Verbraucher gegen Bauern? Bauern gegen Verbraucher? Oder gemeinsam gegen das Kapital?


Bauernprotest am 18.2.20 in Berlin, Foto:
Fabian Melber/www.wir-haben-es-satt.de

In der derzeitigen Diskussion um Umweltschutz, Glyphosat, Bienensterben, Billigfleisch usw. wird von interessierter Seite gern der Schwarze Peter hin und her geschoben. Der Bauernverband klagt die Verbraucher an, sie würden in der Mehrzahl nur die billigsten Lebensmittel verlangen. Grüne und einige Umweltverbände blasen in das gleiche Horn, klagen aber zugleich die Bauern an, diese würden mit Massentierhaltung und Gifteinsatz die Umwelt ruinieren.

Doch wie ist die Realität?

Verbraucher?

Den „Verbraucher“ gibt es nicht. Denn die Möglichkeiten sind je nach sozialer Klasse vollkommen verschieden. Ein Hartz IV-Bezieher kann sich nur billigste Lebensmittel leisten. Er unterliegt einem ökonomischen Zwang. Auch viele Leiharbeiter, Zeitarbeiter, Befristete und andere prekär Beschäftigte haben gar nicht die ökonomische Kraft, höherwertige bzw. teurere Lebensmittel zu kaufen. Sie müssen sehen, wie sie mit ihrer Familie über die Runden kommen. Bei steigenden Mieten bleibt auch immer weniger für den „Konsum“, also auch für Lebensmittel. Von den Rentnern haben mittlerweile über 50% unter 900 € Rente. Wie soll man sich damit Bio-Lebensmittel leisten können?

Es ist also klar, dass immer größere Teile der Bevölkerung aufgrund ihrer Klassenlage billigste Lebensmittel aus Notwendigkeit, aus ökonomischem Zwang heraus kaufen müssen. Sie können es sich nicht leisten, mehr für Lebensmittel auszugeben.

Natürlich gibt es dann so genannte „Besserverdienende“ bei Arbeitern und Angestellten, die sich durchaus etwas mehr leisten können. Ihr Anteil nimmt tendenziell ab. Hinzu kommt, dass diese Gruppe einem zunehmenden Arbeitsdruck unterliegt. Es wird immer mehr Leistung gefordert. Die Arbeit wird ständig verdichtet. Viele dieser Gruppe leben mit einem ungeheuren Stress. Sie sind ausgepumpt, wenn sie aus der Arbeit kommen. Auch hier gibt es Zwänge. Durch die ungeheure Ausquetschung der Arbeitskraft leben viele dieser Menschen von schnell zubereiteter Fertignahrung. Sie haben dann gar nicht mehr die Nerven, langwierig „gesundes“ Essen einzukaufen und zu kochen. Sie haben zwar Geld, aber ihnen fehlt es an Zeit und Energie, was sie beides in der Arbeit opfern.

Nur ein verschwindend kleiner Teil in unserer Gesellschaft hat sowohl Zeit als auch Geld, um hochwertige Lebensmittel einzukaufen und diese auch hochwertig und gesund zuzubereiten.

Wenn man von diesen Zwängen abstrahiert, kann man natürlich leicht mit dem Finger auf „die Verbraucher“ zeigen und sie anklagen, dass sie Billignahrungsmittel kaufen und sich ungesund ernähren.

Karl Marx schrieb in „Lohn, Preis und Profit“, der Wert der Ware Arbeitskraft bestimme sich nach den Kosten zur Erhaltung und Reproduktion des Arbeiters. „Eine gewisse Menge Lebensmittel muss ein Mensch konsumieren, um aufzuwachsen und sich am Leben zu erhalten.“ (MEW 16, S.131) Dazu kommen die Lebensmittel (Nahrung, Wohnung, Transport, Erziehung, Bildung, Gesundheit usw.), die für die nächste Generation Arbeiter bzw. Angestellter notwendig sind. Je billiger daher Nahrungsmittel sind, umso niedriger kann das Kapital die Löhne und Gehälter und erst recht Renten und Sozialleistungen ansetzen. Es reicht dann ja immer noch.

