Sie wird in Deutschland von Vielen gefeiert, aber von Manchen auch gehasst: Selten ist eine 16-jährige so sehr im Mittelpunkt von Politik und Gesellschaft gewesen, wie Greta Thunberg, die seit Herbst 2018 freitags zunächst einmal alleine mit einem Schild an ihrer Seite die Schule streikte: Ihr Motto „Warum soll ich lernen für eine Zukunft, die es vielleicht gar nicht mehr gibt, wenn niemand etwas macht, um diese Zukunft zu retten?“
Schnell wurde aus der Aktion einer einzelnen Person eine Jugend- und Umweltbewegung, die ihre eigenen Dynamiken entwickelte. Sämtliche Parteien bis auf die AfD und wenige Kreise innerhalb einiger anderer Parteien zeigten schnell Sympathie mit den jeden Freitag wachsenden Schülerprotesten. Später bildeten sich zu den lokalen Fridays for Future Gruppen auch Parents (Eltern) oder Grandparents (Großeltern) for Future; Künstler, Gewerkschaften, NGOs, Parteien und Akademiker sprachen sich für eine Klimawende aus und solidarisierten sich mit den Jugendlichen, die für ihre Zukunft die Wut auf die Straßen trugen. Teile der Lehrer zeigten großes Verständnis für ihre Schüler, die freitags dem Unterricht fernblieben, jedoch sprachen mancherorts Schulen oder Direktoren auch schon von „Sitzenbleiben“ oder gar von „Schulverweisen“ für die Unterrichtsfernbleiber.
Große Teile der Gesellschaft zeigten jedoch Verständnis für die Wut der Kinder und Jugendlichen, Parteien versuchten, sich die Bewegung einzuverleiben oder unter den Nagel zu reißen, um sich wahltaktische Vorteile zu ergattern. Die wachsende Bewegung sensibilisierte die Gesellschaft weitestgehend für die Interessen und Sorgen der jungen Generation. Die alltägliche Präsens einer Jugendbewegung änderte bei vielen das Verständnis, sogar so sehr, dass aus den Grünen, die vor einigen Jahren gerade so mit Ach- und Krach den Einzug in einige Länderparlamente oder sogar mit derben Verlusten in den Bundestag schafften, nun von einer „Volkspartei“ gesprochen wird. Bei den Europawahlen im Mai holten die Grünen sogar 20,5 %, das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte. „Das ist ein Sunday for future“, sagte Sven Giegold, der Spitzenkandidat der Grünen als Reaktion darauf, woraufhin die Fridays for Future Ortsgruppe Köln sich sofort und klar von dieser Aussage distanzierte. In einer Erklärung über Socialmedia erklärte die Gruppe: „Wir sind eine überparteiliche Bewegung und möchten nicht, das diese für Wahlkampf oder jegliche Form von Parteiwerbung genutzt wird. Erst recht nicht von einer Partei, die Abschiebungen mitorganisiert, und Hartz 4 auferlegt hat und an vielen Stellen klimaschädliche Politik mitgetragen hat, weil sie nicht bereit ist, sich mit Kapitalinteressen anzulegen, wie etwa im Hambacher Forst, wo sie die Abholzung des Waldes bestätigten. Das Ziel unserer Bewegung ist der konsequente Umweltschutz. Wer Profite über die Umwelt stellt, wer sich nur dort an die Umwelt erinnert, wo sie profitabel ist, der hat bei uns nix verloren.“
System change…
Manche fordern ein Ende der allfreitäglichen Demos, die langsam außer Kontrolle zu geraten scheinen. Denn schnell merkte die neue Bewegung, dass ihre Forderungen tiefgreifendere politische und gesellschaftliche Änderungen mit sich bringen mussten und weitreichender waren, als der Tellerrand des kapitalistischen Systems es ihnen erlauben würde. Vielerorts wird die Forderung „System change not climate change“ als Motto der Bewegung genommen. Und genau hier kamen die Grünen ins Spiel: Denn sie tragen die Farbe der Natur in ihrem Namen und in den Köpfen der Menschen gelten sie als die kompetente Partei, wenn es um den Umweltschutz geht. Deswegen wird sehr deutlich, warum die Grünen bei den letzten Wahlen so gut abgeschnitten haben: Es geht nicht um Inhalte, sondern was die Gesellschaft mit dir in Verbindung bringt. Die Grünen haben es geschafft, diese Assoziationen in die Wahlergebnisse zu übertragen, was z.B. der Linken nicht gelang: Die Linke gilt bei sozialer Gerechtigkeit als die kompetenteste Partei, hat aber in diesem Bereich weniger Wähler gewinnen können.
Auch wenn die Grünen eine breite Masse mobilisieren konnten: Ihre Bilanz ist, wie die Kölner FFF-Gruppe sehr zutreffend erkannte eindeutig: Während ihrer Zeit an der Regierung konnte oder wollte sie weder Kohle- noch Atomausstieg endgültig durchsetzen, stattdessen haben sie als Koalitionspartner Agenda 2010 und Hartz IV eingeführt und so die soziale Misere unserer Zeit politisch eingeleitet; mit erfundenen KZs und angeblich errichteten Lagern haben sie den ersten deutschen bewaffneten Bundeswehreinsatz seit dem zweiten Weltkrieg im Kosovo beschlossen, später den Afghanistan-Krieg unterstützt; in Baden-Württemberg, wo die Grünen sogar den Ministerpräsidenten stellen, gilt dieser mehr als „Auto-Lobbyist“, als „Landesvater“; im Europawahlkampf haben sie sich als weltoffen und antirassistisch gezeigt, aber Migranten haben auf ihren Wahllisten kaum Platz gefunden; in Landesregierungen sind sie mitverantwortlich für Abschiebungen und treten auch öffentlich für härtere Regeln für straffällig gewordene Migranten ein. Die Grünen sind keineswegs die Partei der „offenen Grenzen“, die sie angeblich fordern, sondern stehen für eine geordnete Migration im Interesse des deutschen Kapitals, indem sie die Einreise für nützliche Fachkräfte erleichtern, für andere erschweren wollen, wie sie es unter Beweis stellten, als sie -unter „Auflagen“– der Erweiterung des Mandats der europäischen Grenzagentur Frontex zustimmten. Die Grünen stehen für die Interessen deutscher Konzerne -gerne auch mit einer europäischen Armee- die zwar vorgeben, klima- und umweltfreundlich zu sein, aber nur so lange, wie die Wirtschafts- und Machtverhältnisse unangetastet bleiben, auch wenn das noch mehr deutsche (oder europäische) Militäreinsätze im Ausland, Rüstungsexporten in umstrittene Länder oder eine Stärkung der Festung Europa bedeutet.
Grünlackierter Kapitalismus möglich?
Doch ist ein grüner Kapitalismus, wie es von den Grünen suggeriert wird, überhaupt möglich? „Go green“ ist der derzeitige Zeitgeist, der sich weltweit durchsetzt und es ist durchaus irritierend und skurril, dass sich sogar die Kapitalseite (z.B. Google und Co.) für mehr Umweltschutz einsetzt. Aber es ist auch verständlich, dass Umweltschutz irgendwann einmal zu einem der wichtigsten Themen der Gesellschaft werden musste, denn Rohstoffe sind nicht endlos und das Eingreifen in die Natur durch Produktionsprozesse bringt automatisch gravierende Änderungen in Klima und Umwelt mit sich. Somit war zumindest für einen bestimmten Teil des Kapitals klar, dass der Kapitalismus einen grünen Touch braucht. Die Lobbyisten der Fahrzeug-, Energie-, Tourismusindustrie z.B. sehen in Klimaschutz sicherlich keinen Vorteil, sondern eher eine Last, aber es gibt durchaus Kapitalgruppen, die im Widerspruch zu diesen Lobbyisten stehen. Viele Konzerne setzen mittlerweile auf einen „grünen“ Kapitalismus. Diese beinhaltet aber keinesfalls einen wirklich nachhaltigen Umgang mit der Natur und erst keine Änderung der Grundprinzipien des kapitalistischen Produktionssystems (bspl. Privateigentum an Produktionsmitteln, gesellschaftliche Produktion und private Aneignung des Produktes, Anhäufung von unvorstellbaren Mengen an Kapital, Konkurrenz- und Profitlogik des Kapitals), sondern soll lediglich durch einen technischen Umbau zumindest oberflächlich den produzierten Schmutz abwischen. Die soziale Frage wird ausgeblendet und lediglich die Fassade wird hier und da korrigiert.
Vergleichbar ist es mit den sicherlich wichtigen und notwendigen Schönheitskorrekturen der Vergangenheit, seit sich der Kapitalismus als Weltsystem bildete und etablierte. Die frühindustriellen Umweltschäden, die sich hauptsächlich an lokalen oder regionalen Ballungszentren häuften, etwa in Form von verrußter Luft oder verseuchter Flüsse, später als Feinstaub bei zu vielen Fahrzeugen in Großstädten, konnten mit Filtern, Recycling und Katalysatoren temporär begradigt werden. Heute dagegen sind wir mit drohenden irreversiblen und vor allem globalen Schäden konfrontiert, die auf ein Ende hindeuten, sollten sie nicht früh genug angepackt und verändert werden. Und diese Probleme sind durchaus als soziale Probleme zu betrachten, die nicht nur mit kosmetischen Änderungen beseitigt werden können, sondern im Marxschen Sinne eine Überwindung des kapitalistischen Systems bedingen. Den Kapitalismus lediglich scheinbar grün lackieren und die Ausbeutung von Mensch und Natur und die begrenzten Rohstoffe der Erde kritiklos hinzunehmen, würde die Dringlichkeit des Problems verschleiern.
„Der Kapitalist verkauft den Baum, dessen Schatten keinen Gewinn bringt!“
Eine der einprägsamen Sprüche des Gezi-Protestes aus dem Jahre 2013 in der Türkei lautete: „Der Kapitalist verkauft den Baum, dessen Schatten keinen Gewinn bringt!“. Oder anders zugespitzt: Ein Kapitalist, der aus Sorge vor dem Klimawandel weniger umweltschädlich produzieren lässt, wird auf dem Markt schnell scheitern, sofern sich diese Maßnahmen nicht selbst wieder profitabel verwerten lassen. Wenn sich Kapitalgruppen nun für mehr Umweltschutz einsetzen, dann deswegen, weil die damit verbundenen Investitionen in technische Umrüstungen sich verwerten lassen, also dazu beitragen das Kapital fortwährend zu akkumulieren, also anzuhäufen. Ein Unternehmer denkt nicht an das Allgemeinwohl, sondern nur an sein Geschäft und orientiert sich immer am Markt und ihren Gesetzen. So kann man das Beispiel des Recyclings anführen: Es wird nicht wiederverwertet, weil es umweltschonender ist, sondern weil sich auch mit Müll die große Kohle machen lässt. Alles, was zu kostenintensiv im Recycling war, landet in Malaysia zur Verbrennung, was die malaysische Regierung im Februar veranlasste, 3000 Tonnen Müll in Containern mit „verseuchtem“ Recyclingmüll wieder u.a. nach Deutschland zurückzuschicken.
Im Zusammenhang mit „go green“ entstanden neue Branchen und Geschäftsfelder, wie die verschiedenen vermeintlich ökologischen Unternehmen und durch eine Bewegung auf der Straße wie durch FFF werden politische und juristische Umweltstandards erzwungen. Eine effektive Umweltpolitik muss also antikapitalistisch sein, denn solange etwas noch Aussicht auf Profit hergibt, wird Klimaschutz ein Klotz am Bein des Kapitals bleiben. „Der Mensch lebt von der Natur, heißt: Die Natur ist sein Leib, mit dem er in beständigem Prozess bleiben muss, um nicht zu sterben. Dass das physische und geistige Leben des Menschen mit Natur zusammenhängt, hat keinen anderen Sinn, als dass die Natur mit sich selbst zusammenhängt, denn der Mensch ist ein Teil der Natur.“ (Ökonomisch-philosophische Manuskripte, Marx-Engels-Werke 40, S.516) und als Teil der Natur ist der Mensch auf sie angewiesen, sie ist die Grundlage für sein Überleben. Ist die Natur zerstört, kann auch der Mensch nicht existieren. Somit muss der Mensch, der auf die Natur und ihre Ausbeutung großen Einfluss nimmt, mit Umweltschutzmaßnahmen sich für die Umwelt einsetzen. Denn die Rache der Natur wird sonst viel heftiger ausfallen, als die Rekordhitzewellen oder Dürren der letzten Jahre, mit denen Menschen überall in der Welt zu kämpfen hatten, die nun auch uns in Europa erreichen.
Klimaleugner AfD
In ihrem Programm schreibt die AfD „Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert.“ oder „Seit die Erde eine Atmosphäre hat, gibt es …“ und schlägt in die gleiche Kerbe wie Trump, der als der größte Klimaleugner unserer Zeit gilt. Die Aussagen der AfD sind korrekt, Klima wandelt sich, das liegt in der Dialektik der Natur. Jedoch sprechen wir von dem menschengemachten Klima und den menschlichen Einfluss auf die Natur, die die AfD einfach verleugnet. Fakt ist, dass durch das Verbrennen von fossilen Energieträgern wie Kohle oder Öl der globale Temperaturanstieg schneller verläuft, als wissenschaftlich zu erwarten wäre. Die ungezügelte Produktionsweise im Kapitalismus beeinflusst den Temperaturanstieg und der seit Millionen von Jahren in Form von fossilen „Energieträgern“ gebundene Kohlenstoff wird vom Menschen in die Luft gejagt, während parallel dazu durch Abholzung, Landwirtschaft und Monokulturen natürliche CO2-Speicher dezimiert werden.
In seinem Werk „Die Dialektik der Natur“ schrieb Engels: „Wir beherrschen die Natur nicht, sondern wir gehören ihr an, stehen in ihr. Unser Vorzug als Menschen ist nur, dass wir ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden können. Schmeicheln wir uns indes nicht so sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. … wir werden mit jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außerhalb der Natur steht … Der Mensch ist ein Teil der Natur.“ Engels hatte auch schon erkannt, dass in antiken Ländern wie Mesopotamien, Kleinasien, Griechenland und Italien durch Abholzen der Wälder die Feuchtigkeitssammelstellen vernichtet und dadurch Ertragseinbußen, Erdrutsche und Überschwemmungen herbeigeführt wurden. Bis heute hat sich am Verhalten der Menschen nichts geändert und wird von Klimaleugnern sogar im Dienste der Hardcore-Kapitalisten legitimiert. Die AfD tritt für die unbegrenzte Ausbeutung der Natur für die Profitinteressen des deutschen Kapitals ein. Im Umkehrschluss bedeutet das Leugnen des Klimawandels nämlich nur ein „Weiter so mit Kohle und Erdöl auf Kosten von Mensch und Umwelt“.
Nichtsdestotrotz Klimareformen nötig!
Es braucht so schnell wie möglich ein konsequentes Umdenken in der Klimapolitik, bevor eine Umkehr nicht mehr möglich ist. Andererseits ist gerade die kapitalistische Produktionsweise das Problem. Jedoch geht es nicht darum, dass die Menschen auf Lebensstandards verzichten sollen, wie es von Manchen gefordert wird. Soziale Probleme kann und darf man nicht individualisieren. Statt die Produktion von subventioniertem Billigfleisch zu unterbinden, Äpfel aus Neuseeland einzufliegen, Glyphosat oder andere chemische Giftcoctails zu verbieten und die Nahrungsmittelindustrie oder Discounter in die Verantwortung zu nehmen, kann man von einer gering verdienenden Alleinerziehenden nicht erwarten, dass sie mit ihrem niedrigen Gehalt Bioprodukte konsumieren soll. Es geht darum, den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt zum Wohle der Menschheit einzusetzen. Doch stattdessen fördert dieses System den unbegrenzten Konsum und die umweltzerstörerische Ausbeutung der Natur. Die Produktion in unserer heutigen Gesellschaft richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen und der Natur, sondern nach den ökonomischen Interessen einiger Weniger. Klimawandel, Verlust von Wäldern und Biodiversität, das massive Artensterben, Verlust der Bodenfruchtbarkeit sind Folgen dieser kapitalistischen Produktionsweise. Ein nachhaltiger oder grüner Kapitalismus ist nicht möglich, da die Ursachen für die Klimakatastrophe in den Wurzeln der Produktions- und Eigentumsverhältnisse dieses Systems liegt. Eine radikale politische Wende muss her, damit die bereits angerichteten Schäden überhaupt wieder repariert werden können.
Dazu müssen als erster Schritt nicht die Verbraucher, sondern die Unternehmer und Konzerne zur Kasse gebeten werden. Wer Schäden an Umwelt und Natur anrichtet, soll diese auch zahlen und entschädigen. Heutzutage werden Konzerne noch zusätzlich subventioniert und sogar gefördert, was ihnen das falsche Signal gibt: Nämlich bis zum Äußersten auszubeuten, wo es geht. Diese radikalen Umweltschutzmaßnahmen müssen zugleich auch als Schutz der Arbeitskraft und der Menschen verstanden werden, denn die an diesen Industrien hängenden Arbeitskräfte müssen sozial abgefangen und in anderen Bereichen untergebracht werden. Schlüsselindustrien des Umweltschutzes (Energiewirtschaft, Transport und Landwirtschaft) müssen kollektiviert werden, um sowohl eine weltweit soziale Welt zu schaffen, als auch das parallele Leben von Mensch und Natur zu gewährleisten. Es geht primär nicht um Verbote von Kohle oder Erdöl, sondern das ein anständiges Gleichgewicht gefunden wird, wie man nachhaltig und umweltbewusst leben kann. Soziales Wohnen, energetische Modernisierung auf Kosten der Immobilienhaie, eine Verkehrswende, Produktion von umweltschädlichen Luxusartikeln usw. sind wichtige Schritte, die weiter ausgebaut werden müssen. Umweltschutz ist ein gesellschaftliches Thema und darf nicht individualisiert werden.
Mit freundlicher Genehmigung aus: Junge Stimme, DIDF-Jugend