1.Mai 2021 – zwischen opportunistischer Anpassung und Klassenkampf


Krefeld: Pharma- und Gesundheitskonzerne enteignen! Eigenes Foto

Aktualisiert am 3.5.21

Mitten in einer tiefen Krise, die zu Lasten der Arbeiterklasse und des Volkes geht, hatten die DGB-Führer in mehreren Städten und Regionen wie Hamburg, München, einigen Städten im Rheinland und Ruhrgebiet ihre Kundgebungen und Demonstrationen zum 1.Mai abgesagt.

An die Stelle trat dann ein „virtueller 1.Mai“ mit viel Show und langweiligen Reden zum Co-Management und zur Klassenzusammenarbeit. In vielen Städten wurden deshalb spontan Demonstrationen von fortschrittlichen Gewerkschafter/innen und Organisationen mit großem Zuspruch durchgeführt. Damit wurde deutlich, wie groß die Wut und Kampfbereitschaft ist. Viele Kolleg/innen wollten an diesem 1.Mai auf die Straße und für ihre Forderungen eintreten.

In anderen Städten wie Frankfurt und Stuttgart war der Druck der gewerkschaftlich organisierten Kolleg/innen so groß, dass die Gewerkschaften ihre Kundgebungen und Demonstrationen durchführten, wenn auch mit Zugeständnissen an die teilweise unverschämten Forderungen der Ordnungsämter und der Polizei. Auch hier zeigte sich in den hohen Teilnehmerzahlen, dass das Bewusstsein vieler Kolleg/innen sich in der Krise entwickelt hat. Sie wollen dagegen kämpfen, dass die Krise auf ihren Rücken abgewälzt wird. Das ist ein ermutigendes Zeichen und gibt Ansatzpunkte für die weitere Arbeit in den Gewerkschaften und der Klasse.

Essen – ein Genosse berichtet

In Essen gab es am Morgen mehrere Kundgebungen:

– Eine gut besuchte DGB Veranstaltung in Form von Auto Teilnahme. Von da sind fast alle Teilnehmer zur Kundgebung gegen den NPD-Aufmarsch am Bahnhof Essen-West. Die DKP ist Richtung Zentrum gegangen, da dort die AFD eine Kundgebung angemeldet hatte.

Das internationalistisches Bündnis ist zum Bahnhof Essen-West gegangen – wie jedes Jahr vom Frohnhauser Marktplatz – getrennt vom DGB.

Am Mittag standen mindestens (!) 700 Teilnehmerinnen 100-120 Faschisten gegenüber. Die Polizei hat diese geschützt und dieser Schutz stand über dem Schutz der Gegendemonstranten. Ein Zwischenfall hat das deutlich gezeigt.

Mir persönlich wurde vorgeworfen, dass ich den Bahnhof Essen-West verlassen wolle, um die Nazis zu blockieren. Das war erst der Anfang. Alle 700 Gegenteilnehmer wurden mehr oder weniger eingekesselt und es wurde aktiv versucht, diese zurück zu halten. Darüber hinaus wurden von der Polizei auch an allen Parallelstraßen Blockaden in Form von Absperrungen durchgeführt, damit die Antifaschisten nicht zur Demo der NPD gelangen.

Die Stimmung am Bahnhof Essen-West war sehr solidarisch. Es waren überwiegend Jugendliche da.

Der 1. Mai 2021 in Hamburg


Die 1.Mai-Kundgebung des Jugendbündnisses in Hamburg

Der erste Mai in Hamburg war dieses Jahr von Versammlungsverboten auf der einen und Untätigkeit auf der anderen Seite geprägt. Wie in vielen Städten hatten die Gewerkschaften schon im Vorhinein auf ihre Demonstration verzichtet. Dafür gab es am Vormittag eine von drei „Kundgebungen“, auf denen hohe Tiere des DGB und der Mitgliedsgewerkschaften sich versammelten und ein paar Bilder für die Presse knipsten. Große Aktionen der Gewerkschaften gab es nicht, nur vereinzelt demonstrierte beispielsweise der ver.di-Fachbereich „Verkehr“ auf dem Rathausmarkt.

