Querdenker-Massendemo durch Stuttgart – wieder gewaltsame Übergriffe gegen Medien!

Keine Maske, kein Abstand, aber deutsch! Eigenes Bild

Bericht aus Stuttgart Ohne Masken und Abstand demonstrierten zwischen 10 000 und 15 000 Menschen unter dem Motto „Querdenken“ am Samstag, 3. April 2021, durch Stuttgart.

Von verschiedenen Sammelpunkten aus marschierten sie zum Cannstatter Wasen, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Aus den Reihen der „Querdenker“ gab es erneut gewalttätige Übergriffe gegen Medienschaffende. Erneut zeigt sich, dass diese Bewegung die Meinungs-,Presse- und Medien-Freiheit massiv und aggressiv angreift. Von Friedlichkeit kann keine Rede sein.

Offen rechts bis rechtsradikal!

Kennen wir doch! Heimatschutz?

Dazu passt nahtlos, dass die politische Ausrichtung der Großdemonstration sich immer offener nach rechts bis rechtradikal entwickelt. Kritisierten wir vor einem Jahr, dass Nazis mitmarschieren, mitorganisieren und als Ordner dienen, so bietet diese Bewegung heute ein unübersehbar rechtes, reaktionäres und nationalistisches Erscheinungsbild.

Nicht zu übersehen! Eigenes Bild

Zum Teil große Deutschlandfahnen wohin man blickte, Absingen des Deutschlandliedes durch Demonstranten, die bekannte und von Arbeit Zukunft schon in der Anfangsphase der Querdenken-Bewegung 2020 nachgewiesene, verlogene Verkürzung der im Grundgesetz zugestandenen Grundrechte!

Alles klar! Eigenes Bild

Die Presse- und Meinungsfreiheit anzugreifen, war stets ein Kennzeichen rechter und faschistoider Bewegungen. Ober-Querdenker Michael Ballweg unterstellt Journalist/innen, die nicht das schreiben, was er sich denkt, die ihre kritische Sicht und Meinung frei äußern, dass sie Zensur ausüben würden. Die Querdenker vertuschen, dass das Zensurverbot nur für Staatsorgane gilt (Art. 1(3) GG), während der Presse der Schutz vor staatlicher Zensur zugestanden wird. Längst ist der Angriff auf die Medien kein theoretisches Problem. Durch Demonstranten, die – wie in Stuttgart nachgewiesen – Steine auf Medienschaffende werfen oder einem Journalisten während der Demo ins Gesicht schlagen, findet die Feindschaft gegenüber kritischen Medien längst praktische Vollstrecker.

Heimatschutz statt Mundschutz??

Einen schlagenden Hinweis auf den immer offener rechts-reaktionären Charakter boten nicht nur die zahllreichen Deutschlandfahnen, sondern vor allem die am Ort der Abschlusskundgebung weithin sichtbar angebrachte, den Gesamteindruck beherrschende Parole: „Heimatschutz statt Mundschutz!“ Heimat ist ein politischer Kernbegriff, eine regelrechte Kampfparole der Rechten bis hin zu offenen Faschisten: Der so genannte „Thüringer Heimatschutz“ (THS) war einer der Wegbereiter der NSU-Terroristen. Die „Heimattreue Jugend“ gab sich so offensichlich faschistisch, dass sogar der damalige Innenminister Schäuble sie 2009 verbot. Auch deren Funktionäre verübten übrigens tätliche Anbriffe auf Journalisten.

Die Stadt Stuttgart unternahm – NICHTS!

Die Latte für ein Versammlungsverbot hängt sehr hoch“, heuchelt der zuständige Stuttgarter Ordnungs- und Sicherheitsbürgermeister Clemens Maier(Freie Wähler ) im Interview mit der Stuttgarter Zeitung (1. April 2021). Angeblich könne die Landeshauptstadt „rechtlich nichts gegen diese Versammlung unternehmen und habe nur die Möglichkeit, über Auflagen zu arbeiten.“ Sollten diese aber – so Maier an gleicher Stelle – nicht beachtet werden, werde die Versammlung aufgelöst.

Das kann man nur als verlogen bezeichen. Maier prahlte in dem Interview, er würde vor Ort sein, wörtlich: „Je nach Lagebeurteilung werde ich dann eine Entscheidung treffen.“ Maier müsste jede Menge Nichtbeachtung der Auflagen gesehen haben und konnte daraufhin zur Tat schreiten. Tat er aber nicht!

Covid 19? War da was?

