Rund 500 Kolleginnen und Kollegen des Mahle-Werks in Mühlacker standen am Dienstag, 22. September 2020 mittags vorm Werk. Zur gleichen Zeit protestierten auch rund 100 Kolleg/innen aus dem kleinen Werk im nahen Vaihingen(Enz) vorm Tor und organisierten eine lebendige Menschenkette(1).
Lautstark, keineswegs verzagt, protestierten sie alle gegen den geplanten Stellenabbau im Mahle-Konzern, den der Aufsichtrat in der Vorwoche bekannt gegeben hatte: 7600 Jobs weltweit, davon 2000 in Deutschland, sollen wegfallen. 200 sollen es wohl in Mühlacker sein.
Ab 13:00 Uhr, bei strahlender Sonne und spätsommerlicher Wärme sammelten sich in Mühlacker, wo mehr als 1000 Menschen tätig sind, immer mehr Kolleginnen und Kollegen vor der Haupteinfahrt.
Die Betriebsratsvorsitzende Nektaria Christidou forderte lautstark von der Mahle-Geschäftsführung, die Arbeitsplätze zu erhalten. Sie forderte den Stopp des faktischen, bereits seit Monaten laufenden Stellenabbaus durch das Auslaufenlassen befristeter Arbeitsverträge und „konstruktive Gespräche zur Fortführung der Standort- und Beschäftigungssicherung“ für die nächsten Jahre. Den geplanten Stellenabbau im Konzern nannte sie klar „eine Schweinerei“! Neben dem Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen forderten sie und andere Sprecher die Weiterführung der Ausbildung auf hohem Niveau sowie weitere Investitionen in neue Technologien für die Standorte Mühlacker und Vaihingen. Ausgeschlossen werden müssten auch immer neue Verlagerungen von Komponenten an Standorte in Osteuropa.
Von anderen Standorten waren ebenfalls Kollegen gekommen. Sie wurden unter großem Beifall begrüßt!
Nach der Kundgebung baute sich eine mehr als einen Kilometer lange Menschenkette auf – entlang der sehr stark befahrenen Lienzinger Straße, an der das Mahle-Werk liegt. Auch die Menschenkette war absolut nicht schweigsam. Mit den Klatschhänden und Pfeifen wurde Stimmung gemacht, und viele Autofahrer hupten aus Solidarität.
Auch der Metallertreff Stuttgart und die Mahle-Solidaritätsgruppe waren mit mehreren Kolleg/innen und einem gut sichtbaren Soli-Transparent „Solidarität – Unsere Stärke“ dabei. Sie hatte tags zuvor schon mit einem kritischen Flyer Aufklärungsarbeit geleistet, gemeinsame Kampfaktionen gefordert und vor allem eine wichtige Perspektive: 30 Stundenwoche für alle bei vollem Entgelt- und Personalausgleich!
Rund 200 Flyer wurde noch bei der Menschenkette verteilt.
Alles in Allem: Eine kraftvolle, kämpferische Aktion, ein mutiger Schritt voran! Und eine gute Grundlage für weitere Kampfschritte! Diese werden zweifellos notwendig werden.
Aber dann: SPD-Wahlwerbung???
Die Pforzheimer SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast war auch vor Ort, ergriff das Wort und erklärte sich solidarisch. Das ist legitim. Aber sie beließ es nicht dabei, sondern ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, vor den Protestierenden ihre Partei und die Berliner SPD-Ministerriege in Szene zu setzen und Qualifizierungsmaßnahmen auf Grundlage des „Qualifizierungschancengesetzes“ anzupreisen, das die SPD nach Masts Worten entgegen dem Koalitionsvertrag durchgepaukt hätte.Viele wissen, dass das vor allem Illusionsmacherei ist. Denn das Mahle-Magement will erklärtermaßen die Leute schlicht loswerden und hat das bereits kundgetan! Der Flyer des Mahle-Solidaritätsgruppe sagt es:
Die IG Metall Stuttgart erteile Mahle-Boss Stratmann „Nachhilfe in Wirtschaft: `Qualifizierte Belegschaften und die Bereitschaft zur Innovation sind der Schlüssel für einen Erfolg in der Zukunft´. Aber das Problem besteht darin, dass Stratmanns `Innovationen´ unsere „Qualifikation“ gar nicht braucht!“.
Zu dem Gesetz: Wenn es auch gewisse Verbesserungen gibt bei der Förderung innerbetrieblicher Maßnahmen, so richtet es sich vor allem auf die Förderung von Transfermaßnahmen, die greifen, wenn mein Arbeitsplatz schon weg ist und ich in einer sogenannten Transfergesellschaft gelandet bin und Transferkurzarbeitergeld bekomme… Das soll eine Perspektive sein??
Wenn dann allerdings die BR-Vorsitzende Christidou Katja Masts Auftritt schon vorab in den Himmel jubelt und direkt vorm Werkstor den eigenen Beitritt zur SPD bekanntgibt, wird es peinlich: Honi soit, qui mal y pense (Ein Schuft, wer Böses dabei denkt…)!!
Hier wird nicht das Vertrauen der Kolleginnen und Kollegen in die eigene Kraft gestärkt, sondern auf Parlament und die SPD orientiert. Voll daneben! Und dazu noch: Da stehen jetzt 500 kampfbereite Kolleg/innen, aber es wird gerade nicht deren Eigeninitiative gefördert und erst recht nicht die Einsicht, dass auch diese gute kämpferische Aktion nur der Anfang sein kann. Er wird noch viel mehr Einsatz nötig sein, gemeinsam mit allen Standorten und über Mahle hinaus!
Ein Wort noch:
Am Vortag dieser kraftvollen Aktion war es zu einer Auseinandersetzung zwischen den zwei Verteilern des schon erwähnten Flyers und Betriebsrät/innen und IG-Metall-Vertrer/innen gekommen. Sie warfen der Mahle-Solidarität und dem Metallertreff vor, die geplante Aktion spalten und schwächen zu wollen.
Erfreulicherweise wurden die Vertreter von Metallertreff und Mahle-Soli aber bei der Menschenkettenaktion dann begrüßt und eingeräumt, dass man leicht überreagiert habe.
Dadurch wurde eine gemeinsame solidarische Aktion möglich. Zu begrüßen! Die Beteiligten sollten Kritik und unterschiedliche Auffassungen solidarisch zu klären versuchen.
(1) Ein Video der kämpferischen Vaihinger Aktion: https://www.facebook.com/IGMPforzheim/videos/666448800960302/
Der folgende Link zum SWR zeigt kurze Eindrücke der Aktion in Mühlacker: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/protest-mahle-muehlacker-100.html