicherten uns dieselben Fachleute in Frankreich, dass der Fukushima-Unfall eingehend analysiert worden sei, dass auf dieser Grundlage die Sicherheit der Kraftwerke in Frankreich verstärkt, die Standards angehoben und die Kontrollen verschärft worden seien. Wie wir jedoch in einer früheren Ausgabe unserer Zeitung berichteten, hat die ASN (etwa: Reaktorsicherheitskommission) kürzlich grünes Licht für die Verlängerung der Laufzeit französischer Kernkraftwerke über 40 Jahre hinaus gegeben. Nun wurde in Tricastin (an der Grenze zwischen den Regionen Drôme und Vaucluse) bei Kontrollen im September 2019 im Rahmen der „40-Jahres-Visite“, einer eingehenden Sicherheitsüberprüfung, ein elektrischer Fehler am Motor einer der beiden Pumpen des Kühlkreislaufs bei der Abschaltung festgestellt. Dies war auf die vorzeitige Alterung von elektrischen Kabeln zurückzuführen, die nicht korrekt installiert worden waren.


Für das IRSN (Institut für Strahlenschutz und Nukleare Sicherheit) erhöhte die Entdeckung dieses „Defekts“ das Risiko eines schweren Unfalls. EDF spielt es jedoch herunter. In einem Artikel über die Anlage in Tricastin weist „Le Monde“ vom 27. April jedoch darauf hin, dass die International Nuclear Risk Assessment Group, zu deren Mitgliedern der ehemalige Präsident der amerikanischen Sicherheitsbehörde, Gregory Jaczko, und der ehemalige Generaldirektor der deutschen Atomsicherheit, Wolfgang Renneberg, gehören, in einem am Vortag veröffentlichten Bericht behauptet, dass Laufzeitverlängerungen und der Betrieb alter Anlagen das Risiko von Atomunfällen in Europa erhöhen.

Das Netzwerk „Sortir du Nucléaire“ (Raus aus der Atomkraft) und die ihm angehörenden lokalen Organisationen rufen zu einer Aktionswoche vom 21. bis 27. Juni (2) mit mehreren zentralen Veranstaltungen auf, unter dem Motto: „40 Jahre sind genug, ziehen wir den Stecker aus dem Atomkraftwerk Tricastin!“

Verkauf von EPR an Indien, koste es, was es wolle!

Aber es scheint, dass die französische Elektro-Atom-Lobby durch nichts aufzuhalten ist. Eine Woche nach der Reise des Außenministers Le Drian nach Indien veröffentlichte EDF (Èlectricité de France) eine Pressemitteilung, in der das Unternehmen erklärte, am 23. April „das verbindliche technisch-kommerzielle Angebot“ mit dem staatlichen indischen Atomkonzern für den Bau von 6 EPR zwischen Bombay und Goa, am Rande des Arabischen Meeres, hinterlegt zu haben. Dabei handelt es sich um das größte zivile Atombau-Projekt, das 70 Millionen Haushalte mit Strom versorgen soll. 15 Jahre zuvor von Areva (dem damaligen Hauptauftragnehmer) konzipiert und von Nicolas Sarkozy unterstützt – Regierungen kommen und gehen, die Atomkraft bleibt – wurde das Projekt nach Fukushima ad acta gelegt. Es steht nun wieder im Rampenlicht; zwar ist der Verkauf noch nicht abgeschlossen, aber ein weiterer Schritt in diese Richtung ist getan. Die seismischen Risiken des Standorts sind jedoch erwiesen und der Widerstand der Bevölkerung des Landes gegen dieses Projekt, insbesondere der Fischer der Region, ist groß. Mit einem Zynismus, der jedem Vergleich spottet, leugnet EDF jede Gefahr und verweist auf die Tausende von Arbeitsplätzen, die für eine Baustelle entstehen, die sich über 15 Jahre hinzieht. Das Projekt wird auf 40 Milliarden Euro geschätzt. Doch wie jeder weiß, ist Indien heute von einer beispiellosen Gesundheitskrise betroffen und steht vor einer historischen Rezession.

Aber der Zynismus, der die Politik der Monopole und des Staates in ihrem Dienst kennzeichnet, kennt keine Grenzen. Wie das Netzwerk „Sortir du Nucléaire“ in seiner Pressemitteilung vom 23. April zum 35. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe feststellt: „Während EDF mit einer abgrundtiefen Verschuldung konfrontiert ist, kämpft die Lobby darum, dass die Atomkraft für europäische ‚grüne‘ Investitionen in Frage kommt und neue Anlagen mit öffentlichen Geldern finanziert werden.“

Lügen, Demokratieverweigerung, Verschlingen riesiger Summen öffentlicher Gelder, permanente Gefährdung von Mensch und Umwelt, also: Nein zur Atomkraft und ihrer Welt!

Anmerkungen:

(1) Corium ist ein metallisches und mineralisches Magma, das aus geschmolzenen Elementen aus dem Kern eines Kernreaktors besteht.

(2) Am 12. Juni 1981 wurde der Reaktor Nummer 4 in Tricastin an das Stromnetz angeschlossen.

Aus dem Französischen aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF), Mai 2021