Demo-Ordner, die die städtischen Auflagen, Masken zu tragen und Mindestabstände zu wahren, durchzusetzen hätten, waren selbst flächendeckend ohne Masken unterwegs. Maskentragende Menschen wurde aus der Demo heraus angepöbelt, sie verhielten sich wie Sklaven. Und wie eingangs gesagt, in der Demo gab es praktisch keine Masken. Zitat „Spiegel-online“: „Auf die Frage, ob Menschen auf dem Weg zur zentralen Kundgebung in Stuttgart-Bad Cannstatt Masken trugen, antwortete der Stuttgarter Polizeisprecher Stefan Keilbach: `Ich sehe hier 20 Leute mit Masken, und das sind Polizisten´.“

Als Versammlungsbehöde war die Stadt Stuttgart und damit der Herr Maier für die Auflösung der Demo zuständig, tat aber nichts. Er ließ die Querdenker gewähren, erteilte keine entsprechende Anweisung an die Polizei, die stattdesen über ihre Mega-Lautsprecher die Demonstranten auf der Cannstatter Straße mit freundlichen Hinweisen beschallte, doch bitte Abstand zu halten und Masken zu tragen, während 300 Meter weiter der Waiblinger Journalist ins Gesicht geschlagen wurde.

Gegen Links geht immer!

Stuttgarter Antifaschist/innen stellten sich der Querdenken-Demo frühzeitig, auf der Hauptstätter Straße, nahe dem Hauptstartpunkt Marienplatz mit Fahrrädern in den Weg, legten teilweise ihre Fahrräder auf die Straße und blockierten den Demoweg. Sie unternahmen etwas gegen Auflagenmissachtung und gegen rechte Hetze, wo Stadt und Polizei allem freien Lauf ließen! Sie trugen Masken, hielten sich an die Regeln, nur nicht an die deutsche Regel, radikale Rechte frei gewähren zu lassen. Die Polizei ging gegen sie gewaltsam vor und räumte die Blockade.

`Die standen teilweise vermummt“ (Maskengebot???) „mit Fahrrädern oder saßen auf der Bundesstraße 14 und sind auch jetzt noch vor Ort´“, sagte ein Polizeisprecher …. Die Polizei werde sie zur Not wegtragen müssen, die Straße müsse freigeräumt werden.“ (Zitat Spiegel-Online)

Ach?! Die Straße „muss freigeräumt werden“? Für Wen? Für die Querdenker, obwohl alle von der Behörde genannten Auflagen von Anfang an gebrochen wurden, obwohl der von Bürgermeister Maier genannte Fall für die Auflösung der Querdenker-Demo längst eingetreten war? Entlarvender geht es kaum. Diese Querdenker-Sause erfreute sich offensichtlich bester Förderung! Ein Leser Komentar auf „Spiegel-Online“ zur unfasslichen Untätigkeit der Polizei gegenüber den Querdenkern bringt es ironisch auf den Punkt: „Die Polizei konnte ja nichts tun, die mussten doch die Antifa abräumen!

Der Rücktritt von Ordnungsbürgermeister Maier ist angesagt!

Selbst die Landesregierung geht angesichts dieses offensichtlichen Stuttgarter Skandals auf Distanz. Der für Demos unter Covid-19-Bedingungen Zuständige im Landesgesundheitsministerium, Ministerialdirektor Uwe Lahl, wird in „Spiegel-online“ zitiert: „Ich verstehe nicht, dass die Stadt sich sehenden Auges in diese Situation manövriert hat“. Sowohl schriftlich als auch in einem persönlichen Telefonat habe er Ordnungsbürgermeister Maier die Möglichkeiten aufgezeigt, die die Coronaverordnung des Landes für ein Verbot von Großdemonstrationen hergebe.

Da kann man nur sagen: Herr Maier, ziehen sie die Konsquenzen und treten Sie zurück!“ Ansonsten soll der Stuttgarter Gemeinderat ihn des Amtes entheben!

OB Nopper will vorher nichts gewusst haben

Da Kritik und Empörung über das Osterwochenende immer höher schlugen, sah sich der frisch gewählte Oberbürgermeister Nopper (CDU) gezwungen, dem bedrängten Herrn Maier öffentlich – ebenfalls im Stuttgerter-Zeitung-Interview (6. April) – beizuspringen. Er entblödet sich nicht, die Kritik mit den Worten abzutun: „Hinterher ist man immer schlauer!“ und behauptet dreist, es habe keine Anzeichen für das gegeben, was dann passierte. Berlin, Leipzig, Kassel? Das ist so lächerlich, dass man Noppers Amtsfähigkeit in Frage stellen müsste, wäre es nicht sonnenklar, dass auch Nopper mit hinter dem Ablauf der Demo steht. Noch jede Demo der Querdenkenbewegung und Corona-Bezweifler in der letzten Zeit verlief genauso, auch eine kleinere in Stuttgart nur zwei Wochen zuvor – auch hier flogen Steine auf ein SWR-Team! Nopper wies auch noch die Landeskritik zurück und behauptete, das Gesundheitsministerium hätte doch die Stadt anweisen können, die Demo zu verbieten. Hätte er hier nur halbwegs recht, heißt das: Auch die Landesregierung tat anscheinend nicht, was sie hätte tun können!

