Corona: Zweite Runde, die Arbeiterklasse und eine ausführliche Zwischenbilanz

Aktualisiert am 23.11.20

Gerade sind wir mitten in der zweiten Welle von SARS-CoV-2-Infektionen (im folgenden oft Corona), die schon lange absehbar war. Die Bundesregierung reagiert darauf wieder mit massiven Beschränkungen der individuellen Rechte. Maßnahmen, die ganz normale arbeitende Menschen auszubaden haben, die aber die Profitinteressen des großen Kapitals und vor allem des Finanzkapitals weitgehend schonen!

Nachdem der erste Covid-19-Fall im Dezember 2019 in China bekannt wurde, haben wir mittlerweile fast ein Jahr Erfahrungen mit dem Virus und den Bewältigungsstrategien unserer Regierung. Inzwischen steht übrigens fest, dass das Corona-Virus bereits im September 2019 in Italien auftrat und nachträglich nachgewiesen wurde (siehe dazu: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/italien-coronavirus-in-lungenproben-vom-september-2019-17053663.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE)

Gefährlichkeit des Virus

In Deutschland ist es offensichtlich bis jetzt nicht zu den befürchteten enormen Zahl an Toten gekommen. Das ist gut! Allerdings steigen die Zahlen der Infizierten und mit entsprechender Verzögerung die Zahl der Intensivpatienten wie auch die Zahl der Toten gerade wieder.

Schaut man jedoch auf die weltweite Entwicklung, so wird rasch klar, dass das Virus überall dort, wo das Gesundheitswesen stärker privatisiert und ruiniert wurde, wütet und die Zahl der Toten deutlich höher liegt. Unter den schwer Erkrankten und Todesfällen gibt es eine deutliche soziale Differenzierung: Je ärmer die Menschen sind, desto eher sterben sie an Covid-19. Das aber liegt nicht am Virus, sondern an den sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen. Denn ärmere Menschen erhalten weltweit eine schlechtere medizinische Versorgung. Ihre Lebensbedingungen, ihre Wohnverhältnisse, ihre Ernährung, ihre Abwehrkräfte sind schlechter. Das ist übrigens auch in Deutschland so. Sichtbar wurde das bei den Masseninfektionen in Schlachthöfen, in der Landwirtschaft, wo Niedriglohnarbeiter extrem ausgebeutet und menschenunwürdig untergebracht werden. Covid-19 ist in hohem Maße eine Klassenfrage!

Zudem sieht es in den Ländern, wo das Virus von den Regierungen herunter gespielt wird, wie den USA, Brasilien und Großbritannien oder Schweden, wo man den Weg der Herdenimmunität gehen wollte, erheblich schlechter aus. Die Zahl der Toten pro hunderttausend Einwohner ist dort deutlich höher als in Deutschland.

Und wohin die zweite Welle führen wird? Selbst Ärzte und Wissenschaftler wagen hier keine Prognose. Auf jeden Fall füllen sich die Intensivstationen wieder. Und trotz fast 11 Monaten Vorbereitungszeit hat sich in den Kliniken nichts entscheidend verbessert. Es fehlt an qualifiziertem Personal für Intensivbetten, so dass vorhandene Betten wegen Personalmangel nicht genutzt werden können. Ungeschultes Personal wird in Eile aus anderen Stationen abgezogen, so dass dort notwendige, geplante Operationen nicht stattfinden können, was für viele betroffene Erkrankte lebensbedrohlich ist. Aber auf Grund des im Gesundheitswesen eingeführten brutalen Fallpauschalen-Kostenmanagements geraten auch manche Kliniken in Not – wegen ausfallender Einnahmen! Mangelverwaltung! Das ist Mangel mit Ansage. Spahn und Merkel wissen das, taten aber nichts!

Deutschland – Insel der Seeligen?

