Einen wichtigen Erfolg in dem politischen und juristischen Marathonlauf, einen weiteren Teilerfolg, erreichten Alassa Mfouapon und die breite demokratische und antirassistische Solidaritätsbewegung am Freitag, 19.06.2020, vor dem Amtsgericht Ellwangen.
Alassa war mit Frau und Kind aus Kamerun geflüchtet, mittlerweile eine öffentliche Person.
Rund 50 Unterstützerinnen und Unterstützer aus Ellwangen und den umliegenden Regionen bis hin nach Stuttgart, viele vom Freundeskreis Alassa & Friends, waren gekommen, um dem von der reaktionären deutschen Justiz Angeklagten solidarisch beizustehen. Die Staatsanwaltschaft Ellwangen klagte Mfouapon der zweimaligen illegalen Einreise sowie des Widerstandes gegen die Polizeibeamten an, die ihn genau vor zwei Jahren in einer brutalen Nacht- und Nebelaktion festnahmen, um ihn aus der Ellwanger Erstaufnahmestelle willkürlich nach Italien abzuschieben.
Nur 8 Zuhörer/innen durften in den Verhandlungssaal des Ellwanger Amtsgerichts, das im Gebäude des Landgerichts tagte. Sie mussten sich einer schikanösen Personenkontrolle unterziehen, mussten sämtliche Gegenstände aus ihrer Kleidung abgeben und Kopien ihrer Ausweise zulassen, als sie hineinwollten. Das galt auch für den Angeklagten und seinen Anwalt Roland Meister (Essen), wie dieser zum Schluss berichtet. Der Berichterstatter von Arbeit Zukunft durfte nicht mehr hinein.
Draußen harrten stets um die 50 solidarische Menschen aus, informierten die Vorbeigehenden mit Flyern, Schildern und spontanen Kundgebungen.
An BILD und andere Hetzer: Alassa war und ist legal in Deutschland!
Während der fast vierstündigen Verhandlung gelang es Alassa und dem Verteidiger, Rechtsanwalt Roland Meister (Essen), die zwei Vorwürfe illegaler Einreise vollständig aus der Welt zu schaffen. Der Richter forderte die Staatsanwaltschaft auf, sie zurückzunehmen und so eine Einstellung dieser Verfahrensteile zu ermöglichen. Aber die verzögerte, wollte unbedingt einen Schuldspruch. Sie zog dann zuerst den Vorwurf der illegalen Einreise 2017 zurück, versuchte aber mit einer so absurden wie entwürdigenden Argumentation, wenigstens die zweite Einreise 2018 als illegal hinzustellen. Es wurde die Demaskierung ihres abstoßenden Denkens! Dreist, ohne jeden Beweis, entgegen Alassas Schilderung seiner total desolaten Lage während seines erzwungenen Italien-Aufenthaltes erklärte die Staatsanwältin: Da Alassa Mfouapon länger als drei Monate in Italien geblieben sei, müsse man davon ausgehen, dass er dort seinen Asylantrag stellen wollte. Und damit sei die zweite Einreise illegal. Der Richter wies das zurück, da Mfouapon sich einfach an die Regel gehalten hätte, erst nach sechs Monaten wieder nach Deutschland einreisen zu dürfen. Das dürfte man ihm ja wohl nicht zum Vorwurf machen, was die Staatsanwaltschaft aber tut. Selbst korrektes Verhalten Geflüchteter wird gegen sie verwendet!
Die Einreise war in beiden Fällen rechtens. Damit hat das Gericht die Auffassung des Anwalts Roland Meister bestätigt, dass nach der Genfer Flüchtlingskonvention eine Einreise zur Asylantragsstellung nicht illegal sei. Der Richter stellte diese beiden Verfahren ein, die Kosten muss die Staatskasse übernehmen. Ein wichtiger Erfolg! Niemand darf fortan Alassa vorwerfen, sich illegal in Deutschland aufzuhalten.
Trotzdem Verurteilung!
Im anderen Punkt der Anklage „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ wurde Alassa Mfouapon aber schuldig gesprochen und zu 40 Tagessätzen à 10 Euro verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte freilich eine deutlich höhere Strafe beantragt.
Die Polizeizeugen sagten aus, dass Alassa Mfouapon in keiner Weise aggressiv war. Sein „Widerstand“ sei die Weigerung gewesen, ins Polizeiauto zu steigen, solange er nicht seinen Anwalt verständigen konnte und Handy, Ausweis und Geldbörse zurück erhalten habe. Daraufhin brachten ihn 5 Beamte zu Boden. Er habe sich bei der Fesselung am Boden „gewunden“, was ihm als Widerstand ausgelegt wurde. Dies einem Menschen in den Tagen nach der Ermordung von George Floyd und von „I cannot breathe!“ vorzuwerfen, ist schon pervers.
Der Richter hatte eigentlich die hauptsächlich in Deutsch vorgetragenen ausführlichen Stellungnahmen Alassas angehört, hatte Beileid ausgesprochen für den Tod des Kindes von Fleur und Alassa Mfouapon im Mittelmeer und Respekt vor seinem Engagement für die demokratischen Rechte von Flüchtlingen u.a. mit der Bemerkung bezeugt „Sie sind bereits ein Mann der Zeitgeschichte“.
Aber er wollte sich anscheinend trotzdem unbedingt hinter die Polizisten stellen: Hätte Mfouapon sich von Anfang an gewehrt, wäre der ganze Polizeieinsatz womöglich rechtswidrig und er freizusprechen gewesen. Da er sich aber anfangs mehr oder weniger kooperativ gezeigt habe, sei der Einsatz zu seiner Abschiebung rechtens gewesen. Sich besonnen zu verhalten und der eigenen Rechte bewusst – es wird gegen ihn ausgelegt!
Gegen dieses Urteil wird in diesem Punkt Berufung eingelegt. Es ist zu begrüßen, dass der Rechtsanwalt auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage hinweist und seinem Mandanten nicht rät, klein beizugeben, wo man doch schon so viel erreicht hat, wie das leider oft geschieht.
Es gab bei den draußen Wartenden großen Beifall, Freude schöner Götterfunken, wurde gesungen: Es kam spontan zu einer kurzen Information der Öffentlichkeit, auf der Rechtsanwalt Roland Meister und Alassa Mfouapon selbst Stellung nahmen.
Unermüdlicher politisch-juristischer Marathonlauf – für die Rechte der Unterdrückten!
Einmal mehr hat sich in Ellwangen gezeigt, dass die solidarische demokratische Bewegung, verbunden mit einem kompetenten, politisch bewussten und offensiven juristischen Vorgehen bedeutende Erfolge erzielen kann. Diese haben grundsätzliche Bedeutung für die Lage aller Geflüchteten, aber auch für alle ausgebeuteten und unterdrückten Arbeiterinnen und Arbeiter, die heute zu großen Teilen Migrantinnen und Migranten sind und trotz Arbeit oft einen höchst prekären Aufenthaltsstatus haben. Und zu ihnen werden sehr viele Geflüchtete gleichfalls gehören, sollte es ihnen gelingen, sich im Land einigermaßen zu etablieren. Solidarität mit Geflüchteten ist Arbeiter-Solidarität, Solidarität von Ausgebeuteten und Unterdrückten!
Wir werden auch die nächsten Schritte in diesem Marathonlauf um unsere Rechte solidarisch begleiten.