Corona-Teststation auf dem Wasen geschlossen wegen Querdenkern!

Bisher in den Medienberichten unerwähnt bleibt ein ganz praktischer „Erfolg“ der Stuttgarter Querdenken-Veranstalter: Die Corona-Teststation auf dem Cannstatter Wasen, wenige hundert Meter vom Versammlungsort der Demo, wurde sicherheitshalber Samstag Mittag ab 12:00 Uhr geschlossen, die hochengagierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer nach Haus geschickt und das Gelände mit Flatterband abgesperrt. Wie heißt es doch so schön? Testen, testen, testen! Aber nicht, wenn Test-Gegner und Coronaleugner demonstrieren wollen!

Fazit:

Trotz aller händeringerender Propaganda über böse, böse Corona-Leugner: In Wirklichkeit genießt hier die nächste rechte Bewegung aus dem Staatsapparat heraus allerbeste Förderung. Sicherheitsorgane dieses Staates schützen nicht vor den Rechten, sie schützen die Rechten.

Und wir Linken?

Eine Frage kann von Kommunisten, Linken und Antifaschisten nicht übergangen werden: Erneut marschieren 15 000 Leute mit ausgewiesenen Rechten! Bei anderen Anlässen an anderen Orten waren es noch mehr! Darunter sind zahlreiche Arbeiter/innen, Angestellte und viele der durch Merkels katastrophales Krisenmangement vom Ruin bedrohten oder bereits ruinierten Kleingewerbetreibende u. a. m. Auch Bauern sind vertreten: Ein riesiger Ackerschlepper fuhr auf der Demo mit, der Anhäger mit Spruchbändern bespannt. Am Heck des Wagens das Transaparent, das aufruft, es den gewaltsamen Übergriffen in Kassel gleichzutun: Kassel wacht auf!

Ackerschlepper!!

Hier muss auch von uns Linken die soziale Basis erfasst und angespochen werden. Das geschieht offensichlich nicht oder nicht genug. Eine solche Bewegung ist ein sozialer Fakt, den wir nicht übergehen können. Was Linke, Antifaschist/innen, Kommunist/innen zur Krise bislang an Kritik und Initiative vorzubringen wussten und wissen – es erreicht diese Menschen augenscheinlich nicht!

Die vielfach auf der Querdenker-Demo skandierte Parole „Freiheit – keine Diktatur!“ ist angesichts der völligen Freiheit dieser zunehmend aggressiven Bewegung reine, gezielte Demagogie! Da offensichtlich der Staat ihnen völlige Freiheit lässt, kann eigentlich nur die „Diktatur“ derjenigen gemeint sein, die immer noch gegen die Querdenker auftreten. Solche Typen wie Michael Ballweg mit ihrer offensichtlichen Förderung haben es aber leicht, das herauszuposaunen, was bei Kommunisten zu Verbotsanträgen und ständiger polizeilicher Repression führt: Eine auf revolutionär getrimmte Rethorik („Merkel in den Knast!“) und aufständische Sprüche von großer Bühne in die Menge zu rufen. Speziell der clevere Herr Ballweg gibt sich dabei immer freundlich, immer ruhig, immer lächelnd, friedlich, liebevoll (echt!!) etc.

Alt-Rechter Beuys blickt wohlgefällig auf die Nachfolger!