Bei der Gewerkschaftsjugend verschiedener Gewerkschaften sah es etwas anders aus. Das Jugendbündnis zum 1. Mai, organisierte eine Kundgebung in der Innenstadt, bei der 200 Teilnehmer, die derzeitige Maximalzahl in Hamburg, erwartet wurden. Es wurde von verschiedenen Gruppen aufgerufen, darunter die Gewerkschaftsjugenden sowie die DGB-Jugend, die DIDF-Jugend, der AStA der Uni Hamburg, TV Stud, der Internationale Jugendverein und die SDAJ. Einige der Gruppen veranstalteten vorher eine Fahrraddemonstration, die zu der Kundgebung dazukam. Die Aktion verlief ohne Zwischenfälle, obwohl mehr als die 200 erwarteten Teilnehmer dazukamen, zwischendurch tummelten sich zwischen 300 und 400 auf dem Platz, wobei jedoch die Mindestabstände eingehalten werden konnten. Die Polizei ging, anders als bei anderen Versammlungen der letzten Monate, nicht dazwischen und ließ die Kundgebung gewähren.

In Redebeiträgen wurden die Last der Krise auf dem Rücken der Jugend und das kapitalistische Bildungssystem angeprangert. Aus verschiedenen Perspektiven wurde aufgezeigt, wie dieses System die Jugendlichen unten hält und ihre Zukunft in diesen Zeiten immer düsterer aussieht. Die Forderungen des Bündnisses waren unter anderem Ausbildungsgarantie, unabhängige, ausfinanzierte und freie Jugendarbeit und die Verbesserung der ökonomischen Situation der Studierenden (Aufruf unter: https://ijv-hamburg.org/2021/1ter-mai-jugendbundnis/). Nach der Kundgebung zog ein Teil der Teilnehmer weiter zur Kundgebung der DKP, die nur wenige Meter weiter stattfand. Hier wurden Redebeiträge gehalten und Musik gespielt, die Teilnahme war nach dem Zuzug aus dem Jugendbündnis bei ca. 200 Menschen.

Außer diesen beinahe einzigen erfolgreichen Veranstaltungen wurden in Hamburg dieses Jahr viele Veranstaltungen verboten. Das Bündnis „Wer hat der gibt“, das für Umverteilung des Reichtums auf die Straße gehen wollte, versuchte, eine Demonstration anzumelden, die nicht durchging. Auch die als Alternative angemeldeten Kundgebungen wurden nicht genehmigt und auf Klage hin sogar verboten. Der Grund? Angebliche Infektionsschutzbedenken. Auch ein Eilantrag unter dem Tenor „Gegen die Versammlungsverbote am 1. Mai – Infektionsschutz für alle!“ wurde abgelehnt. Währenddessen demonstrieren Querdenker in Hamburg seit Monaten ohne Maske oder Abstände. Einige Gruppen wollten trotzdem auf die Straße gehen, konnten sich aber gar nicht erst versammeln.

Auch die „Revolutionäre 1. Mai“-Demonstration des „Roten Aufbaus“ wurde verboten. Es versammelten sich trotzdem einige hundert Menschen abends am Hauptbahnhof. Als sie losliefen, wurden sie von der Polizei schnell auseinandergetrieben und an verschiedenen Punkten in der Innenstadt gekesselt und mit Pferden und Wasserwerfern verfolgt. Auch Menschen, die sich einfach in der Nähe aufhielten erhielten Platzverweise und Bußgelder.

Unabhängig von der Sinnhaftigkeit der vielen vereinzelten Aktionen am 1. Mai – die Versammlungsverbote in Hamburg in diesem Jahr sind nur als politisch motiviert zu bezeichnen. Die Klassenjustiz erdrückt erbarmungslos fortschrittliche Proteste, mitten in einer Wirtschaftskrise, in denen viele in Not geraten und ihre Jobs verlieren. Die Absagen der Gewerkschaften an jede Form des Protestes tun ihr übriges, um den 1. Mai in Hamburg so aussagelos und vereinzelt wie möglich zu halten.

Die fortschrittlichen Kräfte in Hamburg müssen sich zusammenfinden und eine Antwort auf diese Repression finden, um am nächsten ersten Mai einen starken und kämpferischen Protest auf die Straße zu tragen. Jetzt erstrecht!