Es gibt also nicht „den Verbraucher“, sondern das ist eine Frage der Klasse, der Klassenlage. Damit wollen sich aber die „Verbraucherkritiker“ nicht beschäftigen. Denn dann müssten sie ja eingestehen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben. Mit der Schuldzuweisung an „die Verbraucher“ bringt man das Kapital aus der Schusslinie. Gerade die Grünen, aber auch SPD, CDU und FDP betreiben dieses demagogische Geschäft. Sie wollen das Kapital schützen.

Bauern?

Auch „die Bauern“ gibt es nicht. Es gibt eine starke Differenzierung von Agrarfabriken bis hin zum kleinen Hof, der von den Eltern übernommen und nur mühsam über Wasser gehalten wird. Es gibt daher auch keine gemeinsamen Interessen „der Bauern“. Die Agrarfabriken gehören großen Agrarkonzernen und die wiederum reichen „Anlegern“ und Kapitalgruppen. Aber auch viele Kleinbauern sind nur formal „selbstständig“. Faktisch aber gehören ihre Höfe, ihr Land und Vieh, ihre technischen Anlagen dem Kapital, vor allem den Bankmonopolen. Sie haben für ständig neue Investitionen, zu denen sie gezwungen werden, hohe bis höchste Schulden bei den Banken. Viele sind irgendwann überschuldet. Wenn sie investieren wollen, entscheidet ihre Bank, ob das geht oder ob sie den Hof aufgeben müssen. Oft bleibt dann nur die Zwangsversteigerung, um die Schulden bei der Bank zu begleichen. Gerade ihr Land landet nicht selten in der weltweit immer dreisteren Bodenspekulation, die Teile des Finanzkapitals ohne jedes Interesse an einer irgendwie ökologischen und auf Versorgung von Menschen ausgerichteten Landwirtschaft machen, die nur Spekulationsprofit durch Aufkauf und Weiterverkauf realisieren wollen – mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur. Die kleinen Bauern sind daher in ihren Entscheidungen gar nicht frei. Auch sie stehen wie viele Verbraucher unter extremem ökonomischen Zwang!


Die Bundschuhfahne – revolutionäres Zeichen der aufständischen Bauern, 1525, gemeinfrei.

Hinzu kommt der ökonomische Druck durch die Internationalisierung der Agrarproduktion, die zielstrebig von den großen Agrar- und Lebensmittelkonzernen betrieben wird. Beispiel Fleisch: Rindfleisch wird aus Brasilien und Argentinien importiert. Hiesige Bauern müssen einen dementsprechend niedrigen Preis bieten. Und wenn sie nicht mit den internationalen Billigpreisen mithalten können, dann gehen sie pleite. Das kapitalistische System ist da gnadenlos. Genauso ist es bei Obst und Gemüse. Erdbeeren kommen aus Chile, Argentinien, Marokko, Spanien usw. zu Preisen, mit denen hiesige Bauern nicht mithalten können. Die vier großen Lebensmittelketten Edeka, Rewe, Aldi, Lidl beherrschen den Markt. 85% der Agrarprodukte werden über diese vier Konzerne vermarktet. Das bedeutet, sie diktieren in brutalen Verhandlungen den Preis und feilschen um jeden Cent.

Die großen Agrarfabriken arbeiten Hand in Hand mit den großen Agrarkonzernen, Handelsketten und den Banken. Jeder ruinierte kleine Bauer erweitert ihren Absatzmarkt.

So stecken vor allem die kleinen Bauern in einer doppelten Falle. Auf der einen Seite sind sie abhängig von der Bank, die ihnen diktiert, was sie tun oder lassen müssen. Auf der anderen Seite stehen die großen Agrarkonzerne und Lebensmittelhändler, die ihnen Preise diktieren, egal ob sie davon leben können oder nicht.

