Daimler Sindelfingen: Ein Kollege berichtet


Daimler hat für den Dieselskandal soviel zahlen müssen. Jetzt müssen die Kolleg/innen dafür zahlen. Foto: Markus Spiske, pexels

Die Krise gibt es bei uns nicht erst seit Corona. Aber mit Corona wurden wir zur Kasse gebeten. Als wir im März/April Kurzarbeit hatten, mussten wir erst einmal unseren Resturlaub von 2019 und 15 Tage, also die Hälfte, von unserem Jahresurlaub 2020 nehmen. Zudem hat ja der Staat dann 80% Kurzarbeitergeld gezahlt, während Daimler nur einen geringen Aufstockungsbetrag zahlte.

Daimler hat den Arbeitsplatzabbau beschleunigt und die geplanten Zahlen kräftig auf mindestens 20.000 erhöht, die bis 2025 „sozialverträglich“ verschwinden sollen. Wenn jetzt noch jemand eingestellt wird, weil Bedarf ist, ist der Lohn deutlich niedriger als vorher.

Bei einigen wurde die Arbeitszeit von 35 Stunden auf 33 bzw. von 40 auf 38 reduziert, aber ohne Lohnausgleich. Die Reduzierung geht also voll auf Kosten der Betroffenen.

Vor kurzem wurde die neue Factory 56 für E-Autos in Betrieb genommen. Damit diese überhaupt nach Sindelfingen kommt, gab es vorher Verhandlungen mit dem Betriebsrat, welchen „Beitrag“ die Beschäftigten dazu leisten. Das bedeutete Lohnverzicht und Arbeitsintensivierung. Die dort Beschäftigten zahlen praktisch über diesen Lohnverlust „Eintritt“. Man könnte auch Kassenautomaten an die Werkstore stellen, wo jede/r Kolleg/in bei Arbeitsantritt einen 10-Euro-Schein als seinen „Beitrag“ einwirft. Das wäre offen und ehrlich.

Da es in der Factory 56 noch nicht gut klappt, gibt es viel Nacharbeit. So haben wir die kuriose Situation, dass es einerseits Kurzarbeit gibt, aber auch Bereiche, wo von den Kolleg/innen Samstagarbeit gefordert wird.

Ein Problem ist, dass jeder Standort für sich kämpft. So gibt es eine Konkurrenz untereinander. Daimler nutzt das, um immer höhere „Beiträge“ der Beschäftigten zu fordern, wenn sie ihre Arbeit behalten wollen. Wir müssten alle gemeinsam kämpfen und nicht gegeneinander! Es wäre auch notwendig eine große gemeinsame Aktion für die gesamte Region und alle Betriebe zu machen! Damit würden alle sehen, dass sie nicht allein sind und dass es ein gemeinsames Problem gibt. Das würde die Solidarität fördern.

Derzeit ist die Stimmung eher schlecht. Das Vertrauen in den Betriebsrat und die IG Metall-Führung ist gesunken, da diese immer wieder „Kompromisse“ zu Lasten der Kolleg/innen schließen. Daimler ermutigt das, nach kurzer Zeit mit der nächsten Forderung zu kommen. So geht es Schritt für Schritt zurück. Wir brauchen kämpferische Gewerkschaft und eine Solidarität über den Standort hinaus, statt einem Kapitalfonds, wie ihn die IG Metall-Führung jetzt mit unseren Gewerkschaftsgeldern aufbaut. Wichtig für uns wäre auch die Forderung nach der 30-Stunden-Woche mit vollem Lohn- und Personalausgleich. Das würde alle betreffen und alle solidarisch verbinden.