Über 4.000 demonstrieren in Frankfurt – Werktätige zeigen ihre Stärke

Die Demonstration in Frankfurt folgte heuer ungewohnten Bahnen: Statt vom Günthersburgpark zum Römerberg zu marschieren, ging es von der Hauptwache zum Opernplatz. Damit führte die Strecke in Schleifen durch die nahezu menschenleere Innenstadt. Hauptwache und Opernplatz als Start- und Endpunkte der Demonstrationen wurden deshalb gewählt, weil sie für größere Massen ausreichenden Platz bieten, die geforderten Abstände einzuhalten. Maske, Hygiene, Klassenkampf!


Auftakt an der Hauptwache (Bild eigene Arbeit; gemeinfrei)

Es sind 4.000 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zusammengekommen, diesen 1. Mai in angemessenem Rahmen zu begehen. Unter Pandemiebedingungen muss das als großer Erfolg gewertet werden! Es sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass der DGB im Vorjahr die Demonstration abgesagt hat – der 7-Tages-Index belief sich am 1. Mai 2020 bei 13, am 1. Mai 2021 bei 186!


Werktätige vom Flughafen wehren sich! (Bild eigene Arbeit; gemeinfrei)

Auch in diesem Jahr konnten Werktätige den 1. Mai für ihre aktuellen Klassenkämpfe nutzen. Kolleginnen und Kollegen, die am Flughafen arbeiten – oder vielmehr arbeiteten – nutzten den Tag, um auf die Zustände beim „wichtigsten Arbeitgeber des Rhein-Main-Gebiets“ aufmerksam zu machen. Dort wurden massenhaft Beschäftigte entlassen, weil der Massentourismus durch die Pandemie zusammengebrochen ist. Die Dienstleistungskapitalisten im und um den Flughafen nutzen das zu einem Generalangriff auf die Rechte der Werktätigen.

Leider nimmt der DGB solche aktuellen Klassenkämpfe nicht zum Anlass, den betroffenen Werktätigen die Bühne für die Darstellung ihre Kämpfe und ihre Forderungen frei zu machen. Sicher auch deshalb, weil dieses Plakat von einer Gewerkschaft außerhalb des DGB stammt. Niemand fragt mehr, warum diese Menschen ihre Interessen außerhalb der DGB-Gewerkschaften besser vertreten sehen, es ist leichter diese Klassenkämpfe einfach zu ignorieren.

Die DGB-Funktionäre müssen fürchten, dass die Rolle, die Verdi beim Abbau dieser Rechte spielt, thematisiert werden könnte. Gerade am Flughafen hat Verdi für die Beschäftigten der LSG jüngst einen ausgesprochen unvorteilhaften Tarifvertrag ausgehandelt – und dabei selbstverständlich die kämpferische Stimmung unter den Kollegen ignoriert. Es fragt sich dann aber, warum das Motto dieses Jahr lautete: „Solidarität ist die Zukunft“.

So wundert es auch nicht, dass der Redner für den DGB, Michael Rudolph, bei der Abschlusskundgebung darauf hinwies, wie intakt das Sozialsystem in Deutschland sei, und dass trotz der verheerenden Wirkung der Pandemie in Deutschland niemand habe hungern müssen. Niemand fällt eben tiefer als in die Arme von Hartz IV. Die DGB-Spitze scheint mittlerweile das Sozialsystem als Ausweg vom Klassenkampf propagieren zu wollen.

Gewalteskalation bei Demonstration anti-kapitalistischer Organisationen in Frankfurt

Ein breites Bündnis anti-kapitalistischer Kräfte hatte dann für dem Abend zu einer weiteren Demonstration aufgerufen. Diese begann um 18 Uhr ebendort, wo die Demonstration des DGB etwa drei Stunden zuvor endete, am Opernplatz. Die Route ging durch das Bahnhofsviertel und endete im Gallus, einem traditionellen Arbeiterviertel von Frankfurt. Es beteiligten sich etwa 4.000 Menschen an dieser Demonstration.

Polizei folgt der Linie der reaktionären schwarz-grünen Koalition

Bereits im Bahnhofsviertel wurden Böller, Bengalos und Rauchtöpfe gezündet, auch sollen Gegenstände in Richtung der Polizei geworfen worden sein. Nach dem Ende Demonstrationszug am Haus Gallus eskalierte dann die Polizei die Situation vollständig: Demonstranten wurden gezielt von der Polizei gejagt und verprügelt oder von Wasserwerfern von der Straße gespritzt – das Bündnis spricht von zwei Personen, die mit Schädelbasisbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Anderen wurde im Polizeigewahrsam der Zugang zu ärztlicher Hilfe verweigert.

