Karikatur von 1890: Japan, USA, Frankreich, England, Russland und Deutschland bereiten den Krieg um Märkte und Einflußzonen vor!
Französische Armee, raus aus Afrika!
Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, Dezember 2019
Anfang 2013 begann die Operation Serval. Eigentlich sollten die in großer Zahl in Mali gelandeten französischen Soldaten den Norden des Landes von dschihadistischen Gruppen befreien und verhindern, dass sie zur Hauptstadt Bamako vordringen. Sieben Jahre später ist die Lage katastrophal. Der Norden Malis ist ein Kriegsgebiet, in dem der malische Staat völlig verschwunden ist. Auf sich selbst gestellt ist die Bevölkerung völlig mittellos, ohne Schule, ohne medizinische Versorgung, ohne Verwaltung… Kein Monat vergeht, ohne dass die Liste der bei Attentaten oder terroristischen Angriffen getöteten Zivilisten und Soldaten wächst – nicht nur in Mali, sondern auch in den Nachbarländern, besonders in Niger und Burkina Faso! Die malische Armee muss endlose Verluste hinnehmen – ohne jedes Ergebnis. Bei dschihadistischen Angriffen werden ihre Waffen erbeutet. Ihre Generäle und höheren Offiziere, schon immer wegen ihrer Sorglosigkeit und Korruptheit in der Kritik, sind es mehr denn je. Auch die Präsenz Frankreichs, der ehemaligen Kolonialmacht, wird in der Bevölkerung mehr und mehr kritisiert. In diesen Kontext platzte am 25. November 2019 die Nachricht vom Tod der13 französischen Soldaten, die beim Zusammenstoß eines Kampfhubschraubers mit einem Truppentransporter während einer Gefechtsoperation gegen die Dschihadisten starben.
„Gestorben für Frankreich“… in Mali?
Wie üblich wollte die französische Obrigkeit hier ein Moment großer nationaler Gemeinsamkeit inszenieren, unter Nutzung der Propagandalüge des „im Kampf für Frankreich gefallenen“ Soldaten. Um die angebliche Vaterlandsverteidigung zu rechtfertigen – in einer ehemaligen Kolonie, mehrere tausend Kilometer entfernt von heimatlichem Territorium, sah sich Macron in seiner Rede am 2. Dezember 2019 im Invalidendom zu der Ergänzung genötigt: „zum Schutz der Völker des Sahel, für die Sicherheit ihrer Bürger und für die Freiheit der Welt“.
Einführung des SNU (allgemeine Dienstpflicht ab 16 Jahren), von Verteidigungsklassen, „nationale Ehrung“ für Soldaten, die bei Operationen im Ausland fielen, Einladung von Schulklassen zu der Zeremonie im Invalidendom… alles soll dazu dienen, „das ganze Land“ „an der Seite der Armee, der ganzen Militär- und Verteidigungsgemeinschaft“ zu mobilisieren.
Mit begrenztem Erfolg. Die reale gesellschaftliche und politische Konfrontation mit den Streiks und Demonstrationen gegen die Rentenreform auf einem Höhepunkt, kann nicht länger unter den Teppich gekehrt werden, genauso wenig, wie die um sich greifenden, bohrenden Fragen, was Frankreich eigentlich in der Sahel-Zone treibt.
Wohin geht die Sahel-Zone?
„Aber wohin geht die Sahel-Zone?“- diese Frage stellt ein alter Hase in Sachen Auslandseinsätze, General Clément-Bollée, Ex-Kommandeur der französischen Streitkräfte im Indischen Ozean, Ex-Befehlshaber der gemeinsamen Streitkräfte während der Operation „Licorne“ in Côte d‘Ivoire (Elfenbeinküste – 2007/2008), in einem Kommentar in Le Monde. Er betont „unmissverständlich“: „Auf dem Gebiet der Sicherheit ist die gewachsene Macht der Dschihadisten unleugbare Realität. Heute bestimmen sie vor Ort über den Zeitpunkt, den Ort und die Form des Kampfes. Die sie bekämpfenden nationalen und internationalen Truppen können sich, obwohl an Zahl überlegen, nicht aus ihrer Haltung des Reagierens befreien. Die offiziellen Verlautbarungen verschleiern die Tatsache, das die Lage im Feld nicht mehr zu beherrschen ist.“
Nach dem Tod der 13 Soldaten ist die Frage des Für und Wider der französischen Intervention in Mali in zurück in der politischen Debatte. In der Nationalversammlung war sie Gegenstand einer Anfrage der Abgeordneten von „la France insoumise“ an die Regierung. Sie forderten die Eröffnung einer „ernsthaften und rationelle Diskussion…, um Wege zum Ausstieg aus einem Krieg zu finden, dessen Sinn sich zunehmend vielen unserer Bürger und vielen Bürgern Malis nicht mehr erschließt“.
