In Frankfurt haben sich in den vergangenen Tagen über 10.000 Menschen an Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt beteiligt. Waren es am Mittwoch noch einige Hundert, brachte die Gruppe Youth against Racism am Freitag bereits 3.000 auf die Beine. Bei der Silent Demo am Samstag versammelten sich statt der angemeldeten 300 über 8.000 vorwiegend junge Menschen auf dem Römerberg, dem benachbarten Paulplatz und in den angrenzenden Straßen.
Solidarität mit der Sache der Afro-Amerikaner mit Blick auf die deutschen Zustände
Wie überall in der Welt war der brutale Mord an George Floyd der Anlass, gegen Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren. Veranstalter, Redner und Versammelte auf allen Veranstaltungen wiesen jedoch darauf hin, dass diese Demonstrationen nicht alleine Solidaritätskundgebungen mit den Opfern rassistischer Polizeigewalt in den USA sind, sondern sich auch gegen strukturellen Rassismus in Deutschland richteten, der Migrantinnen und Migranten in diesem Land tagtäglich begleitet und sich in allen Lebenslagen durch Benachteiligungen vieler Art äußert.
Und auch in der Multi-Kulti-Stadt Frankfurt endet der Kontakt mit der Polizei für Menschen aus Afrika bisweilen tödlich: Vor neun Jahren wurde Christy Schwundeck in einem Frankfurter Jobcenter von einer Polizistin erschossen und schon am selben Abend wusste die Staatsanwaltschaft, dass der tödliche Schuss Notwehr war. Das selbst der Kollege der Polizistin diese nicht zu erkennen vermochte und entsprechend vor Gericht aussagte, hatte keine Auswirkung auf das Urteil: Die Täterin wurde freigesprochen.
Bisher waren es neben den betroffenen Menschen vor allem linke Gruppen, die gegen die deutschen Zustände auf die Straße gingen; so stellen die Demonstrationen am Wochenende vielleicht einen Wendepunkt dar, denn diese wurden überwiegend von Menschen getragen, die sich zuvor niemals auf diese Weise politisch betätigt haben. Und es muss betont werden, dass sich diese Menschenmassen nicht alleine aus den von Rassismus betroffenen Menschen zusammensetzten, sondern dass es gerade die Mehrheitsgesellschaft war, die sich an diesem Samstag in Frankfurt gegen Rassismus positionierte.
Zeitgleiche Kundgebung von AfD-Anhängern
Diese antirassistischen Demonstrationen stehen auch in deutlichem Kontrast zu den rechtslastigen Freiheits-Demos der Covidioten an den vorhergehenden Wochenenden mit mehreren Hundert Teilnehmern. Auch an diesem Samstag scharten sich etwa 30 verlorene Seelen um den Islamkritiker Zahid Khan, dessen Tochter Mary Khan (AfD) und den AfD-Völkischen Thomas Seitz, denen jedoch bis zu 600 Gegendemonstranten gegenüberstanden. Khan tritt für die „Abschaffung aller Sicherheitsmaßnahmen durch SARS-CoV-2“ ein, so der skurrile Titel seiner Online-Petition.
Während die Blut-und-Boden-Christin Heidi Mund, der Wichtigtuer Hajo Köhn und der Selbstdarsteller Zahid Kahn eine Verschwörung gegen die Freiheit der Deutschen herbei zu fantasieren versuchen, sind Afrikaner und Migranten in Deutschland tatsächlich von Eingriffen in ihre Freiheits- und Menschenrechte betroffen. Die Größenverhältnisse dieser gegensätzlichen Demonstrationen jedenfalls machen deutlich, wo die Menschen in Frankfurt die wirklichen Probleme der Gesellschaft sehen.
Es geht tatsächlich um elementare Grundrechte, um die menschliche Würde, die durch den strukturellen Rassismus angegriffen werden. Und es geht um die urdemokratische Forderung nach der Gleichheit vor dem Gesetz, die einem Teil der Bevölkerung diskret vorenthalten wird. Letztlich wird die bürgerliche Demokratie an ihrem eigenen Anspruch gemessen, den sie nicht zu erfüllen vermag.