Mehr als 300 Antifaschistinnen und Antifaschisten folgten am Freitag, 05. Juni 2020, nachmittags dem Aufruf des DGB und protestierten gemeinsam gegen die Attacken der faschistischen Identitären Bewegung (IB) auf das Stuttgarter Willy-Bleicher-Haus,Sitz des DGB, am letzten Samstag (30.Mai 2020).
DGB-Fahnen, Banner des Bundes der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) aber auch des antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart (aabs) oder der ver.di-Jugend bstimmten das Bild auf dem Gustav-Heinemann-Platz. Auch SÖS, die Linke, DKP und MLPD nahmen teil. Arbeit Zukunft verteilte den Flyer „Klare Kante gegen Rechte und Faschisten!“ (vgl. auch: https://www.arbeit-zukunft.de/2020/06/04/nazis-der-identitaeren-bewegung-ueberfallen-das-stuttgarter-gewerkschaftshaus-2/ )
Wir wiesen darin unter anderem darauf hin, dass der IB-Führer Martin Sellner in einem Propaganda-Video über den Schlag der IB prahlte, die Aktion (vom letzten Samstag!) werde nicht die letzte gewesen sein.
Dass das aber nicht so hingesprochen war, zeigt die Tatsache, dass IB-Leute am Morgen des Kundgebungstages schon wieder Plakate am DGB-Haus anbrachten.
Das wurde zwar erwähnt, aber der DGB ist seinen Millionen Mitglieder gegenüber verpflichtet, die Öffentlichleit über diesen erneuten Angriffsversuch genau zu informieren und Stellung zu nehmen, wie wir diese Angriffe zukünftig verhindern. Der erneute Vorfall beweist, dass die Gewerkschafterinnen, Gewerkschafter, Antifaschistinnen und Antifaschisten auf diese gewerkschaftsfeindlichen Nazi-Aktionen entschlossen und gemeinsam vorgehen müssen.
Am vergangenen Samstag beschuldige die IB in aggressiver Weise und ohne jeden Beweis den DGB, mitverantwortlich zu sein für einen tätlichen Übergriff auf rechte Betriebsräte im Umfeld einer Demonstration gegen Corona-Beschränkungen.
„Wir schießen nicht! Auf niemanden!“, stellte Martin Gross von ver.di klar. Roman Zitzelsberger (IG-Metall) rief in Erinnerung, dass am 2. Mai 1933 Gewerkschaftshäuser von den Nationalsozialisten besetzt worden seien. Auch wies er darauf hin, dass Willy Bleicher, der nach dem Krieg lange als Bezirksleiter die IG Metall Württemberg geführt habe, im KZ Buchenwald mit zehntausenden andern Widerstandskämpfern von den Nazis gefoltert wurde. Der Angriff auf das Willy-Bleicher-Haus sei eine tiefe Beleidigung aller Opfer des Nazi-Terrors. „Unsere Grundüberzeugungen sind den Rechtsextremen ein Dorn im Auge“, betonte Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg. Gleiche Rechte für alle Menschen, Solidarität – das seien die Werte, die die Identitären bekämpften.
Der Leiter der IG-Metall-Vertrauensleute im Daimler-Werk Untertürkheim, Jose-Miguel Revilla, sagte den Rechten und Nazis von Zentrum Automobil, mit deren spalterischen und hetzerischen Aktivitäten sie täglich im Werk konfrontiert sind, offen den Kampf an. Auch er erinnerte an Willy-Bleicher. Er mahnte, dieser sei von den Nazis bereits 1933 im Daimler-Werk Untertürkheim verhaftet worden und hätte bis zur Befreiung des KZ Buchenwald 1945 die Freiheit nicht wieder gesehen.
Die Kundgebung wurde von der großartigen Sängerin aus Soweto/Südafrika, Thabilé, und dem Gitarristen Steve Bimamisa umrahmt.
Einige kritische Anmerkungen:
1. Leider haben die DGB-Führer keine breite Mobilisierung möglich gemacht. Der endgültige Termin stand erst einen Tag vorher fest. Davor gab es Verhandlungen im exklusiven Kreis, ob man überhaupt etwas macht und was. Das Gewerkschaftshaus gehört aus unserer Sicht allen Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften. Ein Angriff auf das Gewerkschaftshaus ist auch ein Angriff auf jede Gewerkschafterin und jeden Gewerkschafter. Die Mobilisierung entsprach daher in keiner Weise der Bedeutung des Angriffs auf das Gewerkschaftshaus. Wir meinen, dass alle Kolleg/innen in den Schutz und die Verteidigung ihres Gewerkschaftshauses einbezogen werden müssen. Die Beschränkung von Aktionen auf einen exklusiven Kreis gehört zu den schlechten „Traditionen“ in der fortschrittlichen Bewegung in Stuttgart. Das schwächt den Kampf!
2. Die DGB-Führer haben wie ein Mantra wiederholt, dass sie auf dem Grundgesetz stehen und jede Gewalt ablehnen. Nun heißt das Gewerkschaftshaus in Stuttgart Willi-Bleicher-Haus. Willi Bleicher war als Kommunist im KZ Buchenwald. Bekanntlich haben sich die Häftlinge in Buchenwald mit Waffengewalt selbst befreit. Sie haben ihre SS-Schergen mit vorgehaltenen Pistolen und Gewehren, die sich illegal besorgt oder gar selbst gebaut hatten, entwaffnet und gefangen genommen. Als die amerikanischen Truppen in Buchenwald eintrafen, waren sie überrascht, ein befreites KZ vorzufinden. Das Beispiel Willi Bleichers zeigt, dass gerade im Kampf gegen Nazis Gewalt möglich und gerechtfertigt sein kann. Aus unserer Sicht ist es aktuell nicht sinnvoll, Aktionen wie gegen den BR von Zentrum Automobil zu machen. Aber es ist auch nicht sinnvoll, Gewalt, wie sie auch Willi Bleicher im Kampf für die Befreiung vom Faschismus angewendet hat, generell zu verurteilen.