Brief aus Huntsville, Alabama: Minuten nachdem der Bürgermeister für ein Foto in die Knie gegangen ist, griff uns die Polizei an

Übersetzung von The Red Phoenix, Zeitung der Partei der Arbeit USA (https://theredphoenixapl.org/2020/06/02/letter-from-huntsville-alabama-minutes-after-mayor-kneeling-photo-op-the-police-attacked-us/)

Nach den Protesten am Wochenende versammelten sich am Montag erneut mehr als tausend Menschen. Die Polizei griff die friedlichen Demonstranten ohne Grund an. Hier der Bericht.

Von Xiao Long

Ich war fast die ganze Zeit dort; die Demonstration begann um 15 Uhr und ich war um etwa 15:15 Uhr da. Zuerst sprachen vier oder fünf Redner und danach begann ein gut organisierter Demonstrationszug durch unsere Innenstadt. Es waren wahrscheinlich etwas mehr als tausend Menschen, die offizielle Teilnehmerzahl habe ich noch nicht nachgeschaut.

Um etwa 18 Uhr sagten uns die Organisatoren, dass die Veranstaltung beendet sei, weil die Zeit vorüber ist, und dass am kommenden Mittwoch eine weitere Demonstration veranstaltet wird, zu der wir kommen sollten. Aber die Leute blieben weiter vor dem Gerichtsgebäude stehen, direkt vor dem Denkmal der Konföderierten. Diese ganze Demonstration bestand aus nichts anderem als Menschen, die Sprechchöre riefen. Gelegentlich riefen wir den Bullen zu, sie sollen sich hinknien, um so ihren Respekt zu zeigen. Persönlich denke ich, es wäre für die Bullen nur Show gewesen, um die Leute zu beruhigen, aber trotzdem wäre es das Einfachste gewesen, etwas Menschlichkeit und Respekt zu zeigen. Doch die Bullen blieben einfach stehen. Sie waren noch nicht einmal zur einfachsten Geste willens, uns zu zeigen, dass auch sie mit dem Mord an George Floyd nicht einverstanden sind – und das machte die Leute nur noch wütender. Ganz ehrlich, wenn sie diese einfache Geste gezeigt hätten, ich glaube, die Leute wären danach einfach gegangen.

Nach einer Weile erschien dann Bürgermeister Tommy Battle. Zuerst sah es so aus, als sei er sogar auf unserer Seite, aber er ist eine Schlange. Er kniete (bei donnerndem Applaus) für etwa zwei, drei Minuten, und stand dann wieder auf. Für ihn war das nur ein Fototermin, nicht mehr. Nachdem er noch eine paar Minuten vor uns stand und so tat, als wolle er einige leere Worte an uns richten, wie „er fühle unseren Schmerz“ oder „demonstriert so lange ihr wollt“, sahen wir die Bereitschaftspolizei aufmarschieren und Bürgermeister Tommy Battle verdrückte sich. Sein Kommen war nur ein abscheuliche Zurschaustellung falschen Mitgefühls.

Wir blieben noch und riefen weiter unsere Parolen, bis die Polizei genug hatte. Auch wenn ich für meinen Teil niemals Randale oder Gewalt während dieser Proteste verurteilen würde, da ich sie als vollkommen gerechtfertigt halte, halte ich es für wichtig zu erwähnen, dass es unsererseits während der ganzen Demonstration zu keiner Gewalt gekommen ist. Nicht ein bisschen! Es ist wichtig das zu sagen, weil es die Polizei war, die sich dazu entschlossen hatte, uns von den Treppen vor dem Gericht zu vertreiben. Irgendwann begannen wir, unsere Arme unterzuhaken, damit wir nicht weggeschoben werden konnten, als ein Bulle mir gegen den Hals schlug. Dann, als sie uns ein wenig zurückgedrängt hatten, warfen sie eine Rauchbombe. Uns beeindruckte das wenig und wir fragten weiter, warum sie das täten und das wir nichts getan haben.

Schließlich warfen sie eine Tränengasgranate. Die trat ich zurück in ihre Richtung und einer von Ihnen richtet seine Schrotflinte auf mich. Zum Glück schoss er nicht, aber ich war vollgepumpt mit Adrenalin, weil ich glaubte, gleich von einem Gummigeschoss getroffen zu werden. Die Tränengasgranate flog wieder in unsere Reihen zurück und mein Partner trat sie wieder zurück zu ihnen, doch schließlich war das Tränengas zu viel für mich und ich zog mich zurück.

Eine kleinere Gruppe von uns blieb zusammen und wurde ein Stück weit die Straße heruntergetrieben. Wir haben geglaubt, dass würde den Bullen reichen, aber wir haben uns geirrt. Bald waren sie wieder über uns, diesmal mit diesen großen Pfeffersprayflaschen. Ich hatte Glück und wurde nicht getroffen, doch ein Mann neben mir wurde regelrecht damit übergossen. Ich erwähne es hier erneut, dass wir nichts getan haben, was die Polizei hätte provozieren können.

Hier endete die Sache für mich, doch das Sahnehäubchen sollte noch kommen. Wie sie uns mit aller Gewalt auffordern zu gehen, riefen eine Menge Leute, dass ihre Autos genau dort stünden, von wo sie gerade vertrieben wurden. Worauf die Bullen antworteten: „Schöne Scheiße für euch, jetzt müsst ihr wohl morgen wiederkommen!“ So waren die Leute regelrecht gestrandet.

Einmal fragte ich einen der Polizisten: „Ganz ehrlich, wenn wir während einer vollkommen friedlichen Demonstration plötzlich eine Tränengasgranate auf sie geworfen hätten, was hätten sie dann getan?“ Darauf antwortet der: „Ich bin mir nicht sicher, wie ich das beantwortet soll“, was totaler Blödsinn ist. Er weiß so gut wie ich, dass sie uns mit allem, was sie haben, angegriffen hätten, wenn wir sie mit Tränengas oder Pfefferspray angegriffen hätten. Es ist wirklich vollkommene Heuchelei.