Raddemo gegen rechte Querdenker in Stuttgart
Aktualisiert 19.04. 2021 Am 17.04.21 gab es in Stuttgart drei Demonstrationen und Kundgebungen gegen Corona-Leugner und so genannte Querdenker. Unter dem Motto „Uns langt’s“ hatte u. a. das Bündnis Stuttgart gegen Rechts aufgerufen.
Mehrere hundert folgten dem Aufruf, besonders eindrucksvoll war eine Fahrraddemo mit rund dreihundert Teilnehmern, die vom Feuersee quer durch Stuttgart zum Marienplatz fuhr.
Die Querdenken-Bewegung hatte 2 Demonstrationen angemeldet, die die Stadt Stuttgart allerdings verbot. Der neue CDU-OB Nopper, Ordnungsbürgermeister Maier und der Polizeipräsident sind seit der skandalösen rechten Querdenker-Massendemo am Ostersamstag bundesweit heftig unter Beschuss, weil sie deren Party genehmigt und damit die Gesundheit vieler Menschen gefährdet hatten. OB Nopper und Ordnungsbürgermeister Maier (Freie Wähler) hatten immer wieder behauptet, sie hätten keine rechtliche Handhabe. Bei so vielen Teilnehmern könne man die Demonstration nicht auflösen. Das sei zu gefährlich. Querdenker dürfen also immer wieder Journalisten mit Steinen bewerfen und oder ins Gesicht schlagen. Die Polizei schaute immer wieder nur zu.
Bei den Demos gegen Stuttgart21 gab es solche feinsinnigen Erwägungen bei Polizei und Stadt nicht. Da wurde reingeknüppelt, wurden massenhaft Wasserwerfer aufgefahren – gegen zehntausende. Ein Demonstrant verlor durch Wasserwerfer sein Augenlicht.
Aufgrund der breiten öffentlichen Empörung über die offensichtliche Hilfe für die rechtslastigen Querdenker sahen sich Polizei und Oberbürgermeister gezwungen, dieses Mal ein Verbot auszusprechen. Trotzdem kamen auch am 17.04.2021 wieder mehrere hundert Querdenker nach Stuttgart.
Marienplatz
Auf dem Stuttgarter Marienplatz, auf dem sich ursprünglich ab 14:00 Uhr die Querdenker sammeln wollten, war kein Platz mehr für sie. Durch hunderte Gegendemonstrant/innen war alles voll – mit Maske und Abstand. Wer den Ort kennt, weiß: Es ist ein Erfolg, diesen Platz zu füllen.
Einige Querdenker kamen zwar, hatten aber keine Chance. Sie wurden allerdings schnell von der Polizei abgeschirmt und nicht des Platzes verwiesen, obwohl manche provokativ keine Masken trugen. Wie mit zweierlei Maß gemessen wird, zeigte sich ebenfalls am Marienplatz an einem kleinen, aber vielsagenden Zwischenfall:
„Omas gegen rechts“ kurzzeitig festgenommen
Eine Gruppe Frauen von „Omas gegen rechts“ hatte im Aufgang von der U-Bahnstation Marienplatz Querdenker ohne Maske lautstark zur Rede gestellt, sie sollten Masken aufsetzen. Darauf wurde ein Trupp Polizei aufmerksam, kam die Treppen runter und – nahmen die „Omas gegen rechts“ fest, obwohl sie Masken trugen, Abstände einhielten und eindeutige Plakate dabei hatten. Sie wurden zwar schnell wieder freigelassen, aber die Personalien sind aufgenommen.
Auf dem Marienplatz herrschte eine kämpferische antifaschistische Stimmung. Von Fenstern und Balkons eines der großen Mietshäuser hingen Protest-Transparente gegen Querdenker: „Uns langts! Nein zu Querdenkern!“ oder „Maske auf!“ und „Gegen Rechte!“
Innenstadt
Das Geschehen verlagert sich ab 14:00 Uhr in die Innenstadt. Mehrere hundert Querdenker versuchten am mehreren Orten, das Demonstrationsverbot zu durchbrechen, meist ohne Masken. Zunächst hinter C&A-Filiale und dem alten Galeria-Kaufhof, am so genannten Hirschbuckel. Hier wurden einige von einer Polizeieinheit in Kampfmontur eingekesselt, während eine größere Gruppe auf der hinteren Freitreppe der C&A-Filiale stand. Deutschlandfahnen hingen über die Geländer.
Auch Querdenker-Vordenker Michael Ballweg war in der Innenstadt, mit SchwarzRotGold-Fahne. Angeblich erhielt er einen Platzverweis. Wenige Masken – Einige zogen wohl angesichts der Polizei vor, welche aufzusetzen.
Immer mehr Querdenker kamen über die Tübinger Straße hinzu, brav von Polizei begleitet. Dann marschierte plötzlich eine Gruppe zur Königstraße, wo sie nahezu unbehelligt von der Polizei auf und ab demonstrierten, wogegen einige Antifaschist/innen und empörte Passanten lautstark protestierten.