Ganz klar: Nein! Zum einen gibt es eine ganze Reihe Länder wie Kuba, Neuseeland, Vietnam, Taiwan, China, die deutlich besser und mit relativ viel weniger Toten bis jetzt Corona bewältigt haben. Beispielsweise China und Neuseeland haben ihre Infektionszahlen fast auf Null heruntergedrückt. Doch offensichtlich will man von diesen nicht lernen. In vielen asiatischen Staaten gibt es bis jetzt keine zweite Welle. Sie haben Erfahrungen mit gefährlichen Viren wie SARS und MERS gesammelt, die ihnen geholfen haben, die Schäden klein zu halten. Sie haben das mit einfachen, klaren Maßnahmen geschafft:

– Maske tragen ist in diesen Gesellschaften seit vielen Jahren bei jeder Grippewelle eine Selbstverständlichkeit! Das hilft bekanntermaßen zwar nicht zu hundert Prozent, aber schon eine Reduzierung der Infektionen um 20 oder 30% hilft enorm bei der Eindämmung. Und das ohne großen Aufwand!

– Treten Infektionen auf, werden die betreffenden Regionen konsequent vom Rest des Landes abgeschottet, sodass eine Ausbreitung verhindert wird. Zugleich gibt es in den betroffenen Gebieten eine intensive medizinische Betreuung.

– An vielen zentralen Punkten wird Fieber gemessen. Damit kann man zwar nur einen Teil der Erkrankten erfassen, aber auch hier führt es zu einer Reduktion der Infektion. Wie schon oben gesagt, können 20 oder 30% einen großen Unterschied bei der Ausbreitung des Virus machen.

– Weiterhin müssen alle, die in diese Länder einreisen, in eine überwachte Quarantäne. Erst, wenn klar ist, dass sie keine Infektion haben, dürfen sie einreisen.

– Wer infiziert ist, kommt in eine überwachte Quarantäne.

Damit haben diese und andere Länder nur äußerst geringe Corona-Infektionen oder gar keine mehr!

Für Deutschland haben wir schon zweimal Bilanz zu Corona gezogen: Mitte April

(https://www.arbeit-zukunft.de/2020/04/17/chronik-des-regierungshandelns-in-der-corona-krise-nichts-vorbereitet/)

und Anfang Juni

(https://www.arbeit-zukunft.de/2020/06/03/vorlaeufige-corona-bilanz/)

Wir schrieben im Juni:

Beispielsweise bevorratete die Regierung trotz detaillierter Vorwarnungen seit 2012 und einer direkten Vorbereitungszeit von immer noch ca. drei Monaten viel zu wenige Schutzausrüstungen; noch nicht einmal für die Beschäftigten stark gefährdeter Bereiche wie Gesundheitswesen und Altenpflege. Weitergehende Maßnahmen wie Grenzkontrollen, Fiebermessen, Quarantäne für Einreisende lehnte die Regierung zunächst ab, um der Wirtschaft bzw. den Profiten der Großkonzerne nicht zu schaden. Solche Maßnahmen zu einem frühen Zeitpunkt hätten aber nur die Geschäftsreisen einiger Konzerne und die Tourismusindustrie getroffen. Der Schaden wäre recht begrenzt gewesen. Eine relativ einfach umzusetzende Maskenpflicht für öffentliche Verkehrsmittel und geschlossene Räume, ein Verbot von Großveranstaltungen wie Fußball oder Karneval hätten, frühzeitig getroffen, die Zahl der Erkrankten und der Toten deutlich reduziert. Der später durchgeführte so genannte Lockdown, der von der mittlerweile unkontrollierbar gewordenen Ausbreitung des Virus erzwungen wurde, hat zu deutlich massiveren Schäden geführt. Es hat vor allem viele kleine Selbständige, Millionen Arbeiter/innen und Angestellte, Arbeitslose, Hartz-IV-Bezieher, Rentner/innen, Jugendliche in Existenznot gebracht.“

Das gilt auch heute noch, für den zweiten Teil-Lockdown sogar noch mehr! Dabei war es nie ein wirklicher Lockdown. Denn die Produktion der Großkonzerne wie z.B. Waffenproduktion und -export gingen weiter. Waffenproduktion und -export stiegen sogar!

Ebenso wird ungehemmt an den Börsen weiter spekuliert. Weder an Börsen, noch im Kreditwesen, in der Immobilienwirtschaft, in spekulativen Geschäften aller Art gilt ein Shut-Down. Besonders pervers: Längst wird auch mit Corona spekuliert. Pfizer- und Biontech-Aktien schossen durch die Decke und Champagnerkorken knallten, als die beiden Firmen einen noch gar nicht vorhandenen Impfstoff ankündigten. Andererseits: Keine Forderung, keine Miete oder Pacht, keine Tilgungsrate, keine Zinszahlung wird gestrichen, während tausenden Arbeitern das Einkommen zusammenbricht. Lediglich eine Mietverschiebung (Stundung) und ein begrenzter Kündigungsschutz bei Wohnungen bzw. Immobilien gab es im ersten Shut down, beim zweiten nicht. Das zeigt drastisch: Das Kapital hat – so weit möglich – freie Bahn für seinen Profit, während vor allem die Arbeiter/innen, Angestellte und kleine Selbständige die Last der Krise tragen mussten und heute wieder tragen müssen.