Bei älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden Erinnerungen an 28. September 1985 wach, als während einer antifaschistischen Demonstration – die NPD hielt in genannten Haus Gallus, dem Ort des Auschwitz-Prozesses, einen Parteitag ab – der Maschinenschlosser Günter Saré von der Polizei ermordet wurde.

Wenn selbst die wirtschaftsliberale FAZ die Darstellung der Veranstalter wiedergibt, abziehende Demonstranten seien mittels Lautsprecherdurchsagen von der Polizei gezielt in Hinterhalte gelockt worden, spricht das jedenfalls Bände über das Vorgehen der Polizei an diesem Abend. Auch die Frankfurter Rundschau spricht von verstörenden Szenen und fordert Antworten von der Polizei. Diese sah sich am Sonntag jedoch noch nicht einmal in der Lage, über die Zahl der Verletzten und Festgenommenen Auskunft zu geben, gleichwohl sie ausführlich von Gewalttaten seitens der Demonstranten zu berichten wusste.

Damit folgte die Polizei der von der reaktionären, schwarz-grünen Koalition in Wiesbaden zu verantwortenden repressiven Linie. Wenn in Hessen Nazis ungehindert ein hoher Staatsbeamter und neun Migranten ermorden werden dürfen, müssen linke Demonstranten folgerichtig Freiwild für die Polizei sein.

Wir sollten in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass im Herbst Bundestagswahlen sind. Laut derzeitiger Konstellation könnte es durchaus zu einer grün-schwarzen Koalition auf Bundesebene kommen. Wenn dann die Koalitionspartner unter einer Bundeskanzlerin Baerbock auf die „guten Erfahrungen“ in Hessen und Baden-Württemberg hinweisen, sollte das von den demokratischen und fortschrittlichen Kräften in Deutschland als Drohung verstanden werden, dass diese Koalition die weitere Faschisierung der Zustände nicht der AfD überlassen will.

Kleine Kundgebung in Gera

Nachdem im vergangenen Jahr in Gera nichts lief, gab es dieses Jahr immerhin eine kleine Kundgebung mit rund 150 Teilnehmer/innen. Allerdings sorgten die Führer des DGB dafür, dass diese nicht kämpferisch wurde. So gab es einen Stand der christlichen Arbeitnehmer (CDA), wo Propaganda für die CDU gemacht wurde. Das ist eine Unverschämtheit, denn gerade an diesem Mai hat die CDU Thüringen den extrem rechten Hans-Georg Maaßen und ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten als Bundestagskandidaten aufgestellt. Auch beim IG-Metall-Stand gab es keine Informationen zu den aktuellen Kämpfen, sondern eine Menge Reklameartikel wie Schals, Mützen, Buttons, Flaschenöffner usw. Wer tritt schon wegen einer geschenkten Mütze in die Gewerkschaft ein? Trotzdem war es ein Erfolg, das überhaupt etwas stattfand. Wir verteilten die aktuelle „Arbeit Zukunft“ an Interessierte.

München


Viele Kolleg/innen wollen ein Ende der Corona-Dauerschleife – durch einen solidarischen Lockdown!

Bei der 1.Mai-Demonstration in München, die nicht offiziell vom DGB durchgeführt wurde, beteiligten sich Kolleg/innen Ver,di, GEW und verschiedenen linken Organisationen. Es ging vor dem DGB-Haus in der Schwanthaler Str. los. Es nahmen laut Berichten gut 1.000 Personen an der Demo teil. Der DGB führte eine 1.Mai-Kundgebung am Königsplatz mit IGM-Chef Hoffmann als Redner durch. Der Demozug endete auf dem Kundgebungsplatz.

1.Mai in Krefeld unter dem Motto: Solidarisch kämpfen!