Verstärkt wird das über die EU und immer neue Vorschriften und Auflagen, die die Bauern zu immer neuen Investitionen zwingen, um ihren Hof überhaupt weiter betreiben zu können. Das bedeutet jedes mal einen Gang zur Bank, um die Investitionen genehmigt zu bekommen. Dann prüft der Bankberater, ob der Betrieb noch „lebensfähig“ ist. Je nach Prüfergebnis hebt oder senkt sich der Daumen. Die EU hat massiv die Bildung großer und größter Einheiten gefördert und damit viele Bauern in den Ruin getrieben. Daher schimpft z.B. die AfD auf die EU. Wer aber steckt hinter der EU? Es sind wieder die Interessen des Agrarkapitals und der Banken. Die haben ihre Lobbyisten in Brüssel. Die haben Macht und Einfluss. Und die Bundesregierung, die Agrarminister können sich dann praktischerweise noch hinter der EU verstecken und sich als unschuldig hinstellen. Mit ihrem Geschimpfe auf „Brüssel“ verschont die AfD gerade die wahren Gegner der Bauern: Die großen Agrarkonzerne, Handelsketten und Banken. Sie lenkt die Wut auf einen entfernten Feind. Sie verschleiert, dass auch in der EU die Interessen des Kapitals regieren.

Wenn die Grünen und andere mit dem Finger auf die Bauern zeigen, so beachten sie die ökonomische Zwangslage der kleinen Bauern nicht. Sie machen es sich leicht, „den Bauern“ die Schuld zuzuschieben. Auch damit verschleiern sie die Klassenfrage bei den Bauern. Da gibt es die Agrarkonzerne, die von der gegenwärtigen Lage profitieren – und die große Masse der kleinen und mittleren Bauern, die ständig um ihr Überleben kämpfen und keine Sicherheit kennen.

Bauern könnten ihre Wirtschaftsweise z.B. auf Bio umstellen, wenn damit soziale Sicherheit verbunden wäre. Viele Bauern wünschen sich feste, einkömmliche Erzeugerpreise, damit sie planen und in Sicherheit leben können. Oft fordern sie wenigstens eine Preisuntergrenze, die ihnen ihre Existenz garantiert. Aber im Kapitalismus gibt es eine solche Sicherheit nicht. Da regiert der Markt und damit der Stärkste: das Großkapital. Dementsprechend war auch die Reaktion von Bundesagrarministerin Julia Klöckner und Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU. Sie spielen sich zwar als Kämpfer für die Bauern auf. Eine Preisuntergrenze lehnen sie aber strikt ab. Stattdessen findet Klöckner die Preise für die Verbraucher „unanständig“. Die niedrigen Preise erklärt sie zur Ursache. „Am Ende badet das der Erzeuger aus, dem immer weniger bleibt.“ Sie will also „Erzeuger“ und „Verbraucher“ gegeneinander aufhetzen, während sie an die großen Handelsmonopole appelliert, die Preise zu erhöhen.

Höhere Verbraucherpreise zu fordern, spielt den Profiten „der Großen“ in die Hände!

Aber kämen höhere Preise im Supermarkt bzw. im Handel bei den Bauern an? Überhaupt nicht! Wenn die Menschen in den Supermärkten mehr zahlen müssten, erhielten die Bauern deshalb noch lange nicht (schon gar nicht automatisch) mehr für ihre Produkte. Ihre Preise werden erstens am Markt gebildet. Welche Preise Edeka, Rewe, LIDL, Aldi usw. fordern können, wird auch nicht allein von ihnen entschieden, sondern am anonymen Markt. Fleisch aus Argentinien oder Brasilien ist halt immer billiger. Die Herstellungskosten sind dort dank Großwirtschaft und niedrigster Löhne für arme Landarbeiter deutlich geringer. Das Gerede von höheren Verbraucherpreisen ist deshalb oft illusionär und täuschend! Zweitens bedeutete die Tatsache, dass die Handelskonzerne rsp. Händler tatsächlich einmal höhere Preise durchsetzten, dass zunächst nur mehr in deren Kassen landet. Es gibt kein Gesetz, das sie zwänge, das schöne Geld an die Produzenten, also an die Bauern weiterzugeben. Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte wissen, dass auch sie nichts davon haben, wenn „ihre Kapitalisten“ am Markt es schaffen, eine Preiserhöhung für ihre Waren durchzusetzen. Warum sollte es den kleinen Bauern – gerade mit ihrer geringen Marktmacht – also besser ergehen?