Diese Rechten bedienen geschickt die täglich anwachsende soziale Wut angesichts der sich zuspitzenden Krise – nicht etwa bzw. nicht nur wegen Covid19 – nein, wegen der sich immer weiter zuspitzenden Krisen des Kapitals und des Kapitalismus. Mit ihrer Hetze gegen Merkel und Co, bei der ja durchaus zutreffende Missstände benannt werden, mit der Verteufelung eines „symbolischen Großkapitalisten“ wie Bill Gates (dem real ja gar nichts getan wird!!), wobei auch altbekannte, berüchtigte judenfeindliche Stereotypen bedient werden (Judensterne mit Aufschrift „Impfgegner“ waren wieder zu sehen!), werden Kritik und die Wut über den realen Kapitalismus abgelenkt und unwirksam gemacht. Weg mit der Kritik an der sozialen Verwüstung durch den Kapitalismus, an seinen Verbrechen gegenüber den arbeitenden Menschen, gegenüber den kolonisierten Ländern, gegenüber der Umwelt. „Wir stehen hier wegen allem, was Scheiße läuft“, sagt ein Arbeiter, begleitet von seiner Familie, am Samstag auf dem Wasen. Das fasst es wohl gut zusammen!

Hier braucht es lebendige Aufklärungsarbeit: Warum sind wir gegen Scharz-Rot-Gold, gegen Nationalismus und Reaktion? Was hat das alles mit Rassismus und Faschismus zu tun? Warum werden nicht statt eines zum „Gott-sei-bei-uns“ stilisierten Gates der ganze Kapitalismus, das ganze Kapital, die ganze Klasse der Daimler-, VW-, Porsche-, BMW-, Stahl-und-Eisen- Bosse, Deutsche-Bank-Vorstände, Börsenspekulanten, kurz warum wird nicht das ganz reale Kapital angegriffen, warum sind wir gegen Gates-Hetze, obwohl wir für dessen Enteignung wie für die Enteignung des gesamten Großkapitals sind…

Vorschlag

So wie sich die Dinge entwickeln, entwickeln sie sich gerade für die Linke in der Gesellschaft in zugespitzter und gefährlicher Weise. Gegen Rechts helfen der Linken, den Antifaschist/innen vor allem aber den Kommunist/innen nur Einheit und gemeinsame Aktion, gemeinsame Mobilisierung! Wo finden wir das?

Machen wir halt mal am Tag X mal ´ne Aktion!“ – bis dahin macht jeder wie er will, jeder anders, bis dahin wird in nur zu bekannter Weise gegen Aktions-Partner/innen gestänkert und intrigiert – so kann es nichts werden. Das sind Geflogenheiten, die eines Tages tödlich sind – politisch tödlich wie auch im Wortsinne. Guantanamo-Käfige gibt es nicht nur auf Kuba!

Dazu muss miteinander gesprochen und diskutiert, müssen praktisch durchführbare Lösungen gefunden und beschlossen werden. Wir brauchen gegen Rechts ein einigermaßen geeintes Auftreten, gemeinsame Aktionen.

Die Ostermärsche 2021 waren wichtig!

Auf diesem Weg gibt es durchaus Fortschritte. Das soll hier nicht übergangen werden. Das Auftreten der Linken beim Ostermarsch z.b. in Stuttgart – nahezu zur gleichen Zeit  – war gut und richtig. Viele Kräfte standen gemeinsam gegen Krieg, Militarisierung – und gegen Rechts! Vor allem wurde der deutsche Imperialismus direkt angegriffen. (Vgl. dazu eigenen Bericht: https://www.arbeit-zukunft.de/2021/04/04/stuttgart-behinderungen-und-klartext-auf-dem-ostermarsch/ )

Hier zeigt sich, dass die Querdenker zwar heuchlerisch „Frieden“ skandieren, aber diesen wichtigen Kampf für Frieden boykottieren – genauso wie sie den Kampf gegen das eigene Kapital, gegen den deutschen Imperialismus scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Am Ostersamstag gab es mit dem Ostermarsch direkt die positive Alternative! Die Querdenker halten davon nichts!
Unter den aktuellen
Vorbedingungen angesichts der aggressiv-rechten Mobilisierung war der Ostermarsch ein Erfolg, ein wichtiges Beispiel. Die 800 dort waren, nein, sie sind wichtiger als die 10 -15 000 Querdenker, denen ihre verlogenen Showdemos nur allzu leichtgemacht werden.

Das Mindeste aber sollte nun der erneute Anlauf zu einer sichtbaren,starken Demo gegen die kapitalistische Krise, gegen ihre arbeiterfeindlichen Folgen und gegen Rechts sein.  In Stuttgart könnte das Krisenbündnis die Sache in die Hand nehmen, aber ohne Ausschlüsse, ohne jede Vorbedingung außer: antifaschistische Grundlage, Wille zu Gemeinsamkeit und Einheit. Verbindungen in die Gewerkschaften hinein müssten genutzt werden, um auch hier möglichst breite Unterstützung zu mobilisieren.

Ohne sichtbare Gegenkraft läuft die Rechte uns noch mehr als bisher schon den Rang ab!