Was passiert gerade in den USA?

6.1.21, Washington, DC, USA: Anhänger von Trump stürmen das Kapitol. (Foto: © Carol Guzy/ZUMA Wire/picture alliance)

Das Kapitol in Washington von rechten Truppen gestürmt, 5 Tote. Geht es da um Demokratie? Was steckt dahinter?

Trump hat seine vorerst letzten Karten von Hass, Hetze und Gewalt ausgespielt. Er ist für den Moment gescheitert. Wachsende Teile seiner eigenen Partei setzen sich von ihm ab, weil er zu offensichtlich die demokratische Fassade der Weltmacht USA beschädigt und weil er mit seinem Kurs „Make America great again“ gescheitert ist. Aber Trump hat sich am 6.Januar 2021, bis zuletzt, auf faschistische Kräfte gestützt und zusammen mit diesen einen faschistischen Angriff auf grundlegende bürgerlich-demokratische Rechte in den USA verübt, einen historischen, wenn auch gescheiterten Putschversuch. Wir verurteilen diesen Akt faschistischen Aufruhrs entschieden.

Trump persönlich hetzte die Masse auf, zum Kapitol zu ziehen, wo der Angriff startete: Objektiv Hochverrat. Freilich ist recht unwahrscheinlich, dass er dafür persönlich Konsequenzen zu befürchten hat. Dass das Unterfangen scheiterte, bedeutet nicht, dass die Sache damit erledigt wäre. Trump selber droht, das sei „erst der Anfang einer langen Reise“. Er oder andere Demagogen seines politischen Umfeld wollen zurück an die Macht, auch wenn er einstweilen, am 7. Januar 2021 faktisch seine Niederlage gegen Joe Biden anerkannte. Zahlreiche Unterstützer/innen aus der Republikanischen Partei sitzen nach wie vor im Kongress! Die Ereignisse zeigen, wie kaputt und zerrissen die Supermacht USA ist.

Die so genannten Sicherheitskräfte (Polizei, Nationalgarde) wussten genau, was kam, ließen aber die Angreifer zunächst gewähren, unter denen viele offene Gewalttäter waren. Ein Polizist erlag seine Verwundungen. Die Bilder zeigen wenige, unterlegene Polizisten vor Ort. Erst nach und nach kamen Verstärkungen, was Präsident Trump sogar noch verzögerte. Aber es handelt sich – im Gegensatz zu den Verlautbarungen von Politikern oder in den Medien – nicht um schlechte Vorbereitung. Was alle kritischen Beobachter/innen kommen sahen, nachdem Trump selbst die Massen nach Washington beorderte, sahen mit Sicherheit auch die Kommandeure der „Sicherheitskräfte“. Sie unternahmen daher bewusst nichts. Sie behandelten die Aufrührer mit Samthandschuhen.

Angesichts dieser Ereignisse, aber auch angesichts ungezählter Skandale und rechter, faschistischer Angriffe anderswo, auch in Deutschland (Hanau, Halle, NSU-Morde, Synagoge Hamburg, Lübke-Mord…) muss die Lehre gezogen werden: De facto dienen die „Sicherheitskräfte“ weder in den USA noch in den anderen „westlichen Demokratien“, in den imperialistischen Staaten, auch nicht in der BRD, dazu, faschistische Kräfte zu bekämpfen oder in Schach zu halten. Sie fördern diese vielmehr in Taten. Ein Minimum an Widerstand gegen sie leisten „Sicherheitskräfte“ lediglich zum Zweck der Wahrung der „demokratischen Fassade“ des Staatsapparates. Auch vor und dem Kapitol in Washington war das so.

Die „Sicherheitskräfte“ dienen vielmehr zur Bekämpfung sozialer Unruhen, von Arbeiteraufständen und zur Bekämpfung derer, die diese vorbereiten und organisieren wollen. Also gegen Linke, gegen Revolutionäre, Kommunisten, zunehmend (!) auch gegen sich wehrende Arbeiter in der sich weiter zuspitzenden aktuellen Krise.“

Der Ort dieses dramatischen Konflikts, die USA, sind schwer angeschlagen, zwar noch eine Weltmacht, aber nicht mehr die unumstrittene Nr.1. Dafür gibt es viele Anzeichen:

– Bei der Produktion hat China bereits seit einigen Jahren die USA vom Platz 1 verdrängt. China ist da jetzt die Nr.1. Die USA sind nur noch durch ihre Banken, Währungsgeschäfte, Kredite und ihre militärische Macht die Nr.1.