„Frankreich Raus!“
In dem Maße, wie sich die Sicherheitslage verschlechtert, wächst in Mali die Wut. Die Demonstrationen nehmen zu – mit stets wiederholten Parolen: „Weg mit IBK *! Frankreich Raus!“ Auch in Burkina wurde anlässlich der antiimperialistischen Tage Mitte Oktober in Ouagadougou die Forderung nach Abzug der imperialistischen Armeen aufgegriffen, die als Besatzungsarmeen angesehen werden. Sie traf auf ein Echo in der Presse Burkina Fasos wie nie zuvor, aber auch in der internationalen Presse einschließlich der französischen.
Beunruhigt durch die wachsende Kritik der afrikanischen Völker, eilig bemüht, die Zweifel einzudämmen, die selbst in einer Armee Gehör finden, die sich festgefahren hat, gezwungen, sich den Fragen zu stellen, die in die politische Debatte zurückkehren, erteilt Macron zunächst einmal dem Generalstabschef der Armee selbst, General Lecointre, das Wort. Dieser dementierte zunächst, dass Schüsse der Dschihadisten das Hubschrauberunglück vom 25. Nov. verursacht hätten. Dann verwahrte er sich heftig gegen die Kritik, die französische Präsenz im Sahel sei nicht zu rechtfertigen: „Ich halte diese Gerüchte nicht mehr aus. Die französischen Truppen sind in Mali, um die Stabilität wiederherzustellen. (…) Die Vorstellung, dass wir wegen der Reichtümer dort sind, ist beleidigend“ . Dann kam Edouard Philippe dran. Vor der Nationalversammlung wiederholte der Premierminister die alte offizielle Version, nach der „Frankreich in Mali für Frankreich kämpft, um dort seine eigene Sicherheit zu verteidigen und um die der befreundeten, verbündeten und Partnerstaaten zu garantieren“. Aber er musste halbherzig zugeben, dass der militärischen Einsatz eine Sackgasse ist. Er sei „notwendig, aber ungenügend“. Das Problem ist, dass „die Arbeit der politischen Stabilisierung und wirtschaftlichen Entwicklung“, die immer wieder herhalten muss als notwendige Ergänzung der militärischen Aktionen, keine Chance auf Erfolg hat, solange die Ausplünderung der Länder und die Mechanismen imperialistischer Herrschaft fortdauern.
Der französische Imperialismus ist isoliert
Edouard Philippe bekräftigte lautstark: „Frankreich steht nicht allein“. Aber er musste diplomatisch die mangelhafte Beteiligung „anderer Nationen“ beklagen, besonders der „Staaten der Europäischen Union“. Beim Nato-Gipfel wiederholte Macron die Forderung nach einem „größeren Engagement der Verbündeten im Sahel“. Aber der französische Imperialismus ist keinesfalls in einer Position der Stärke. Merkel hat im Bundestag zur Aufhebung der deutschen Restriktionen beim Verkauf von Waffen an die afrikanischen Länder aufgerufen. Für Deutschland steht nicht zur Debatte, den französischen Imperialismus die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen. Denn In Berlin wurde im November 2019 im Rahmen des Projekts „Compact with Afrika“ (Pakt mit Afrika) eine Konferenz mit 12 afrikanischen Ländern abgehalten, die vor 2 Jahren ins Leben gerufen wurde, um deutsche Investitionen in Afrika zu voranzubringen**. Es fehlt dort nicht an Konkurrenten. Übrigens besteht eines der Argumente, die von der deutschen Kanzlerin vorgebracht wurde, um die Intervention des deutschen Imperialismus zu begründen, der schon über 1.000 Soldaten im Sahel unterhält, darin, es gehe darum zu vermeiden, dass Afrika „von China und Russland aufgerüstet“ wird. Der chinesische Imperialismus verstärkt seine Initiativen (…), und der russische Imperialismus, hoch erfreut über Kritiken aus Afrika an der französischen Präsenz in Mali, hat seinerseits im Oktober den allerersten russisch-afrikanischen Gipfel eröffnet.