In Deutschland wurden große Teile des Gesundheitssystems privatisiert, durchrationalisiert und auf Profit getrimmt. Massenweise wurden Krankenhäuser geschlossen, Krankenhausbetten reduziert. Viele Tätigkeiten wie Reinigung, Essen wurden an externe „Dienstleister“ vergeben, die mit Niedriglohnkräften und extremem Arbeitsdruck Profite machen. Für die Beschäftigten im Gesundheitswesen wurden die Arbeitsbedingungen verschlechtert, durch Personalabbau die Arbeit massiv intensiviert.

Dass es in Deutschland weniger Corona-Tote als in anderen Ländern gab, ist auch dem Personal zu verdanken, dass durch Selbstausbeutung die Lücken geschlossen hat, die durch die Ruinierung unseres Gesundheitswesens entstanden sind. So ist es auch jetzt wieder bei der zweiten Welle. Die „systemrelevanten Kräfte“ wurden gelobt und beklatscht, mehr nicht. Im Gegenteil! In dem halben Jahr seit dem ersten Teil-Lockdown wurden weitere Krankenhäuser geschlossen und Betten abgebaut. Offensichtlich gibt es kein ernsthaftes Interesse, das Gesundheitswesen zu verbessern, so dass es mit solchen Erkrankungen fertig wird. Im Kapitalismus regiert der Profit.

Corona und Wirtschaftskrise

In manchen Bereichen ist Corona ein willkommener Vorwand, um lange geplante Rationalisierungsmaßnahmen und Verlagerungen in Billiglohnländer beschleunigt zu realisieren. Denn unter dem Vorwand von Corona wurden politische Rechte wie Demonstrationen und Kundgebungen drastisch erschwert oder unmöglich gemacht. Hinzu kam, dass die Gewerkschaftsführungen freiwillig auf Widerstand verzichteten und an vielen Stellen Zugeständnisse an das Kapital machten, angeblich um die „Coronakrise zu bewältigen“.

Doch die Krise bahnte sich viel früher an. Sie wurde nur durch die Coronamaßnahmen beschleunigt und verschärft.

So hat beispielsweise Daimler Corona genutzt, um den Umbau der Produktion voranzutreiben. Dadurch dass man jahrelang E-Autos ausgebremst hatte, ist man im Vergleich zu internationalen Konkurrenten wie Tesla und der chinesischen Automobilindustrie in extremen Rückstand geraten. Schon in 2019 füllten sich die Parkplätze der Autokonzerne mit nicht verkauften PKWs. Eine Überproduktionskrise – klassischer Kapitalismus, wie schon Karl Marx zeigte.

Bei Daimler wurde nun Corona benutzt, um auf Kosten der Belegschaft die Produktion für ein paar Wochen zu stoppen, um so die Überproduktion abzubauen. Zugleich wurde an einigen Standorten die produktionsfreie Zeit genutzt, um neue Werkhallen und Produktionsstraßen rasch und störungsfrei aufzubauen und alte abzureißen. Die Kolleg/innen mussten unter dem Vorwand Corona ihre Guthaben auf Gleitzeitkonten, an Überstunden bzw. Resturlaub von 2019 und auch Urlaub von 2020 hergeben. Dazu erhöhte Daimler unter dem Vorwand von Corona den Druck für Personalabbau und „Lohnzugeständnisse“. Das Ergebnis ist für Daimler positiv: Im 3. Quartal 2020 konnte Daimler einen Konzerngewinn von 2,2 Mrd. Euro gegenüber 1,8 Mrd. Euro im 3. Quartal 2019 vermelden, obwohl gleichzeitig die Zahl der verkauften Autos von 839.300 Einheiten auf 772.700 sank. Mitten in der Krise erhöht Daimler auf Kosten der Belegschaft den Gewinn!