Arbeiter, Angestellte und Bauern – gemeinsam gegen das Kapital!

Die Hetze bei den Verbrauchern gegen die Bauern und bei den Bauern gegen die Verbraucher dient nur der Spaltung und Schwächung des Kampfes gegen die wahren Verursacher: Die großen Konzerne. Relevant sind deshalb gerade die Forderungen der kleineren und mittleren Bauern ausdrücklich nach höheren Preisen für sie – also nach höheren, nach garantierten, nach Mindest-Herstellerpreisen, nach höheren Preisen ab Hof, ab Herstellerbetrieb und von den Handelsriesen bzw. Weiterverarbeitern.

Die Forderungen der Bauern nach Fest- oder Mindestpreisen gehen in Richtung Planwirtschaft und Sozialismus. Deshalb sind sie beim großen Kapital verhasst. Und es fehlt auch nicht an Versuchen dieser Kräfte, einen entschiedenen Kampf der Bauern dafür zu unterdrücken. Für das bürgerliche Recht sind Bauernhöfe Einzelfirmen, für die es kein gewerkschaftliches Koalitionsrecht geben dürfe, so die Großen des Kapitals. Gegen die ziemlich militanten bäuerliche Kampfmaßnahmen im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends für höhere Milchpreise forderten bürgerliche Parteien, besonders die FDP sogar Verbote!

Bäuerliche Forderungen nach besseren Herstellerpreisen stimmen deshalb mit den Interessen der arbeitenden Menschen, der Arbeiter sowie der unteren und mittleren Angestellten überein. Denn auch die haben Interesse an einer guten, gesicherten und preiswerten Versorgung. Wie labil die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist, zeigt sich gerade beim Corona-Virus. Versorgungsketten brechen zusammen. Auf der Jagd nach Höchstprofiten haben sie sich die ganze Welt untergeordnet. Dabei zerstören sie die Natur, das Klima, aber auch zahllose Menschen. Mit Kriegen kämpfen sie um die Neuaufteilung der Welt unter den konkurrierenden Großmächten. Elend für Milliarden ist das Ergebnis.

Die Bauernfrage ist ein Teil des Kampfes gegen dieses unmenschliche System. Die kleinen und mittleren Bauern haben die gleichen Interessen wie die Arbeiter, die unteren und mittleren Angestellten, die Rentner, die Jugend. Sie wollen eine intakte Natur und Umweltschutz. Sie wollen hochwertige Lebensmittel. Sie wollen gemeinsam eine Gesellschaft, wo sie in Ruhe und Sicherheit leben können und ihre Existenz gesichert ist. Diese gemeinsamen Interessen richten sich gegen die großen Konzerne und die Banken, die in ihrem Streben nach Höchstprofit Billigfraß für arbeitende Menschen brauchen und dabei keine Rücksicht auf Mensch und Natur nehmen. Die Bauernfrage ist eine Klassenfrage. Kleine und mittlere Bauern sind Bündnispartner der Arbeiter sowie der unteren und mittleren Angestellten in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus!

Da aber hier nichts automatisch „funktioniert“, da gerade die Bauern immer wieder das Ziel der Pro-Kapital-Propaganda der bürgerlichen Parteien, speziell der AfD, der CDU und der FDP sind, müssen Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellte und deren kommunistische Organisation den aktiven Kampf gegen den Einfluss dieser Kräfte der Reaktion um dieses Bündnis führen. Auch die weitverbreitete Ignoranz vieler Linker gegenüber den Interessen der kleinen und mittleren Bauern muss ein Ende haben.

Arbeiter, Angestellte und Bauern – gemeinsam gegen das Kapital!