Am 30. November und am 1. Dezember 2019 fand in Braunschweig, der Stadt, in der Adolf Hitler am 25. Februar 1932 eingedeutscht wurde und deren Ehrenbürger er ab 1933 war (bis zum 16.1. 1946), der zehnte Bundesparteitag der AfD in der VW-Halle statt. Deshalb fand am letzten Samstag im November in der Innenstadt von Braunschweig eine Demonstration gegen den braunen Spuk statt, an der sich zirka 20.000 Menschen beteiligten. Einige Demonstranten trugen Plakate, auf denen nur ein Wort stand: ‚EkelhAfD‘.
VW hatte das Volkswagenlogo an der Halle während der Tagung verhängen lassen, zu lesen war nur: Halle Braunschweig. Wer denkt denn da an den Amoklauf von Halle?
Aufgerufen zu der Demo hatten insgesamt über 160 Bündnisse, u. a. das „Bündnis gegen rechts Braunschweig“, das von dem Bündnis „bunt statt braun“ unterstützt wurde, auch gewerkschaftliche Verbände und Religionsgemeinschaften. Die Pfaffen wollen auf der Welle mitschwimmen, und der evangelische Landesbischof Meyns hielt am 30. November eine Mittagsandacht im Braunschweiger Dom ab.
Die Aufrufe der eben genannten Bündnisse waren nicht ganz fehlerfrei. So war im Bündnis gegen rechts, im bunten Bündnis und in gewerkschaftlichen Aufrufen behauptet worden, die AfD spalte die Gesellschaft. Aber spaltet nicht jede bürgerliche und jede faschistische Partei die Gesellschaft, außer der proletarischen Partei, die auf Ihre Fahne geschrieben hat: ‚Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!‘?
Man träte ein für eine Gesellschaft, in der alle unabhängig vom Glauben, Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft und sozialem Status gleichberechtigt, frei und ohne Angst leben können. Aber kann man denn in einer Gesellschaft mit ungleichem sozialem Status gleichberechtigt leben? Zwischen Lohnarbeiter/innen und Kapitalist/innen kann es eigentlich keine Gleichheit geben.
Um den Parteitag vor der Wut des Volkes zu schützen, hatten der Kapitalistenstaat Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengezogen. In den Bundesbahn-Zügen, mit denen die Demonstranten morgens nach Braunschweig fuhren, waren schon bewaffnete Bundespolizisten postiert, d. h. schon mit dem ersten Schritt in die Bahn bestätigte sich der Satz: ‚Deutsche Polizisten schützen die Faschisten‘.
In der Braunschweiger Innenstadt wurde von ungefähr 1 200 Kämpfern an vier verschiedenen Knotenpunkten versucht, den Zugang zur VW-Halle zu blockieren. Damit wurde erreicht, dass eine beträchtliche Anzahl von AfD-Mitgliedern zu spät zum Parteitag erschien. Am Lessingplatz gelang es vorwiegend jungen Demonstranten, AfD-Mitgliedern in Anzug und Krawatte oder ebenso fein herausgeputzten Bürgern den Zugang zur VW-Halle zu versperren. Als die Stutzer mit ihren Diplomatenkoffern verlangten, die Polizei zu sprechen, wurde ihnen erklärt, dass diese Blockadeversammlung eben die Volkspolizei sei und sie wurden gefragt, ob sie mit diesem Begriff etwas anfangen könnten? Frustriert machten sie kehrt.
Das sind eben diese kleinen Erfolge, die so eminent wichtig sind. Die bürgerliche Polizei konnte ihren Willen, jedes Mitglied des braunen Gesindels durch die Blockade zur VW-Halle zu schleusen, nicht souverän durchsetzen. Das ist der richtige Ansatz. Volksmassen können, wenn sie geschlossen handeln, das Gewaltmonopol volksfeindlicher Apparate brechen und Volksfeinden ihren Willen aufzwingen.
Nach den teilweise erfolgreichen Blockadeversuchen begann um 11 Uhr die Großdemonstration auf dem Europaplatz, der hinter der VW-Halle liegt, und sie endete auf Grund ihrer großen Länge statt um 13 Uhr vierzig Minuten später auf dem Schlossplatz, auf dem dann auch die Abschlusskundgebung stattfand. An der Demo nahmen auch kurdische und türkische Antifaschist/innen teil. Haziran-Fahnen waren zu sehen, die an den antifaschistischen Aufstand im Juni 2013 in der Türkei erinnerten. Auch „Omas gegen rechts“ waren vertreten, einige aus Stade angereist. Auf einigen Plakaten wurde richtig vermerkt, dass es ohne Systemwandel keinen Klimawandel geben könne.
Kritisch muss angemerkt werden, dass die bunten und pluralistisch ausgerichteten Parolen überwogen, die Tatsache, dass der Faschismus im Kapitalismus liegt wie der Regen in der Wolke, blieb unterbelichtet. Hervorzuheben sind die Parolen: „AfD-Faschistenpack, wir haben Euch zum Kotzen satt“ und „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“. Besonders letztere Parole ist immer ein gutes Zeichen einer gelungenen Demonstration, weil sie den Zusammenhang aufzeigt zwischen einem angeblich lächelnden Rechtsstaat, dessen Gesicht sich rasch in eine faschistische Fratze verkehren kann.
In der französischen Revolution war es Anfang Juni 1793 möglich, dass bewaffnete Sansculotten in den Konvent eindrangen und die Mitglieder der konterrevolutionären Gironde verhafteten. Und was 1793 in Frankreich möglich war, muss doch 227 Jahre später in Deutschland auch möglich sein. Bewaffnete Volksmassen dringen in den Bundestag ein und legen den Abgeordneten der AfD die Handschellen an. Nur so verliert Deutschland den Pestgestank einer feudal-faschistischen Nation. Oder sind dies nur Träumereien eines einsamen Spaziergängers, der auf den Spuren Rousseaus wandelt? (‚Träumereien eines einsamen Spaziergängers‘ ist der Titel des letzten Buches von Rousseau, das er kurz vor seinem Tod schrieb).