Daimler ist nur ein Beispiel dafür, wie das Kapital die Situation hemmungslos ausnutzt, um die Kolleg/innen abzuzocken und seine Profite zu erhöhen.

Gleichzeitig haben allerdings Corona und die Maßnahmen der Regierung der Wirtschaft schweren Schaden zugefügt. Das passiert allerdings weltweit und zwar unabhängig von den jeweils ergriffenen Maßnahmen. Ob Schweden, USA, Großbritannien oder Deutschland, Italien, Frankreich usw. – das BIP sank, teilweise sogar sehr kräftig. Einzige Ausnahme waren einige asiatische Staaten wie beispielsweise China, wo nach einem kurzen Einbruch die Wirtschaftsleistung erstaunlich schnell wieder anstieg.

Bei den in den Medien aufgebauschten Corona-Leugnern und Menschen, die Corona für nicht so gefährlich erklären, fehlt jede materialistische Erklärung dafür, warum wichtige Industriestaaten sich in diesem Ausmaß selbst schädigen sollten. Denn tatsächlich führt der starke ökonomische Einbruch zu erheblichen Risiken für das herrschende System. Zahllose Menschen verlieren ihre Existenzgrundlage, sinken in Armut ab. Damit steigen die Unzufriedenheit und Wut mit und auf dieses System. Kein Kapitalist würde mit Absicht und zielgerichtet seine eigene Herrschaft destabilisieren und in Gefahr bringen. Diejenigen, die meinen, Corona sei nicht gefährlich, müssen zu sehr gewagten Konstruktionen und Annahmen Zuflucht nehmen, um zu „erklären“, warum man „unnötig“ die Wirtschaft ruiniert.

Wie jede Wirtschaftskrise führt auch die jetzige dazu, dass die Kluft zwischen Reichen und Armen wächst. Das geschieht vor allem dadurch, dass die Arbeiterklasse und das Volk die Krise bezahlen, während das Kapital durch üppige „Corona-Hilfen“ gefüttert wird.

Corona und Abbau der Demokratie

Wie in allen Krisen nutzen das Kapital und seine Regierungen weltweit die Situation, um ihre Macht zu festigen und auszubauen. Insbesondere in der Krise, wo die Unzufriedenheit und Wut wächst, ist es für das Kapital wichtig, seine Herrschaft abzusichern. Also verstärken jedes Mal die Regierungen ihre Macht, werden demokratische Rechte weiter eingeschränkt und die Kontrolle von Polizei und Geheimdiensten über die Bevölkerung erweitert. Das ist ein grundlegender Trend seit der Gründung der BRD 1949. Es ist notwendig, dagegen anzukämpfen.

So hat Gesundheitsminister Jens Spahn, CDU, der besser Minister der Pharma- und Klinikkonzerne betitelt werden sollte, die Macht erhalten, die Personaluntergrenzen in der Pflege aufzuheben. Damit können Kliniken und Pflegeheime mit noch weniger Personal arbeiten als bisher. Er, die Länder und Gesundheitsämter haben Vollmachten erhalten, die nicht mehr kontrolliert werden können. Mit den „Corona-Hilfen“ in Billionenhöhe erhielt Finanzminister Scholz (SPD) enorme Machtmittel, um Großkonzerne zu „retten“, also ihre Profite. So erhielten Lufthansa und Deutsche Bahn Milliarden Euro Corona-Hilfen mit der Auflage, hunderte Millionen einzusparen. Das bedeutet: Lohnsenkungen, Arbeitsverdichtung und Entlassungen. Mit Hilfe der Regierungsmacht und der Macht des Kapitals wird die Krise gegen die Arbeiterklasse gewendet und ihr die meisten Lasten aufgebürdet. Für die stark betroffenen Kleinunternehmer und Selbständigen sowie Arbeiter/innen und Angestellten blieben ein paar Almosen, die vielen aber noch nicht einmal den Erhalt ihrer wirtschaftlichen Existenz ermöglichen.

Das Demonstrationsrecht wurde stark eingeschränkt. Die Möglichkeit zu politischer Arbeit wurde durch die Corona-Verordnungen massiv erschwert.