Protest auf der B14 bei der Leonhardskirche
Inzwischen war ein starker Demonstrationszug der Antifaschist/innen vom Marienplatz aus in die Innenstadt zur Leonhardskirche gezogen. Hier auf der B14 gab es, organisiert von der SÖS (um Gemeinderatsmitglied Hannes Rockenbauch, der auch am Protest teilnahm), seit dem Vormittag ein „Protest-Früstück“, das jetzt als willkommener Anlaufpunkt diente.
Von den Quertreibern waren immer wieder weitgehend maskenlose Trüppchen zu sehen: Karlsplatz, Schlossplatz, Schillerplatz, Königstraße. Aber die Stadt gehörte auch dem antifaschistischen Protest!
Mehrere Hundert Antifaschist/innen demonstrierten dann gegen 15:00 Uhr vom Charlottenplatz Richtung Schlossplatz, um sich den Rechten in den Weg zu stellen, wurden aber von der Polizei massiv abgeblockt. In der Stuttgarter Zeitung jubelt ein Martin Haar: „Die Polizei schafft es, auch diese Gruppe zu sprengen“(!!) „oder einzukreisen“. Das Blatt zeigt, wo es steht: Man diffamiert die Antfaschist/innen als „rasende, schwarze und vermummte linke Szene“.
Die, die wirklich, aktiv Widerstand gegen die Rechten organisieren und leisten, werden diffamiert! Vermummt? Hey, Herr Haar – war da nicht was? Angeordnete Maskenpflicht in der ganzen Stadt??
Aggressive Querdenker! Dohungen gegen Kolleg/innen der Teststation!
So kam es zu einem stetig anwachsenden, von der Polizei zunächst nahezu unbehinderten Demozug auf der Königstraße. Keine Masken. Keine Abstände. Anschreiereien von Querdenker-Demonstranten gegen Leute, die auch hier ihren Protest zeigten. Weiter ging`s auf den Schlossplatz, wo seit einigen Tagen ein großes Zelt mit einem Covid-Testzentrum steht. Dessen meist ehrenamtliche Mitarbeiter/innen werden aggressiv aus dem Zug als Verbrecher angebrüllt. Einer der Betroffenen sagt: Wir hatten auch schon Morddrohungen!
Allerdings wurde der Zug nun von immer stärkeren Polizeikräften begleitet. Ein Lautsprecherwagen der Polizei forderte in kurzen Abständen Masken und Abstände von den teilnehmenden und erklärte die Versammlung wiederholt für „illegal“. Irgendwo muss die Entscheiung gefallen sein, dass es diesmal nicht so laufen dürfte wie zwei Wochen zuvor, nur mit weniger Demonstrant/innen. Nach einer weiteren Schleife durch die Stadt wurden zwei Querdenker-Trupps mit mehreren Hundert Leuten an verschiedenen Plätzen von der Polizei geblockt und eingekesselt. Alle gekesselten wurden registriert und erhielten Platzverweise. Offiziell ist von immerhin 700 Registrierten die Rede, angeblich erhalten sie alle Strafbefehle. Weitere 300 wurden den Angaben zufolge nicht erwischt. D.h.: Immer noch rund 1000 Rechte waren stundenlang in Stuttgart unterwegs.
Nachwort:
Die Stuttgarter Zeitung diffamiert Antifaschistinnen und Antifaschisten, die am Samstag den Protest organiserten. Aber Lokalchef Sellner hält Umschau nach dem „wahren Widerstand“. Was er dann fand, bezeichnet er in seinem Kommentar als „eine Demonstration des weit größeren Teils von Stuttgart, der sich auf kreative und selbstbewusste Weise gegen die Querdenker zur Wehr setzt.“ Ach, so fragt man sich, wird das linke Engagement doch ein wenig gewürdigt? Ganz falsch! Sellner meint: „die Initiative #wirsindstuttgart von Stadtpalais und Hip-Hop-Künstlern“ . Angeblich entwickle diese sich zu einer kraftvollen Gegenbewegung. Nur leider war von dieser am Samstag nichts zu sehen. Ja wie?, fragt Sellner: „Ihr symbolhafter tränender Regenbogen“ sei inszwischen gaanz stark in der Stadt präsent. Ach ja, stimmt, der neue CDU-OB Nopper hatte persönlich, eigenhändig auf dem Marienplatz zusammen mit einer Künstlerin einen großen Regenbogen aufs Pflaster gepinselt, von dem ein paar Tränen herabtropfen.
Nun gut, da waren ein paar bunte Flecken zwischen den Füßen der vielen Antifaschist/innen auf dem Boden zu sehen. Na denn, Herr Sellner, Herr OB Nopper. So stellt sich das offizielle, bürgerliche Stuttgart also den „selbstbewussten Protest“ vor: Das Pflaster anmalen. Da kriegen diese Querdenker aber einen Riesenschreck!!
Es bleibt dabei: Ohne den entschlossenen, lauten und militanten Protest der Stuttgarter Antifaschist/innen – da sind wir sicher – hätte auch dieser Nachmittag einen anderen, reaktionäreren Verlauf genommen.
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