– Im Kampf der Großmächte hat China im zurückliegenden Jahr mit zwei Paukenschlägen gezeigt, wie der Einfluss des US-Imperialismus schwindet. Das asiatische Freihandelsabkommen schuf die größte Freihandelszone der Welt. Mit dabei sind Japan, Australien, Neuseeland, Verbündete der USA, die sich trotz der Drohungen aus Washington nicht davon abhalten ließen. Letztendlich gibt es im Imperialismus keine „Bündnistreue“, sondern es gilt der eigene Vorteil. Ebenso schloss die Europäische Union überraschend ein Freihandelsabkommen mit China – gegen den ausdrücklichen Einspruch der USA! Übrigens war und ist auch der neue US-Präsident Biden gegen diese Freihandelsabkommen mit China. Da sind sich Trump und Biden einig: China ist der gefährlichste Konkurrent. Nur ihre Methoden das „Problem“ zu lösen werden unterschiedlich sein.

– Militärisch sind die USA zwar die Nr.1, aber sie können seit langem nicht mehr siegen und ihren Willen unbestritten diktieren. Ihr letzter großer Sieg war die Zerschlagung des deutschen Faschismus. Diesen Sieg haben sie aber nur im Bündnis mit der Sowjetunion erzielen können. Diese trug die Hauptlast des Krieges und zahlte den höchsten Blutzoll. Die Rote Armee fügte der faschistischen Wehrmacht die entscheidenden Schläge zu. Schon im Koreakrieg siegten die USA nicht mehr, sondern mussten sich mit einer Teilung zufrieden geben. In Vietnam mussten die USA geschlagen verschwinden. Im Irak besiegten die USA zwar Saddam Hussein, aber das Land bekamen sie nie wirklich unter ihre Kontrolle. Auch in Libyen und Syrien konnten die USA mit ihrer Militärmaschine zwar zerstören, aber nicht gewinnen.

– Die Rolle als Weltmacht hat die USA innerlich ausgeblutet. Die sozialen Bedingungen sind für große Teile der Arbeiterklasse und des Volkes katastrophal. Viele Menschen haben keine Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Zig Millionen leben in tiefer Armut. Die wachsenden Ausgaben für das Militär fressen alles Soziale auf. Und da das amerikanische Kapital mit den Konkurrenten große Mühe hat, erhält es ungeheure staatliche Subventionen – offen oder versteckt.

Dieser allmähliche Niedergang hat das Land sozial gespalten, aber auch die herrschende Klasse sucht verzweifelt nach Wegen, um wieder zur alten Stärke zurückzukehren und ist dabei tief gespalten.

Nachdem Obama trotz aller Demagogie es nicht geschafft hat, den Niedergang aufzuhalten, gelang es Trump mit seiner aggressiven Rhetorik, große Teile der Bourgeoisie wie auch des Volkes hinter sein Programm „Make America great again“ zu scharen. Doch schon nach einer Wahlperiode haben sich einige Teile der herrschenden Klasse, die ihn zuvor unterstützt haben, von ihm abgewandt. Twitter, das ein wichtiges Medium für ihn und seine Hetze war, hat ihn auf einmal zunehmend abgewürgt und mittlerweile ganz geblockt. Fox News, Trumps einstiger Haussender, ging in der jetzigen Wahlkampagne auf Distanz, verkündete gar als einer der ersten den Wahlsieg Bidens. Dieser erhielt deutlich mehr Wahlkampfspenden als Trump, was zeigt, wem die herrschende Klasse sich zuneigte. Denn Trump hatte gerade mit seiner Aggressivität, seinen Strafaktionen, Zöllen, Einfuhrverboten wichtige Verbündete verprellt und damit erst den Doppelerfolg Chinas bei den Freihandelsabkommen in Asien und mit der EU ermöglicht.