„Einbestellung“ der afrikanischen Führer nach Pau
Aber die Hauptsorge des französischen Imperialismus ist es, Mali wie Burkina Faso und die anderen Ländern des früheren französischen Kolonialreichs, diese neokolonialen Staaten, könnten scheitern. Sie gilt der Fragilität ihrer politischen Führer, die wegen ihrer Nachlässigkeit, ihrer Korruptheit und ihrer Servilität gegenüber der alten Kolonialmacht in der Kritik stehen. In einer Erklärung, die er beim Nato-Gipfel abgab, griff Macron sie an: „Ich will und kann französische Soldaten nicht in irgendeinem Sahel-Gebiet unterhalten, während sich die politisch Verantwortlichen dort zweideutig verhalten zu den anti-französischen Bewegungen, die teilweise von ihnen selbst mitgetragen werden.“ Einbestellt, um sich zu rechtfertigen, zusammengerufen wie Befehlsempfänger, wurden die Führer der fünf G5-Sahel Staaten Mali, Burkina Faso, Niger, Tschad, Mauretanien am 16. Dezember in Pau erwartet, um „den Rahmen und die politischen Bedingungen unserer Intervention im Sahel neu abzustecken“. Arroganz und Missachtung, Symptome dafür, wie groß die Schwierigkeiten geworden sind.
Bei uns die Opposition gegen diesen Krieg größer werden lassen
Der Französische Imperialismus ist festgefahren in diesem Krieg, muss feststellen, dass ihm die Mittel fehlen, gibt jeden Tag mehr der anti-französische Stimmung neue Nahrung, die ihn in höchstem Maß beunruhigt – er schwankt zwischen dem Realitätsprinzip, das ihn zwingt, die Frage der „Neuorientierung“ seiner Sahel-Strategie zur Debatte zu stellen, und neokolonialer Arroganz reinster Tradition.
Für uns ist die Aufgabe klar: Unterstützung der gerechten Forderung der afrikanischen Völker nach Rückzug der imperialistischen, besonders der französischen Truppen, Ausbreitung des Protests im eigenen Land gegen diesen Krieg von „grundlegend imperialistischem Charakter“. Wir schrieben das schon im Februar 2013 in unserem Dossier darüber, warum wir strikte Gegner der französischen Intervention im Sahel sind.
Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, Dezember 2019
Anmerkungen der Redaktion:
* Ibrahim Boubacar Keita, Präsident der Republik Mali
** Compact with Africa – „Pakt mit Afrika“. Eine im Rahmen der G20-Staaten 2017 ins Leben gerufene und maßgeblich vom deutschen Imperialismus betriebene „entwicklungspolitische“ Initiative, die vornehmlich eine deutsche Einflusszone in Afrika und deutsche Investitionen fördern und schützen soll. 12 afrikanische Staaten sind derzeit beteiligt: Äthiopien, Ägypten, Benin, Burkina Faso, Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste), Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo und Tunesien.
Auffällig, aber nicht zufällig: die Initiative greift stark in das afrikanische Interessengebiet Frankreichs ein! Kriegsministerin Kramp-Karrenbauer (AKK) dazu vor Bundeswehroffizieren:
Wir vertreten jeden Tag unsere Interessen. Aber wir müssen … anfangen, das zuzugeben. Deshalb müssen wir aber auch … Initiative ergreifen, damit aus Haltung und Interesse Wirklichkeit werden kann. Dazu gehört es auch, unseren gegenwärtigen sicherheitspolitischen Status quo zu hinterfragen. So liegt zum Beispiel die Bekämpfung des Terrorismus in der Sahelregion vor allem in den Händen unserer französischen Freunde – obwohl wir in Deutschland gleichermaßen vom Terror und seinen Folgen bedroht sind.“
Eine wenig verhüllte „Ansage“ an den französischen Konkurrenten. (vgl. auch: https://www.arbeit-zukunft.de/2019/11/10/widerstand-ist-angesagt-deutschland-nie-wieder-aggressive-militaermacht/#more-6181)