Gedanken zur „Heinsberg-Studie“
Die Wirtschaft soll endlich wieder auf Schwung kommen, das Corona-Virus hat zu einer Marktbereinigung beigetragen, etliche leistungsschwache Unternehmen sind auf der Strecke geblieben, um die dadurch frei gewordenen „ökonomischen Nischen“ setzt der Kampf ein; wer zuerst kommt, mahlt zuerst, Da macht – wie wir alle den Medien entnehmen können – die Wirtschaft der Politik gerade richtig Druck.
Es gibt da aber zwei Klippen, die beseitigt bzw. umschifft werden müssen:
1. die Gefährlichkeit des Virus und 2. die hohe Todeszahl unter den Infizierten. Wir beziehen uns im Folgenden hauptsächlich auf die Angaben für Deutschland, denken am Schluss aber auch weltweit…
Brauchbar für die zum Profit machen gezwungenen Kapitalisten sind da die Veröffentlichungen des Teams um den Virologen Prof. Hendrik Streeck. aus Bonn. Danach ist alles gar nicht so schlimm… Nach einer zunächst vorläufigen Auswertung der in der Gemeinde Gangelt im Kreis Heinsberg bei Aachen gemachten Untersuchungen kommt er zu dem Ergebnis, dass die Todesrate unter den Corona-Infizierten nur bei 0,37 % liegt, während sowohl das Robert-Koch-Institut (RKI) als auch die John-Hopkins-Universität (JHU) zum selben Zeitpunkt etwa 4 % angeben – er sieht ein Verhältnis von 1 : 15 bei den etwa 1000 Untersuchten in Gangelt und vermutet, die Todesgefahr läge in Deutschland nur 1/10 so groß wie angenommen.
Wir erleben gerade, wie die Wirtschaft über diese „Heinsberg-Studie“ jubelt und sofortige Lockerungen fordert – über wie viele Leichen ist sie dabei bereit, zu gehen? Gewerkschaften unterstützen das, viele Kolleginnen und Kollegen sind froh, wenn sie wieder arbeiten können und ihre Familien ernähren können – doch mit welchen Folgen? Für Deutschland hält es Prof. Streeck für möglich, dass im Durchschnitt die Todesgefahr für Infizierte zehnmal geringer ist als vom RKI bzw. der JHU angegeben – also los, worauf warten wir noch? Ran an die Arbeit!
Von wegen! Es gibt solche und solche Wissenschaftler … Was wurde da eigentlich untersucht? Die Bonner untersuchten Corona-Infizierte, also Menschen, die das Virus in sich trugen, auch diejenigen, die nicht erkrankt waren. Das RKI und die JHU dagegen untersuchten zumindest hauptsächlich Menschen mit Krankheitssymptomen, also Erkrankte. Es wurden also zwei unterschiedliche Menschengruppen untersucht und das bedeutet, dass die Prozentangaben nicht mit einander verglichen werden können, sondern 4 % Todesopfer unter den Erkrankten sind in Bezug auf die Gesamtzahl der Infizierten nur 0,37 %.
Was man allerdings offenbar aussagen kann, ist, dass von 10 oder gar von 15 Infizierten nur einer erkrankt. Das würde auch bedeuten, dass der Körper der übrigen 9 bzw. 14 Infizierten mit dem Erreger fertig wird und die Krankheit nicht ausbricht (er könnte aber möglicherweise andere infizieren) . Dafür die Ursache(n) herauszufinden – das ist eine wichtige Aufgabe der Wissenschaft – und bis das nicht herausgefunden ist, sollte weiterhin gelten: „Maschinen stopp!“ Für das Überleben der Menschen notwendige Arbeiten müssen natürlich durchgeführt werden und den anderen „stornierten“ Menschen die soziale Sicherheit gegeben werden. (Aber wo bleibt da der Profit ?)
Covid 19 ist ein neues Virus, über dessen Eigenschaften noch kaum etwas bekannt ist. In Deutschland starben innerhalb von zwei Monaten etwa 6.000 Menschen daran. Die Zahlen sind ungenau, weil nicht alle Todesfälle auf Corona untersucht wurden oder weil in einer Reihe von Todesfällen Corona als Ursache angegeben wurde, weil bei den an einer anderen Krankheit Gestorbenen auch dieses Virus gefunden wurde. Das spielt für uns hier keine Rolle, wichtig ist: es sind keine „statistischen“ Toten, sondern reale Menschen, ihr Todesdatum ist bekannt, ihr Name usw. Für die Zahl 6.000 spielt es keine Rolle, ob es 4 Prozent sind oder nur 0,37 Prozent und den betroffenen Menschen hilft diese statistische Spielerei auch nicht mehr… Die weitere Zunahme der realen Todeszahl zu senken und möglichst zu stoppen – das ist die Aufgabe der Wissenschaft und der Politik, aber offenbar nicht der Wirtschaft.
Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass Menschen in unterschiedlichen Gebieten unterschiedlich auf Krankheitserreger bzw. Seuchen reagieren. So gibt es in den Tropen Krankheiten, die für Europäer viel gefährlicher sind als für die einheimische Bevölkerung – die ist im Laufe der Zeit mehr oder weniger immun geworden. (Entsprechendes gilt natürlich auch für europäischen Krankheiten, die in andere Kontinente eingeschleppt wurden, einige sogar absichtlich, als eine Art Biowaffe). Wir nennen hier als Beispiel die Pest. Sie hat Europa zweimal heimgesucht und jedes mal einen Großteil der Bevölkerung ausgelöscht. Sie stammt aus Ostasien. Bei Untersuchungen der Blutgruppen des Menschen hat man festgestellt, dass es die Gruppen A, B und Null (O) gibt. Von Polen bis über Japan hinaus haben die meisten Menschen die Blutgruppe B – der Grund ist, dass Menschen mit B mehr Abwehrkräfte gegen den Pesterreger haben als Menschen mit anderen Blutgruppen – also haben mehr von ihnen überlebt.
Etwas Entsprechendes könnte es ja jetzt beim Corona-Virus auch geben. Bisherige (wenige) Forschungsergebnisse zeigen z.B. dass in einem Land mit einem Medikament gegen Ebola die Corona-Patienten anders reagierten als in einem anderen Land. Hier muss geforscht werden, das ist kein aussichtsloser Kampf, aber er wird wohl hart sein. Wie lange er dauern wird, weiß niemand, und wir werden noch auf Einiges verzichten müssen – und gewisse Herrschaften müssen wir dazu zwingen! Und sorgen wir dafür, dass aus wissenschaftlichen Forschungen die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Es ist nicht „unsre Wirtschaft“ und nicht „unser Wohlstand“, der durch leichtfertige, auf zweifelhaften wissenschaftlichen Ergebnissen beruhende „Lockerungen“ verteidigt werden soll.
Die wirken sich z.B dann auch international aus und werden vor allem die Menschen in den unterentwickelt gehaltenen Ländern treffen. Deren Gesundheitssystem ist seit Jahrhunderten marode, Hunger und Elend sind an der Tagesordnung – wie wird ein aus den Ländern der Nordhalbkugel eingeschleppter Virus diese Menschen treffen? Die haben dann als Flüchtlinge nicht einmal die Chance, im Mittelmeer zu ersaufen…
M.