Der „Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (kurz: 3. BevSchG), das am 18.11.20 durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht wird, ist ein Beispiel für diesen Abbau demokratischer Rechte. Zu Recht kritisiert die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, dass dieses Gesetz in Rekordzeit durchgedrückt wird, obwohl es wichtige Freiheitsrechte einschränkt. Sie erklärt, dass sie für einen guten Infektionsschutz einsteht, sagt aber: „Beim weiteren Vorgehen müssen und können aber rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien gewahrt werden. Es darf nicht sein, dass der demokratische Diskurs durch die Regierungspolitik ausgehebelt wird. Kontaktbeschränkungen, Ausgangs- und Besuchsverbote, Theater- und Restaurantschließungen und andere Bestimmungen greifen tief in die Grundrechte, in soziale Sicherheiten und in den Alltag der Menschen ein.“ Statt endlich unser Gesundheitswesen dem Zugriff privater Investoren zu entreißen und zu vergesellschaften; statt es wieder aufzubauen und krisenfest zu machen, werden der Regierung neue Machtbefugnisse zugestanden und Freiheitsrechte eingeschränkt.

Corona-Krise als Teil des internationalen Kampfes um Weltherrschaft

In den letzten Jahren hat sich der Kampf der Großmächte USA, Russland, China und EU mit Deutschland an der Spitze dramatisch verschärft. Weltweit sind diese imperialistischen Mächte an regionalen Kriegen beteiligt, wo sie sich teilweise direkt mit ihren Truppen gegenüberstehen. Im Hintergrund steht der heute bereits extrem zugespitzte ökonomische Konkurrenzkampf. Die USA sind dabei, ihren Platz als Weltmacht Nr.1 Stück für Stück zu verlieren. In der Warenproduktion ist China seit einigen Jahren auf Platz 1 und wächst rasch weiter. Die USA können ihren Platz als Weltmacht Nr.1 derzeit nur durch die Stärke ihres Finanzsektors, durch den Dollar als Leitwährung und durch ihre Militärmacht behaupten. Auf Dauer ist das keine stabile Grundlage. Letztendlich entscheidet die materielle Produktion als Basis jeden gesellschaftlichen Reichtums.

Der Machtkampf der Großmächte macht sich auch bei Corona bemerkbar. Jeder versucht, so gut wie möglich und mit minimiertem Schaden da herauszukommen.

In unserem Beitrag „Kapitalistischer Konkurrenzkampf und Corona“ vom 26.10.2020 stellten wir fest:

Treffend betitelte die Stuttgarter Zeitung (StZ) einen Kommentar auf ihrer Wirtschaftsseite vom 20.10.20: ‚USA humpelt, China punktet‘. Sie berichten, dass die chinesische Ökonomie im dritten Quartal 2020 bereits wieder um 4,9% gewachsen ist und damit Vorkrisenniveau erreicht hat. Im Vergleich dazu sind alle Konkurrenten (USA, EU mit Deutschland, Russland) noch tief in der Krise.

Die StZ schlussfolgert aus dieser Machtverschiebung: ‚Für die Europäer muss klar sein: Von jenseits des Atlantiks haben sie in der sich wieder zuspitzenden Krise keine Hilfe zu erwarten. Die Angelsachsen sind, wenn man den Brexit hinzunimmt, ein Klotz am Bein.‘ Daran würde sich auch bei einem Wahlsieg von Joe Biden nicht viel ändern! Denn, so die StZ weiter: „Die Vereinigten Staaten humpeln geschwächt in den Corona-Winter, während China Normalität zelebriert. Ein Menetekel.’“

(https://www.arbeit-zukunft.de/2020/10/26/kapitalistischer-konkurrenzkampf-und-corona/#more-7663)

Wir erklärten weiter:

Damit wird klar und deutlich, dass Verschwörungstheorien gerade diesen Kampf des Kapitals verschleiern und vertuschen. Sie lenken ab. Eine zentral von dunklen Mächten geleitete Corona-Verschwörung? Welche Großmacht würde sich freiwillig angesichts des scharfen Konkurrenzkampfes ohne reale Notwendigkeit selbst schwächen?“

Ebenso ist klar, dass alle imperialistischen Mächte die Lasten der Krise auf die arbeitenden Menschen abwälzen müssen, um ihre Position im Kampf um die Macht zu stärken. Das geschieht auch real, wie wir weiter oben dargelegt haben. Denn jede von ihnen will aus der schon vorher aufkommenden Wirtschaftskrise, die durch Corona verschärft wurde, so stark wie möglich herauskommen.