Krefeld: Ein Transparent für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Gute und kämpferische Stimmung gab es bei der 1.Mai Demonstration und Kundgebung in Krefeld. Viele Teilnehmer*innen meinten das es so eine kämpferische Stimmung lange nicht gegeben hat. Nachdem der DGB Stadtverband Krefeld kurzfristig wegen Corona Anfang der Woche die geplante Kundgebung abgesagt hatte, kamen mehrere Kämpferische Gewerkschafter*innen zusammen und meldeten eine Demonstration und Kundgebung an. An der 1.Mai Demonstration nahmen trotz der kurzen Vorbereitungszeit weit über 250 Arbeiter*innen und Werktätige teil. Nur die IG BAU als Gewerkschaft nahm an den Aktionen teil und lief vorne weg. Hinzu kam das die Regionalleiterin der IG BAU Rheinland auch die Mai Rede übernommen hat. In der Rede wurde erläutert wie wichtig es trotz Pandemie (natürlich mit Maske und Abstand) ist, als Beschäftigte auf der Straße zu sein. Man dürfe die Straßen nicht den Rassisten und Faschisten überlassen. Die Krise dürfe nicht auf die Schultern der Beschäftigten abgewälzt werden, „gerade die Beschäftigten in den Prekären Bereichen leiden am stärksten unter den Auswirkungen der Krise“, so Antonia Kühn. Die Rede bekam viel Zuspruch. Es gab auch weitere Redebeiträge, ein Betriebsratsmitglied von Siemens sprach zu den Teilnehmer*innen, außerdem sprachen noch eine Vertreterin für die DIDF, und ein Vertreter für die Seebrücke. Die Moderation und Begrüßung übernahm ein ver.di Personalrat der Stadt Krefeld. Neben der DIDF-Krefeld, die am stärksten vertreten war, nahmen noch auch Organisationen, Parteien wie DKP, Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein, Die Linke, MLPD, und Seebrücke teil. Auch Arbeit-Zukunft nahm an der Demonstration teil, und die 1.Mai Flugblätter wurden auch verteilt. Auch im Vorfeld  des 1.Mai wurde ein Transparent mit dem Slogan: „Die Reichen sollen die Krise zahlen“ an einem Zentralen Ort aufgehängt und an mehreren Stellen wurde plakatiert.

Arbeit-Zukunft / Krefeld

Düsseldorf: Gewerkschafter*innen waren auf der Straße!

Nachdem der DGB auch in Düsseldorf beschlossen hatte, in der NRW Landeshauptstadt statt einer Kundgebung in der Innenstadt beim DGB-Haus eine Kundgebung in einem Autokino in einem sehr abgelegen Ort in Düsseldorf durchzuführen, hat sich ein 1.Mai Bündnis gegründet, das sich  aus einzelnen Gewerkschafter*innen bildete. An der Demonstration nahmen knapp 500 Arbeiter*innen und Angestellte teil. Das Motto war: „Solidarisch kämpfen – die Reichen zur Kasse!“ Der DGB hatte sich „wegen der Pandemie“ auf eine Kundgebung unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“ mit Parteivertretern und u.a. dem NRW Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) im Autokino Düsseldorf beschränkt. Kritik gab es von Gewerkschaftsmitgliedern zu dieser Absage des DGB, denn man sollte die Straße nicht den Rassisten überlassen. Vorher ging das Gerücht herum, dass auch Faschisten aufmarschieren werden. Und tatsächlich lief die faschistische Partei „Die Rechte“ in Düsseldorf auf.

Arbeit-Zukunft/Düsseldorf 

Stuttgart: Über 3.000 bei der Demonstration


Ein langer Demonstrationszug in Stuttgart. Eigenes Foto.

