Mitte Januar hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eine Geldstrafe von 2500 Euro gegen die Ärztin Kristina Hänel für rechtskräftig erklärt. Die Ärztin will nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die Gießener Ärztin hat auf ihrer Homepage Sachinformationen zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht. Abtreibungsgegner haben sie daraufhin mehrfach angezeigt. Nach dem reaktionären §219a des StGB wurde sie vor Gericht gezerrt und zu der Geldstrafe verurteilt.
Die kuriose Folge dieses Urteils:
Nicht-Fachleute wie beispielsweise Abtreibungsgegner dürfen „Informationen“ jederzeit verbreiten, auch wenn es der größte Unsinn ist. Wenn aber eine Ärztin oder ein Arzt Fachinformationen anbietet, dann gilt das als „Werbung für Abtreibung“ und kann dementsprechend bestraft werden.
Dabei wird es Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch machen müssen oder wollen, sowieso schon sehr schwer gemacht. Manche Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg haben solchen Druck ausgeübt, dass es dort kaum noch Arztpraxen gibt, die fachgerechte Schwangerschaftsabbrüche anbieten.
Der Kampf gegen das reaktionäre Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ist bereits über 100 Jahre alt. Die Arbeiterfrauenbewegung hat sehr früh den Kampf dagegen aufgenommen. So hat der Arzt und Kommunist Friedrich Wolf 1929 das Drama „Zyankali“ veröffentlicht. Er kam dafür zeitweise in Haft. In dem Drama wird die extreme Not vieler Arbeiterfrauen geschildert, die zu Abtreibungen gezwungen sind. Aufgrund des Verbots im §218 sahen sich viele Frauen gezwungen, zu einem „Engelmacher“ zu gehen, der als Pfuscher Abtreibungen vornahm. Das kostete viele Frauen ihr Leben oder führte zu schweren gesundheitlichen Schäden. Frauen die das überstanden, landeten oft vor dem Richter und im Gefängnis. Als Arzt sah Friedrich Wolf häufig dieses Elend und unterstützte den Kampf der Arbeiterfrauenbewegung für die Abschaffung des §218.
Viele Kämpferinnen der Arbeiterfrauenbewegung kamen wegen ihres Einsatzes gegen den §218 vor Gericht und ins Gefängnis.
Nach dem Sieg über den Faschismus wurde in der BRD der reaktionäre §218 weiter geführt. Während wohlhabende Frauen die Möglichkeit hatten, in einem „Sanatorium“ im Ausland ungestraft eine Abtreibung vorzunehmen, gerieten Arbeiterfrauen immer wieder in die Mühlen der Justiz.
Mit der 68er-Bewegung lebte auch der Kampf gegen den §218 wieder auf. Er wurde jedoch nie abgeschafft, sondern durch kleine Reformen einige legale Möglichkeiten geschaffen. Gleichzeitig wurde der §219 so gestaltet, dass Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, darüber keine Sachinformationen verbreiten dürfen. Sie dürfen nur mitteilen, dass sie legale Abbrüche vornehmen.
Das öffnet der Unterdrückung von Ärzten Tür und Tor, wie sich jetzt am Fall der Ärztin Kristina Hänel zeigt. Allein von 2010 bis 2016 gab es 104 Anzeigen nach §219a, bei denen die Staatsanwaltschaft tätig wurde. So stellen bis heute §218 und §219 eine Bedrohung für Frauen und Ärzte dar.
Weg mit §218 und §219!