Dazu passt auch, dass während des Lockdowns Rüstungsproduktion nicht eingeschränkt, sondern sogar erhöht wurde – ebenso der Rüstungsexport.

Kollateralschäden

Der kapitalistische Weg der Krisenbewältigung hat natürlich Kollateralschäden, auf die zu Recht auch viele Corona-Leugner hinweisen. Das Kapital kümmert es nicht, dass in Afrika, Asien, Lateinamerika viele Menschen durch die extrem verschärfte Wirtschaftskrise und die flächendeckenden Lockdowns immer tiefer im Elend versinken und die Zahl der Hungertoten steigt. Es kümmert sie auch nicht, dass aufgrund der weltweit zurückgefahrenen medizinischen Kapazitäten mehr Menschen an Krankheiten sterben, die mit Corona nichts zu tun haben. Wenn man das alles zusammenzählt, hat der kapitalistische Weg der Bekämpfung von Corona mehr Tote gefordert als Corona selbst. Doch diese Kollateralschäden finden sich vor allem in den neokolonial abhängigen Staaten. Dort zahlen die Menschen sogar doppelt: Viele mehr als in den Industriestaaten sterben aufgrund der oftmals nicht vorhandenen medizinischen Versorgung an Corona. Und andere verarmen, hungern und/oder sterben an den Folgen der tiefen Krise.

Sambia kann als erster Staat aufgrund der hohen Ausgaben für die Corona-Krise und das Gesundheitswesen seine Staatsschulden nicht mehr bedienen und hat die Zahlungen an private Schuldner ausgesetzt. Weitere abhängig gehaltene Staaten werden folgen. Eine Riesenkatastrophe für hunderte Millionen Menschen bahnt sich an.

Selbst in den großen kapitalistischen Zentren gibt es solche Kollateralschäden. Hier zeigt sich schlaglichtartig, wie heruntergefahren die medizinischen Kapazitäten sind. Operationen müssen verschoben werden, weil das Personal für die Intensivstationen inzwischen so knapp ist. Aktuell klagen viele Kliniken, dass sie zwar freie Intensivbetten haben, aber nicht genügend ausgebildetes Personal. 12-Stunden-Schichten und weniger Personal pro Schicht sind mittlerweile für viele Beschäftigte in den Kliniken „normal“. Da schwer erkrankte Corona-Patienten bedeutend mehr Pflegepersonal benötigen als „normale“ Intensivpatienten, geraten Intensivstationen deutlich früher an ihre Grenzen als im Normalbetrieb.

Selbstverständlich zahlen auch die arbeitenden Menschen – wie immer – die Krise: Massenentlassungen stehen auf der Tagesordnung, Mehrarbeit, Lohnsenkungen, Druck und Angst. Auch in den Industriestaaten steigt durch die kapitalistische Form der Krisenbewältigung die Armut an. Das Kapital schwingt seine Peitsche!

Ausführlich haben wir dazu bereits Stellung genommen:

https://www.arbeit-zukunft.de/2020/11/02/kaempfen-trotz-corona-ueberall-widerstand-und-streiks/#more-7694

und https://www.arbeit-zukunft.de/2020/04/30/der-kapitalismus-bedrohlicher-als-corona/#more-6905

Viele Maßnahmen sind unverständlich und in sich unlogisch. So werden Museen, Theater, Kinos geschlossen. Zugleich dürfen Gottesdienste stattfinden. Aus medizinischer Sicht lässt sich das nicht erklären. Erklären lässt es sich nur aus der Sicht des Kapitals. Erstens sind die verschiedenen Religionen eine Macht, die man nicht gegen sich aufbringen will. Zweitens braucht man sie zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung. Und drittens ist der Glaube die Ausflucht für die von Ängsten geplagte Seele. Während man in einigen Innenstadtbereichen eine Maskenpflicht angeordnet hat, gilt das in vielen Betrieben und Werkhallen nicht. Da es die Produktivität mindern würde, wird hier zum Wohle des Profits auf solche Maßnahmen verzichtet. Medizinisch ist dieser Unterschied nicht zu erklären. Die Interessen des Kapitals sind wieder ausschlaggebend. Diese Widersprüchlichkeit der staatlichen Maßnahmen zeigt, was da im Vordergrund steht. Nicht der Schutz der Gesundheit, sondern der Schutz des Kapitals.