Nun soll es Biden richten. Verräterisch ist da ein Interview mit der Ex-US-Außenministerin Albright durch den Tagesspiegel. Als Ex-Außenministerin unter Bill Clinton unterstützt sie voll und ganz Biden. Auf die Frage „Wird Amerika wieder die führende Nation der Welt?“ antwortet sie: “Ja! Genau das werden Sie erleben.“ Sie betont, dass die USA die EU als „Partner“ brauchen. Und wofür? „Natürlich steht China im Mittelpunkt der Diskussion…. Ich bin ebenso sehr beunruhigt, … wohin das Seidenstraßen-Projekt führt. Es weitet sich immer mehr aus und macht China immer reicher und fetter.“ Sie kündigt praktisch an, dass Biden den Konflikt mit China weiter verschärfen wird, nur eben im Bündnis mit der EU statt im Konflikt mit dieser. Zwischen der EU und den USA gebe es „viel zu reparieren“. Und am Ende sagt sie etwas Wichtiges zur Aufgabe Bidens: „Aber jeder weiß, es wird nicht einfach. Sie sind vorbereitet, sie wissen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika wieder aufgebaut werden müssen, bevor sie im Ausland wieder an Einfluss gewinnen.“

Also: „Make America great again!“ Biden verfolgt das gleiche Ziel. Die herrschende Klasse weiß, dass die USA innerlich zerfressen, kaputt sind. Lenin hat betont, Imperialismus bedeutet, dass das System verfault und zum „stinkenden Geschwür“ (Lenin, Werke, Band 33, Seite 335 – 336, Zum zehnjährigen Jubiläum der „Prawda“) wird. Das kann man sehr gut an der Entwicklung in den USA sehen.

Die Ereignisse in Washington sind Ausdruck dieser Fäulnis und des verzweifelten Versuchs der herrschenden Klasse, aus dieser Krise herauszukommen. Dabei ist die herrschende Klasse selbst so zerrissen und verfault, dass sie das Land nur tiefer in ihren Sumpf mit hinein zieht.

Weder Trump noch Biden können die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus und Imperialismus aufheben. Beide Strategien werden langfristig scheitern. Allerdings wird die Gefahr immer größer, dass die Noch-Weltmacht die ganze Welt in den Strudel ihres Niederganges und ihrer Fäulnis hinein ziehen wird.

Für unser Land, für die Arbeiterklasse und das Volk ist das eine große Gefahr. Im Falle eines Krieges der Großmächte würden auch Deutschland und Europa zu einem Schlachtfeld. Aber schon die Aufrüstung für den sich verschärfenden Konkurrenzkampf hat einen hohen Preis. Denn wer muss dafür bezahlen, wenn mehr Waffen gekauft und mehr Kriegseinsätze durchgeführt werden?

Albright sagt klar, die USA brauchen die EU und Deutschland für ihren Kampf um die Weltherrschaft. Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU), Außenminister Maas (SPD) – sie fordern ein vertieftes Bündnis mit den USA und „mehr Verantwortung“. Das heißt: Mehr Rüstung! Mehr Kriegseinsätze der Bundeswehr! Wenn schon die Weltmacht USA an ihrer irrwitzigen Aufrüstung innerlich ausbluten und ruiniert sind, dann wird das auch in unserem Land zu einem sozialen Niedergang und Ruin führen. Es ist paradox: Was „Stärke“ schaffen soll, zerstört das eigene Land und führt zu seinem Niedergang. Und wenn es zum großen Schlagabtausch der Großmächte USA, China, Russland und EU kommt, dann droht auch der Untergang.

Der solidarische wie kritische Blick auf die Lage der Arbeiterklasse sowohl in den USA wie auch in Deutschland zeigt, wie ähnlich manche Entwicklungen sind. Wer sah in den aufgehetzten, gewaltbereiten Aufrührern nicht die Ähnlichkeiten mir hiesigen Rechten, zum Beispiel mit vielen Querdenkern. Wie unsere Bruderpartei in den USA aufruft, „die Menschen der Arbeiterklasse in jeder Stadt gegen den rechten Hass gegen Immigranten, Schwarze, Frauen, die LGBTQ+-Gemeinschaft … zu organisieren“, so rufen auch wir zur Solidarität auf. Aber lassen wir uns weder von rechten Demagogen wie Trump oder – in Deutschland – Höcke einseifen noch von den brandgefährlichen Parolen aus Berlin von mehr Verantwortung, mehr Rüstung, mehr Truppen einfangen. Von all dem wissen wir heute aus Erfahrung: Für die arbeitenden Menschen kann davon nur Unheil erwachsen. Leisten wir Widerstand, treten wir gemeinsam für die Lebensinteressen der arbeitenden Menschen ein:

Gegen Aufrüstung und Krieg!

Gegen Großmachtpolitik!

Hier kann man das Interview mit M. Albright nachlesen:

https://www.tagesspiegel.de/politik/es-gibt-viel-zu-reparieren-ex-us-aussenministerin-albright-ueber-trumps-erfolge-und-amerikas-zukunft/26762054.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE