Zur Münchener Grundsatzrede von Kramp-Karrenbauer (Updated!)
Es passt so schön zum 9. November, zum verlogenen Einheitsschmalz in Berlin! Die Bundesverteidigungsministerin will Muskeln aufbauen, damit Deutschland endlich International mitspielen kann.
Wer meint, sich immer noch darüber aufregen zu sollen, was für unabgesprochene „Alleingänge“ sich Kriegsministerin Annegret Kramp-Knarrenbauer (AKK) „leistet“, sollte damit aufhören.Es geht hier nicht um Stilfragen. Die Teils massiv vorgetragene Kritik an ihr bezog sich hauptsächlich auf die Form ihrer Vorstöße. Viele Kommentator/innen halten gleichwohl die von ihr verlangte deutsche Initiative im Syrien-Krieg (Sicherheitszone!) und ihre weiteren lautstark vorgetragenen Forderungen in der Sache durchaus für richtig. Auch international gilt das.
Am 7. November 2019 legte AKK vor hunderten Offiziersanwärterinnen und -anwärtern, Militärstudentinnen, -studenten und Teilen der Generalität in der Bundeswehruniversität München ihr Programm für die zukünftige „Sicherheitspolitik“ des deutschen Imperialismus vor. Und das hat es in sich: Vorbereitung der Kriegsfähigkeit auf eigene Berliner Rechnung – nicht mehr und nicht weniger. Sie sagte eigentlich wenig ganz neues, aber sie betont:
„Wir sprechen von unserer „Kultur der Zurückhaltung“, verweisen auf alle möglichen Rücksichtnahmen und Zwänge. Dabei haben wir allen Grund, mutiger zu handeln, nicht nur, weil die strategische Lage ernster wird, sondern auch, weil unser Deutschland fest in seiner demokratischen und rechtsstaatlichen Tradition steht – tief verwurzelt im transatlantischen Bündnis und in der Europäischen Union.
Es ist an der Zeit, dass wir daraus die Kraft und das Selbstvertrauen schöpfen, gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten die Welt und unsere Zukunft stärker zu gestalten.“
Das ist der neue Ton, für den AKK steht. Weg mit dieser Kultur der (politischen und militärischen) Zurückhaltung. Dafür Nationalismus: „Unser Deutschland“; die Kraft und das Selbstvertrauen schöpfen, unsere Zukunft stärker zu gestalten; „wir“ müssten den Mut haben, diese Rolle der Gestaltungsmacht anzunehmen.
Gestaltungsmacht – das ist ein beschönigender Ausdruck für Militärabenteuer. Dass das der AKK nicht fremd ist, zeigte nur Tage zuvor ihr heiß umstrittener Versuch mit der Sicherheitszone in Nordsyrien. Wollte sie es ernsthaft umsetzen, wäre das nichts andres als ein Kriegsabenteuer! Die Erwähnung der Partner an dieser wichtigen Stelle muss man nicht übergehen, aber sie dient hier hauptsächlich der Versicherung, dass man sie nicht übersieht.
Denn natürlich stellt sie nicht die NATO-Mitgliedschaft in Frage! Diese bleibt für Berlin nach wie vor entscheidende Machtbasis für den Deutschen Imperialismus! Sorgsam tariert sie vielmehr die Gewichte zwischen „selbstbewusster Europäischer Verteidigungsunion“ und NATO aus. Hier geben „wir“(so AKK!) der „Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU“ den „strategischen Kompass“: „Den europäischen Arm innerhalb der NATO stärken“!
Schluss mit lustig!
Aber hier findet die entscheidende Volte der Ministerin statt. Deutschland habe sich auf seiner sicheren Lage im Herzen Europas ausgeruht, das hört jetzt auf! Sie macht das auch an der ganz entschiedenen und nun mit einer Zeitschiene versehenen Bestätigung des berüchtigten 2% BIP-Ziels für ihr Kriegsbudget klar. Stolz vermeldet sie einen Tabubruch („Schallmauer“):
„…wir haben für das nächste Jahr zum ersten Mal, bei der Summe, die wir an die NATO melden, die Schallmauer von 50 Milliarden durchbrochen. Das ist eine enorme Leistung.“
Aber dabei belässt sie es nicht:
„Aber das reicht noch nicht aus, denn wir brauchen die Steigerung auf 1,5% des BIP bis 2024 und 2% bis spätestens 2031.“
Und sie tut hier noch eine weiteren Schritt. Den Druck der letzten Jahre von außen, diese Ziele endlich einzuhalten, verwandelt sie bewusst in eigene Initiative.
„…Nicht, weil der amerikanische Präsident – und nicht nur der aktuelle – das fordert. Sondern weil es in unserem eigenen Sicherheitsinteresse ist“.
Allen, die immer noch Mister Trump hinter dieser 2%-vom-BIP-Forderung halluzinieren, schreibt sie offensiv ins Stammbuch:
„Wir haben uns in Wales“ (2014, lange vor Trump! Der Verf.) „bei der NATO nicht nur auf die 2% geeinigt und haben das zugesagt. Für mich hat „Made in Germany“ immer auch bedeutet, dass man sich auf deutsche Zusagen verlassen kann. Wir haben in der NATO auch zugesagt, dass wir bei allen Fähigkeiten der NATO, die die Mitgliedsstaaten zur Verfügung stellen, als Deutsche 10 % der Fähigkeiten einbringen.“
Dafür brauche es aber den Zeitraum bis 2031, denn:
„…wenn wir diese Fähigkeiten übersetzen, in den Zulauf von Personal, Material und Ausrüstung und …ins Auge fassen, wie lange wir brauchen bis neue Waffensysteme … eingeführt sind, dann brauchen wir die Zeit bis 2031…“.
Klar bekennt sie sich (im Namen der Bundesrepublik!) nach wie vor dazu, dass die USA wichtigster Bündnispartner sind und blieben: Die USA hätten in den letzten Jahrzehnten einen übergroßen Beitrag für Deutschland geleistet. Und klar bekennt sie sich zur NATO!
„Ability to Act“ („A2A“=Handlungsfähigkeit) für die Bundeswehr ist ihre zentrale Forderung! Nur wenn diese gesichert ist, kann an einen realen Führungsanspruch in deren Rahmen gesprochen werden. Für alle normalen, arbeitenden Menschen unseres Landes eine bedrohliche Entwicklung!
Und: In Afrika nicht alles den Franzosen überlassen! Auch hier verbirgt sich zunehmendes Gerangel um die Führung. Ansage AKK:
„Wir vertreten jeden Tag unsere Interessen. Aber wir müssen endlich anfangen, das zuzugeben. Deshalb müssen wir aber auch … Initiative ergreifen, damit aus Haltung und Interesse Wirklichkeit werden kann. Dazu gehört es auch, unseren gegenwärtigen sicherheitspolitischen Status quo zu hinterfragen. So liegt zum Beispiel die Bekämpfung des Terrorismus in der Sahelregion vor allem in den Händen unserer französischen Freunde – obwohl wir in Deutschland gleichermaßen vom Terror und seinen Folgen bedroht sind.“
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen wie ein französisches Sorbet: Nicht weil die armen „französischen Freunde“ so arge Lasten zu schultern haben, machen „wir“ mehr. Nein: Weil „wir unsere“ Interessen vertreten… Deshalb…Dazu gehört dann auch, „zum Beispiel“, dass der Krieg im Sahel vor allem in den Händen unserer französischen Freunde liegt. Das gehört überprüft! Eine Ansage nach Paris. „Recht mehrdeutige Hilfszusage aus München!“, werden sich Macron und seine „Sicherheitsberater“ sagen.
Auch von der Leyen trumpft auf!
Zum „sicherheitspolitischen“ Auftrumpfen passt es dann auch, dass AKKs Vorgängerin Ursula von der Leyen ins gleiche Horn tutet, die kommende EU-Kommissionspräsidentin – übrigens auch ein satter Machtzuwachs für Berlin:
„Europa muss auch die Sprache der Macht lernen“, sagte sie in Berlin in einer europapolitischen Rede der CDU. Das heiße, eigene Muskeln aufbauen, wo „wir“ uns lange auf andere stützen konnten – zum Beispiel in der Sicherheitspolitik“, so von der Leyen. Zum anderen müssten „wir“ die vorhandene Kraft gezielter einsetzen, wo es um europäische Interessen ginge.
Dabei vergaß sie auch nicht, dem machtvollen Konkurrenten China mit Machtpolitik zu drohen! Auch AKK vergisst China nicht in ihrer Rede. Tollkühn kündigt sie an, die Bundesmarine ins „Indo-Pazifische“ Meer, also direkt vor Chinas Küsten zu senden, natürlich für die Freiheit – der Containerschifffahrt (sic!)! Soldatinnen und Soldaten, aufgewacht!!
Kurz: AKK fordert eine neue, machtvolle deutsche Sicherheitspolitik, einen sich zunehmend aggressiv militärisch gebärdenden deutschen Staat!
Egal was aus AKK wird – die Marschrichtung bleibt!
Angesichts dessen ist es geradezu fahrlässig, sich vor allem darüber aufzuregen, dass das angeblich wieder nicht angestimmt, wieder am Koalitionspartner vorbei laufe usw. usf. Soll sich die SPD in dieser Koalition weiter verhöhnen lassen, das ist ihr Problem!
In Wirklichkeit heißt es in Berlin immer deutlicher: Schluss mit lustig. „Wir“ machen immer offener unsere Macht- und Interessenpolitik – auf eigene Rechnung.
Das steht keineswegs im Widerspruch dazu, dass Berlin sich immer noch beim stärkeren US-Konkurrenten anbiedert oder eins ums andere Mal die internationale Partnerschaft mit den „Freunden“ beschwört. Zusammenarbeit schließt die Konkurrenz nicht aus. AKK hat´s klar formuliert für alle, die genau hinhören.
Sollte sich das vielfach kritisierte politische und kommunikative Ungeschick der Dame gegen sie wenden, so dass sie das Amt eventuell aufgeben müsste, und damit ihre Kanzlerinnen-Ambitionen, sollten sich Typen wie Merz oder ähnliche Gestalten gegen sie durchsetzen – diese von AKK vorgestellte Außen- und „Sicherheitspolitik“ wird keiner zurücknehmen, sondern eher noch verschärfen.
Die Rechnung zahlt das Volk
Bezahlen muss das alles das Volk, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, alles, was werktätig unterwegs ist. IMI (Informationsstelle Militarisierung in Tübingen) schätzt die Größe des 2031 auf 2% des BIP geblähten Kriegsetats auf 71 Mrd. Euro, 28 Mrd. mehr als 2019 (43 Mrd.). Schon die von AKK bejubelte Durchbrechung der „50-Mrd.-Euro-Schallmauer“ im nächsten Jahr bedeuten ca. 7 Mrd. Euro mehr. Sie zahlen die zunehmenden Kriegsübungen, die stets weiter wachsenden Militär-Investitionen, die neuen Kampfeinheiten und Waffensysteme, mit denen Merkel, Maas, AAK und v. d. Leyen das Gewicht und die Führungsansprüche Deutschlands in EU und NATO systematisch nach oben treiben, zum Schaden des Friedens und der Völker. Deshalb: Unverändert steht unsere Forderung:
Raus aus der EU!
Raus aus der Nato!
Wer an den mutigen, ermordeten Vorkämpfer der Arbeiter/innen in Deutschland, Karl Liebknecht, und seinen Kampf gegen den Militarismus erinnert, der erinnert auch daran, dass dieser alle arbeitenden Menschen offen zum Widerstand gegen solch eine Politik aufrief! Das ist auch heute wieder brandaktuell!