Während die Stadt Stuttgart bei Quertreiber-Demos sehr großzügig war, wurden dem DGB einige Auflagen gemacht. So wurden Anfang und Abschlusskundgebung in den Stadtgarten verlegt, etwas abseits von der Stadtmitte. Schon früh war der Stadtgarten bevölkert. Über 3.000 kamen. Kolleg/innen von Daimler, aus den Krankenhäusern, vom Bosch, von verdi, IG Bau und von vielen fortschrittlichen und revolutionären Organisationen. Das muss unter den Bedingungen und den Einschränkungen der Stadt Stuttgart als Erfolg gewertet werden. Die Demo ging dann durch die Innenstadt, die allerdings fast menschenleer war. Wie jedes Jahr war es aber auch traurig zu sehen, dass viele linke, revolutionäre Organisationen den 1.Mai vor allem dazu nutzen, sich selbst zu präsentieren. Block über Block marschierten hintereinander. Wo soll sich da eine Kollegin oder Kollege einreihen, der sich keiner Organisation zugehörig fühlt? Der 1.Mai ist der Kampftag der Arbeiterklasse. Ihr sollte er gehören. Dazu ist es nötig, in den Betrieben gemeinsam durch alle fortschrittlichen Kräfte zu mobilisieren und Betriebsblöcke zu organisieren. In den Betrieben müssen die Forderungen der Kolleg/innen diskutiert, entsprechende Transparente angefertigt und auf der Demo selbstbewusst gezeigt werden. Die Mitglieder der verschiedenen Organisationen sollten gemeinsam mit ihren nicht-organisierten Kolleg/innen in einem Betriebsblock laufen. Natürlich können dann nach den Betriebsblöcken auch Blöcke von Organisationen kommen. Und auch in den Betriebsblöcken können Kolleg/innen die Fahne ihrer Organisation mittragen. Vorrang jedoch sollte die Mobilisierung möglichst breiter Teile der Arbeiterklasse haben.


Kolleg/innen von Daimler traten gemeinsam auf

Von Kundgebungsplatz des DGB ging dann noch eine „revolutionäre Mai-Demo“ los. Wir finden diese Absonderung grundsätzlich falsch. Wer revolutionär ist, sollte bei seinen Kolleg/innen sein, gerade wenn diese noch nicht revolutionär sind. Wie sollen sie sich sonst entwickeln? Bemerkenswert fanden wir allerdings, dass in dieser Demo die Interessen und Forderungen der Arbeiterklasse im Vordergrund standen. Es war durchaus eine disziplinierte, eindrucksvolle Aktion. Wenn diese Genoss/innen an ihren Arbeitsstellen mobilisieren und für betriebliche Blöcke werben würden, wäre das toll und würde besser zu ihrem revolutionären Anspruch passen. Es geht ja nicht darum, selbst revolutionär zu sein, sondern andere zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam zu kämpfen. In den für uns sichtbar gewordenen Veränderungen sehen wir aber Ansatzpunkte für eine gemeinsame Arbeit.

Sindelfingen: Klein aber fein


„Die Reichen sollen die Krise bezahlen!“

In Sindelfingen, dem Sitz des Hauptwerkes von Daimler, organisierte der DGB eine Demonstration und Kundgebung auf dem Marktplatz. Sind normalerweise 800-1000 dabei, waren es dieses Jahr allerdings kaum über 100. Das bedeutet, dass vor allem bei Daimler wenig mobilisiert wurde. Stark vertreten war verdi. Da Amazon gerade bei Sindelfingen ein großes Verteilzentrum aufbaut, kämpft verdi schon seit längerem dafür, dass dort von Anfang an Tarifverträge gelten und Kolleg/innen organisiert werden, ein Betriebsrat gebildet werden kann. So gab es bei der Kundgebung auch eine Aktion von Amazon-Kolleg/innen. Kämpferisch war auch die Rede der verdi-Sekretärin Sidar Carman, die auf die extreme Ausbeutung im Einzelhandel, in Pflege und Gesundheitswesen hinwies. Sie forderte die Kolleg/innen auf, sich zu organisieren und zu kämpfen. Gut war auch eine Aktion von Jugendlichen gegen Rassismus. Sie stellten in einfachen Worten ihr Projekt als Schüler vor und forderten zum gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung auf. Wir trugen unser Transparent „Die Reichen sollen die Krise bezahlen!“

Der rote 1. Mai in Recklinghausen


Das gemeinsame Fronttransparent in Recklinghausen. Eigenes Foto

Seit vielen Jahren gibt es in Recklinghausen am 1. Mai eine von den Co-Managern des DGB organisierte kurze Demonstration und die üblichen salbungsvollen Feiertagsreden – und selten mehr als hundert Teilnehmer. Im letzten Jahr fiel sie aus euch bekannten Gründen aus – es gab allerdings eine “alternative” Maikundgebung, an der auch AZ beteiligt war. Ich frage mich übrigens, warum so eine Kundgebung als alternativ bezeichnet wird – sie steht doch in der Tradition des Roten 1. Mais seit nun mehr als 125 Jahren? Alternativ ist doch das, was die Co-Manager des DGB daraus gemacht haben! Feiern statt kämpfen – na, wenn das keine Alternative ist!

