Frankreich: Zu welchem Preis kommen wir aus der zweiten Welle?


Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der PCOF, Dez. 2020,
www.pcof.net

Sie war angekündigt, sie ist angekommen wie vorhergesehen, die zweite Welle der Epidemie, und hat erneut die Krankenhausstrukturen aufs Äußerste angespannt.

Personal, das physisch und psychisch erschöpft ist, an Covid erkrankte Pflegekräfte, die gezwungen sind, zur Arbeit zu gehen, gestrichene Urlaube, für andere Patienten aufgeschobene Operationen, Nachbehandlungen und Pflege, kurz, diese zweite Welle, weniger brutal und heftig als die erste, hat trotzdem das ganze Land erfasst, einige Regionen mehr als andere. Die berühmte, unfehlbare Methode des Herrn Véran 1): „Testen, Isolieren, Nachverfolgen“ ist gescheitert, und zwar aus gutem Grund! Wenngleich die Tests endlich doch bereit standen und es erlaubten, eine Million Personen pro Woche zu testen, kam die Bearbeitung der Tests nicht nach; sehr schnell waren die Labore überlastet und nicht in der Lage, innerhalb 24 Stunden die Ergebnisse zu liefern. Aus Mangel an Reagenzien und Apparaturen standen sie nicht zur Verfügung! Der Kurs, jeden zu testen, der es will, ohne Anordnung oder Symptome, hat das System verstopft. Deshalb hatten die positiv getesteten Personen, die auf ihre Resultate eine Woche, sogar zwei Wochen oder ewig warteten (denn die Tests, die nach einigen Tagen wertlos geworden waren, waren unbrauchbar und damit waren Millionen öffentlichen Geldes aus dem Fenster geworfen), viel Zeit, ihre Umgebung anzustecken. Die Regierung hat diesen Schwachpunkt nie zugegeben, sondern lieber die Jugend beschuldigt, dass es ihr an Bürgersinn fehle.

Sicherlich wurden aus der ersten Welle Lehren gezogen, besonders was die Altenpflegeheime angeht. Auch deshalb, weil es eine erste Welle gab, haben die Pflegekräfte gelernt, sich besser um die an Covid erkrankten Patienten zu kümmern und so die Zahl der Todesfälle begrenzt, die sich zum jetzigen Zeitpunkt [Anfang Dez. 2020] auf über 54.000 summiert.

Wenn die Ausgangssperre und dann der Lockdown erlaubten, den „Schaden zu begrenzen“, dann zu welchem Preis! Den Preis der dauernden Mobilisierung allen Krankenhauspersonals, der ambulanten Pflegekräfte, der Arbeiter/innen, die bei der lästigen Arbeit an vorderster Front stehen, darunter jene, die im Hintergrund arbeiten, von denen man verlangt, ständig die Arbeitsstätten zu desinfizieren.

Wenn dem Problem des Mangels an Personal und Betten in den Krankenhäusern immer noch nicht Rechnung getragen wurde, so wurde die Requirierung privater Mittel noch nie ins Auge gefasst.

Die, welche vom „Ségur“ 2) ausgeschlossen waren, müssen sich weiterhin mobilisieren, um darauf hoffen zu können, das zu bekommen, was ihnen zusteht. Eine neue Fernsehansprache Macrons am 24. November hat die Etappen eines Ausstiegs aus dem Lockdown skizziert. Diese schrittweise Lockerung, im Versuch, die Epidemie unter Kontrolle zu halten, hat sehr viel Kritik hervorgerufen. Sie begann, als Macron bei Ankündigung des zweiten Lockdowns der Ansicht war, dass die Buchhandlungen und die Kultur ganz allgemein nicht Teil der grundlegenden Bedürfnisse seien. Insbesondere der freie Buchhandel äußerte laut und zu Recht sein Missfallen. Die kleinen Händler und Handwerker, die sich anstrengten, alle gesundheitlichen Sicherheitsmaßnahmen zu berücksichtigen, verstehen nicht, warum die Kunden bei ihnen mehr gefährdet sein sollen als in den engen Gängen in den Supermärkten?! Wenngleich ihnen der Zeitplan der Lockerung des Lockdowns gestattet, das Ende des Tunnels zu erblicken, so ist es bei den Besitzern von Bars und Restaurants nicht so. Sie werden, wenn alles gut geht, nicht vor Mitte Januar wieder eröffnen. Dann protestieren noch die Professoren, einschließlich der Präsidentin der Universität von Paris, gegen die für Februar 2021 angekündigte Wiederaufnahme der Vorlesungen! Die Lehrpersonen und das gesamte Personal betonen die großen Not der Studenten, besonders der des ersten Jahrgangs.

In Fortsetzung der Präsidenten-Rede stellte Premierminister Castex den von der Regierung festgelegten Impfplan vor: einen nicht obligatorischen, kostenlosen Test. Zuerst den Bewohnern von Altenpflegeheimen und Patienten, die Anzeichen für Begleiterkrankungen der Covid-Infektion zeigen, vorbehalten, wird die Impfung danach auf Verschreibung eines behandelnden Arztes auf alle ausgedehnt. Castex versprach die größtmögliche Transparenz. Es wird viel davon nötig sein, um die Bevölkerung zu überzeugen, sich impfen zu lassen, während die Marktzulassung des Impfstoffs durch die Gesundheitsbehörden noch nicht erteilt ist, aber vor allem, weil alle Mängel, Unstimmigkeiten und Lügen beim Management der Gesundheitskrise das Vertrauen in diese Regierung ernsthaft erschüttert haben.

Anmerkungen:

1) Olivier Véran: franz. Gesundheitsminister

2) „Ségur (de la santé)“ ist eine Beratung von Akteuren des franz. Gesundheitssystems, die vom 25. Mai bis 10. Juli 2020 stattfand.