Spalte und herrsche

Auch wenn die Regierung Corona nicht besiegt hat, so hat sie doch einen Erfolg verbuchen können: Eine tiefe Spaltung – auch unter linken, fortschrittlichen Kräften. Statt gegen das Kapital wird erbittert um Masken, Alltagsmaßnahmen wie Abstandsregeln, Impfungen und anderes gekämpft. Statt die Kämpfe der Kolleg/innen in den Betrieben mit aller Kraft zu unterstützen, wird um Statistiken und ihre Interpretation gefochten – bis zur offenen Feindschaft. Da werden Linke, die Corona als eine Gefahr ansehen, als „regierungshörig“ und „Schlafschafe“ angegriffen. Umgekehrt werden Linke, die Corona als Grippe einschätzen, als „Covidioten“ abgekanzelt. Eine ernsthafte und differenzierte Auseinandersetzung über die Größe der Gefahr, die notwendigen Schutzmaßnahmen, die Abwehr der Angriffe des Kapitals auf die Arbeiterklasse und demokratische Rechte ist kaum möglich. Noch viel weniger gibt es eine gemeinsame Kampffront an der Seite der Arbeiterklasse, die ja ganz offensichtlich die Hauptlast der Krise trägt. Eine Front gegen die Rechten, die die Unzufriedenheit für sich ausnutzen, ist damit unmöglich. Und das Kapital als Gegner gerät aus dem Fokus!

So hat das Kapital – ganz nebenbei – schon einen großen Erfolg erzielt: Die Spaltung und Lähmung der linken, fortschrittlichen Kräfte. Selbstverständlich ist es dem Kapital lieber, wenn Kräfte wie Ballweg von 0711Querdenken den „Widerstand“ anführen, weil diese nicht das Kapital angreifen, sondern eine angebliche weltweite Verschwörung zum Ziel der Proteste machen. Das ist auch ein gutes Tummelfeld für Nazis, die sich da als konsequente „Widerständler“ präsentieren.

Zusammenhang mit Zerstörung der Umwelt

Viren mutieren rasch, da ihr Erbgut meist weniger stabil und durch Umwelteinflüsse leichter veränderbar ist. Viren passen sich schnell an veränderte Bedingungen an. Für die übrigen Lebewesen einschließlich des Menschen bedeutet das, dass sie gegen neue Varianten keine oder keine ausreichende Resistenz haben. Es dauert immer eine gewisse Zeit, bis sich eine Resistenz entwickelt. Bis dahin können sich allerdings Viren wieder verändern, so dass der Kampf ums Überleben von vorne losgeht.

Die Erforschung und Entwicklung wirksamer Gegenmittel dauert und ist sehr teuer. Daher sind auch Ankündigungen, dass man bald einen funktionierenden Impfstoff habe, mit großer Vorsicht zu nehmen. Impfstoffe, die nicht ausreichend getestet wurden, können ein hohes Risiko darstellen.

Umweltbelastungen können den Selektionsdruck und die Mutationsraten beschleunigen, da solche Belastungen Anpassungen erzwingen. Menschen sind da deutlich weniger anpassungsfähig. Da das Kapital in seiner Gier nach Profit die Umwelt zunehmend verseucht, trägt es dazu bei, Mutationen zu beschleunigen oder wie im Fall multiresistenter Keime (MRSA; keine Viren sondern Bakterien) diese regelrecht zu züchten.

Hinzu kommt, dass durch die Schädigung der Umwelt, die Zerstörung von Lebensräumen für Wildtiere die Gefahr wächst, dass Erreger aller Art von Tieren auf den Menschen überspringen und umgekehrt vom Menschen auf Tiere, wie das bereits mehrfach der Fall war. Hier wächst ein unkalkulierbares Risiko heran. Aktuell werden in Dänemark Millionen Nerze in Zuchtstationen getötet, weil sich unter diesen eine neuartige Mutation des SARS-Cov2-Virus verbreitet hat, die bereits auf Menschen übertragen wurde. Da man über die Eigenschaften dieser neuen Variante wenig weiß, sind die Menschen in strikter Quarantäne, und die Zuchtnerze werden umgebracht.

