Die Protestkundgebung von mehr als einhundert Aktiven vorm Bahnhof Gesundbrunnen am 14.08.2020 war schon die 3. Kundgebung in der Auseinandersetzung um die Berliner S-Bahn.
Es war die erste nach der Bekanntgabe der Ausschreibungen großer Teile der Berliner S-Bahn im EU-Amtsblatt durch die Verkehrssenatorin Berlins, die Grüne(!!) Regine Günther. Damit wurde das Vergabeverfahren für wesentliche Teile der Berliner S-Bahn nach EU-Recht eingeleitet, wogegen sich breite Kritik und Widerstand regen. Es drohen Privatisierung und Zerschlagung im Interesse von „Investoren“ und Profithaien.
Jorinde Schulz von Eine S-Bahn für Alle erklärt für das Bündnis:
„Was durch den S-Bahn-Betrieb erwirtschaftet wird, muss in den öffentlichen Nahverkehr zurückfließen – darf nicht als Gewinne an Privatunternehmen gehen…. Dabei muss das Wohl von Beschäftigten und Fahrgästen im Zentrum stehen. Der Wettbewerb um die S-Bahn, der mit der Ausschreibung losgetreten wird, wird auf Kosten von Beschäftigten ausgetragen und riskiert das Abwandern öffentlicher Gelder an internationale, profitorientierte Unternehmen, die an der Entwicklung des Netzes keinerlei Interesse haben. …Regine Günther muss diese unverantwortliche Ausschreibung zurückziehen und endlich mit direkten, offenen und transparenten Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und dem Bundesverkehrsministerium beginnen.“
Das sind harte Wahrheiten! Die S-Bahn-Ausschreibung geht voll auf Kosten der Beschäftigten, der Fahrgäste und der Umwelt. Sie gefährdet über Jahre erkämpfte Rechte der Beschäftigten. Den Fahrgästen drohen durch Betreiberwechsel und Schnittstellen zwischen bis zu zehn Akteuren Chaos im Verkehrsangebot. Die für die Umwelt und die Berliner Luftqualität elementar wichtige S-Bahn könnte zerrieben werden.
Das Ausschreibungsverfahren ist ein Schlag ins Gesicht aller gesellschaftlichen Initiativen, die seit Jahren für eine sozial-ökologische Verkehrswende kämpfen. Ihre umfassende und schlüssig vorgetragene Kritik an der Ausschreibung wird schlichtweg ignoriert.
Zum dritten Mal setzte die Kundgebnung ein deutliches Zeichen gegen Ausschreibung und Zerschlagung der S-Bahn. Mit mehr als 100 Interessenten und 10 Redebeiträgen ist sie als Erfolg zu werten. Dessen ungeachtet präsentieren sich die Senatsparteien wieder als taube Nüsse. In voller Fahrt rennen sie der Grünen Verkehrssenatorin Regine Günther hinterher. Diese Frau ist federführend für das Ausschreibungsverfahren und damit für die Zerschlagung der Berliner S-Bahn!
Viele Redebeiträge brandmarkten unter dem Beifall der Anwesenden dieses Verhalten klar als verantwortungslos. Sie beklagten auch die Ignoranz und nackte Anmaßung dieser Politiker gegenüber denen, die in der Corona Krise noch beklatscht wurden, den Beschäftigten der S-Bahn und ihren zahllosen Nutzern.
Ein S-Bahn Kollege betonte, dass es dringend erforderlich sei, sich nun innerhalb der Gewerkschaften stark zu machen, um auch andere Mittel der Gegenwehr in die Wege leiten zu können. Ausdrücklich gemeint: Streik!! Von mehreren Teilnehmern wurde betont , dass noch mehr öffentliche Präsenz sein müsse, um einen Erfolg herbeizuführen.
Ein Redner vom Bündnis „Hände weg vom Wedding“ betonte: Es sei wichtig, die Systemfrage zu stellen, damit nicht noch mehr Geld in private Taschen fließt durch Privatisierung. Dies sei eine wesentliche Grundlage für den generellen Kampf.
In einem anderen Redebeitrag wurde deutlich erklärt, wie sinnlos es sei, in dieser Angelegenheit nicht streiken zu dürfen! Erst wenn der Deal durch ist, wenn irgendein privates Unternehmen oder mehrere sich die S-Bahnteile („Lose“) unter den Nagel gerissen, die Arbeits- und Lohnbedingungen massiv verschlechtert haben, seien Gewerkschaften wieder mit von der Partie, um dann legal, aber viel zu spät, für bessere Bedingungen zu streiken. Von daher sei ein Kampf gewerkschaftsübergreifend für das allseitige politische Streikrecht unabdingbar notwendig.
Die Linke versucht Boden gutzumachen
Im Anschluss an die Aktion am Bahnhof Gesundbrummen hatte die Landesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE Berlin(LAG), zu einer Veranstaltung geladen. Dort beteuerte Kristian Ronneburg, Verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordentenhaus, „die Ausschreibung der S-Bahn sei ein notwendiges Übel“ und forderte, „den Koalitionsparteien Alternativen gegen die Ausschreibung zu unterbreiten“, damit wir nicht angreifbar seien!! Solche Alternativen sind jedoch unter den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen auf Bundes- und EU-Ebene nicht in Sicht. Diese Gesetze sind erwiesensermaßen volks- und Arbeiter/innen-feindlich. Das Auschreibungrecht bevorzugt erklärtermaßen und in voller Absicht private Profitgeier, die sich mit diesen Gesetzen in Jahrzehnten aus Staatsmitteln geschaffenes öffentliches Eigentum aneignen und zum privaten Profitmachen ausnutzen dürfen.
Jorinde Schulz widersprach Ronneburg: Es sei nicht Sache der Politik, all dies Gesetze zu beklagen, um danach achselzuckend die Hände in den Schoß zu legen. Vielmehr sei es ihre Aufabe, diese „Rahmen-Bedingungen aktiv zu ändern“. Sie erinnerte alle Anwesenden daran, dass es möglich wäre, diese Ausschreibung sofort zu stoppen, um das Problem später, wenn alle Einzelheiten (soziale Sicherheiten für die Beschäftigten u.a.m.) geklärt wären, in geordnete Bahnen zu lenken.
Dabei müsse man sich der Anstrengung unterziehen, einen eigenen Eigner für die S-Bahn aufzubauen. Somit könne dann auch eine Direktvergabe geschehen. Ein Beispiel dafür sei die, die Berliner VerkehrsGesellschaft ( BVG: Busse, Straßenbahnen, U-Bahn).
Natürlich sind Diskussion über die Perspektiven notwendig und müssen mit dem Ziel eines gemeinsamen Kampfes geführt werden, Manche im Widerstand finden z.B,, dass eine Ausrichting auf den Aufkauf der S-Bahn (analog BVG), bzw. auf eine Eigengründung („einen eigenen Eigner für die S-Bahn aufzubauen“) und eine Direktvergabe die Gefahr erkennen müsse, dass dabei die politisch-gewerkschaftliche Verpflichtung zur Einführung des TV-N (Tarifvertrag-Nahverkehr) unter den Tisch fallen könnte.
Innerhalb dieser Diskussion mit Aktivisten, Kollegen der S-Bahn und Basisleuten der Linken wurde sehr deutlich, dass die Ausschreibung unbedingt verhindert gehört. In Berlin gibt es bereits etliche Beispiele von Privatisierung, die – ermutigend! – ; durch entschiedene und kämpferische Intitiativen und Aktivitäten rückgängig gemacht werden konnten.