Auch in diesem Jahr dachte die DGB-Führung in Recklinghausen nur kurz an eine Kundgebung, sagte sie dann aber sehr schnell ab. Darauf hin trafen sich erfreulicherweise Vertreter der MLPD, der DKP und der ÖDP und organisierten ganz kurzfristig eine rote Mai-Demonstration und Kundgebung im ursprünglichen Sinne. Uns hatten sie nicht eingeladen – das lag an einem Genossen. Er hatte vor ein paar Wochen wegen des Verhaltens der MLPD den Jugendlichen von Fridays for Future gegenüber eine massive, berechtigte Kritik an Genossinnen und Genossen dieser Organisation geübt. Als wir nun aber erfuhren, dass die MLPD am 1. Mai keinen Alleingang plante, sondern auch zwei andere Parteien gleichberechtigt beteiligt waren, stand für uns fest: Wir sind dabei!

An der Demo nahmen trotz der kurzen Vorbereitungszeit gut 50 Menschen teil. Schon das war ein Erfolg. Aber auch sonst: Es bestand eine Einheit, wie wir sie leider nicht immer erlebt haben. ALLE ortsansässigen Redner/innen stellten das Gemeinsame in den Mittelpunkt, kritisierten die Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik. Auf dem gemeinsamen Leittransparent war keine Organisation genannt, nur „Heraus zum 1.Mai! Für Gesundheitsschutz statt Profite!“ Leider gab es aber auch eine Ausnahme: ein “zugereister” MLPD-Redner missbrauchte die Gelegenheit, massive Werbung für seine Organisation zu machen, eine andere (teilnehmende) Organisation anzugreifen usw – das tat sonst niemand außer ihm! Wir hoffen, es wird der guten Zusammenarbeit “vor Ort” keinen Abbruch tun.

Der Genosse, der die MLPD vor einiger Zeit heftig kritisiert hatte, wurde übrigens von allen willkommen geheißen; AZ wurde als teilnehmende Organisation genannt und ihm wurde vorgeschlagen, auch einen Redebeitrag im Namen unserer Organisation zu halten. Dafür bedanke er sich ausdrücklich. Wir hoffen, es geht in Zukunft so weiter. Leider waren wir auf einen Redebeitrag nicht vorbereitet.

Noch etwas Entlarvendes zum Schluss: Der DGB (Re) bezeichnete nach Bekanntwerden unseren Demo-Zug als unverantwortlich. Wir zitieren unsere Lokalzeitung: „Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) legt Wert auf die Feststellung, dass er den alternativen Mai-Demonstrationszug am Tag der Arbeit in Recklinghausen nicht unterstützt. Das gelte für alle Gewerkschaften, die im DGB organisiert sind.“ Es wird dann behauptet, die Teilnahme sei unverantwortlich, da es darauf ankomme, so schnell wie möglich die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu überwinden…

Natürlich hatten die “unverantwortlichen” Organisatoren der Roten Mai-Demonstration ein Hygiene-Konzept entwickelt und mit der zuständigen Behörde abgesprochen. Sie sorgten auch für deren Einhaltung – und es gab keinen Grund für irgendwelche Beanstandungen während der gesamten Aktion.

Was geben wir den ehrlichen Mitgliedern der Gewerkschaften mit auf den Weg?

Wacht auf, Verdammte dieser Erde!

1.Mai international

International war der diesjährige 1.Mai von großer Bedeutung. In vielen Ländern ging die Arbeiterklasse auf die Straße oder streikte. Teilweise trotzte sie wie in der Türkei dem Verbot von Kundgebungen und Demonstrationen.


Der 1.Mai auf dem Taksim-Platz in Istanbul, Türkei


Eine Karikatur aus „Evrensel“ zum 1.Mai-Verbot. Auf dem Transparent steht: „Jedes Jahr 1.Mai!“


Der erste Mai in Madrid, Spanien


Der erste Mai in Oaxaca, Mexiko


Der erste Mai in Kopenhagen, Dänemark


Der erste Mai-Aufruf der Volksfront in Ecuador


Am 1.Mai kam es in Kolumbien zu massiver Polizeigewalt. Die Demonstranten kämpften für ihr Recht. (twitter Screenshot)