Zudem werden aus Profitgründen sogar Reserveantibiotika, die eigentlich für die Behandlung bei multiresistenten Keimen (MRSA) entwickelt wurden, auch bei der Massentierhaltung eingesetzt. Dadurch werden weitere Resistenzen entwickelt. Es besteht die Gefahr, dass es irgendwann keine wirksamen Antibiotika mehr gibt. So „züchtet“ das Kapital aus Profitgründen neue Viren und resistente Bakterien. Das erhöht das Risiko weiterer Pandemien. Die Corona-Pandemie wird sicher nicht die letzte bleiben. Schlimmere können folgen.

Durch die globalisierte Wirtschaft verbreiten sich Viren und Bakterien in Windeseile über den gesamten Globus. Sie reisen einfach mit den Menschen mit. So schadet das Kapital mit seiner Jagd nach immer höheren Profiten der Natur, aber auch den Menschen.

Das Kapital weiß um diese Gefahren. Aber der Zwang nach Profit ist so groß, der Kampf unter den imperialistischen Konkurrenten so massiv, dass man einfach weiter macht.

Die Bundesregierung hat schon 2012 eine Risikoanalyse für eine Pandemie durch ein Virus aus der SARS-Gruppe machen lassen. Diese Analyse wurde 2013 dem Parlament übergeben. Corona, genauer Sars-CoV-2, gehört zu der sehr großen Gruppe verschiedenster, oft sogar harmloser Corona-Viren. Es unterscheidet sich zwar in Details von dem damals hypothetisch angenommen Virus in der Risikoanalyse, weist aber im Verlauf der Pandemie viele Ähnlichkeiten auf. (Mehr Infos zu der Studie bei google unter „risikoanalyse pandemie durch virus modi sars“)

Durch diese Risikoanalyse wusste die Bundesregierung, dass bei einer ungebremsten Ausbreitung die medizinische Versorgung innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen kann. Bei Sars-CoV-2 ist das Risiko geringer als bei dem Virus, das in dieser Studie zur Grundlage genommen wurde. Aber es gibt ein Risiko.

Trotz diesem Wissen hat die Bundesregierung nichts für die in der Studie ausdrücklich genannten Maßnahmen unternommen, sondern weiterhin das Gesundheitswesen zerstört und geschwächt: Krankenhäuser wurden geschlossen, Personal abgebaut. Das geht auch jetzt in der Krise weiter. Und Jens Spahn hat bereits angekündigt, dass er für weitere Krankenhausschließungen ist. Wenn wir dann extrem zentralisierte Kliniken mit erheblich weniger Betten und Personal haben, ist dieses zwar billiger und profitabler, dafür wird es aber bei künftigen Krisen leichter zusammenbrechen. So kommen bei Sars-Cov-2 zwei Dinge zusammen: Eine durchaus ernst zu nehmende, gefährliche Erkrankung und ein unter dem Diktat der Profitmaximierung kaputt gespartes Gesundheitswesen. Ein gefährlicher Cocktail!

Was ist jetzt zu tun?

Im Mittelpunkt müssen die Interessen der arbeitenden Menschen stehen.

Daher fordern wir:

I. Schutzmaßnahmen:

Ausreichende Schutzmaßnahmen für alle, die arbeiten müssen, auf Kosten der Unternehmer!

Ausreichende Schutzmaßnahmen in Kliniken und Pflegeheimen!

Vergesellschaftung des Gesundheitswesens und der Pflege! Keine weitere Privatisierung!

Gegenseitige Solidarität und Rücksichtnahme wie Abstand halten, Maske und Hygiene!

II. Ökonomische Forderungen:

Keine Entlassungen!

Voller Lohnausgleich bei Kurzarbeit oder Reduzierung der Arbeitszeit!

30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Monatliche Sonderzahlung für Hartz IV-Empfänger von 100 Euro!

Keine Räumung aus Mietwohnungen!

Die Reichen sollen die Krise bezahlen!

Wiedereinführung der Vermögenssteuer! Sondersteuern für Milliardäre!

III. Politische Forderungen:

Volles, uneingeschränktes,auch politisches Streikrecht!

Kein Abbau demokratischer Rechte!

Volles Demonstrationsrecht bei Einhaltung von Abstand, Maske und Hygiene!

Schluss mit den Sonderermächtigungen für die Regierung!