Die größte Mobilisierung seit 1977 – so bewerten zahlreiche Kommentare die fünftägige Massenmobilisierung Ende November 2019 im ganzen Land.
Am 21. November brachte der Bürgerstreik etwa 250.000 Menschen auf die Straßen Bogotas und der großen Städte im ganzen Land. Er war initiiert worden von den Organisationen der Einheitsgewerkschaft der Arbeiter (CUT) sowie denen der Bauern, der indigenen Bevölkerung, der Frauen, von LGBT-Gruppen, von Umweltorganisationen*. Ihr Forderungskatalog enthält die wichtigsten sozialen Forderungen: Gegen eine erneute reaktionäre Reform des Arbeitsrechts, Ablehnung einer Rentenreform, die Forderung nach mehr Geld für die öffentliche Bildung, besonders im Universitätsbereich. Dazu kamen Forderungen zu den sozialen und politischen Maßnahmen, welche die Regierung Uribe anlässlich der „Friedensverhandlungen“ 2016 ergriff. Die Maßnahmen Duques, seit 16 Monaten Nachfolger Uribes, sind ein totgeborenes Kind. Vor allem aber hat die Verfolgung und Ermordung von Menschenrechts-Aktivisten, von Führern der Massenorganisationen durch die Armee und mit ihr zusammenarbeitende paramilitärische Gruppen zugenommen. Rund 155 Morde gab es seit Unterzeichnung der „Vereinbarungen“ mit der FARC, der ältesten und wichtigsten Guerilla-Organisation Kolumbiens. Übrigens haben mehrere ehemalige „Fronten“ der FARC wieder zu den Waffen gegriffen, infolge der Nichterfüllung der Verpflichtungen durch Regierung und Armee und der Zunahme von Morden an Aktivisten.
Die Demonstranten haben ihre Angst überwunden
Trotz massiver Drohungen und Einschüchterungen, trotz des massiven Einsatzes von Polizei und „Antiaufstands-Brigaden“ waren die Demonstrationen riesig, kämpferisch und festlich – mit Topfdeckel-Schlagen, Gesängen, Sprechchören… Aber als es zu ersten Plünderungen von Geschäften am Rande der Demonstration kam, nahm die Polizei dies sofort zum Anlass, die Demonstranten mit Unmengen von Granaten aller Art zu attackieren, den Demonstrationszug mit aller Gewalt anzugreifen.
Am Abend dieser Machtdemonstration durch die Demonstrierenden und die Organisationen des Volkes begann Duque einzugestehen: „Die Kolumbianer haben sich heute klar ausgedrückt, und wir haben verstanden“. Gleichzeitig aber verfügte er den Ausnahmezustand über Bogota und mehrere andere Städte. Als die Nachrichten über die Tötung eines jungen Demonstranten in Bogota, Dilan Cruz, durch eine Blendgranate und die von drei Jugendlichen in Valle da Cauca bekannt wurden, wurde die Demonstration am Abend des 24-Stunden-Streiks wieder aufgenommen, weit entfernt davon aufzuhören. Lautstarke Sprechchöre forderten die Verurteilung der Polizeigewalt und besonders die Auflösung der Antiaufstands-Brigaden. Die Demonstrationen dauerten 5 Tage an.
Am 22. November rief Duque zum Dialog, zu einer „nationalen Debatte“ auf – zu verschiedenen Themen wie „Gleichmäßige wirtschaftliche Entwicklung, Kampf gegen die Korruption, Frieden, Umwelt…“ Die Debatte solle bis zum März dauern. Er versuchte, die in den Regionalwahlen vom 20. Oktober 2019 (bei denen Duques Partei schwer geschlagen wurde) soeben gewählten Bürgermeister und Gouverneure einzubeziehen, aber seine Unbeliebtheit bricht Rekorde.
Kolumbien ist ein Land, wo sehr große Ungleichheit herrscht, ein an Ressourcen aller Art reiches Land, die sich aber eine Oligarchie aneignet, die mit dem US-Imperialismus eng verbunden ist. Dieser verstärkt gerade seine militärische Präsenz in dem Land, das an Venezuela angrenzt.
Die mächtige Bewegung der letzten Tage, die eine Wende im politischen und sozialen Leben markiert, muss ihre Einheit festigen und sich für die nächsten Kämpfe organisieren.
* die Umweltschutz-Organisationen haben sich ein gewisses Gehör verschafft, insbesondere durch ihren Widerstand gegen das umfangreiche landesweite Fracking-Projekt der Regierung.
(Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der Komm. Arbeiterpartei Frankreichs)