Wir brauchen massive Arbeitszeitverkürzung!
Ein heißer Herbst steht für die arbeitenden Menschen bevor. Schneller als befürchtet, bewahrheitet sich, was wir immer wieder betont haben: Der Industrie im Lande, nicht nur der Metallindustrie oder der Autoindustrie, drohen dramatische Veränderungen und massive Jobverluste! Auch durch die Energiewende und die Umstellung der Automobilwirtschaft auf Elektromobilität drohen immer mehr Jobs wegzufallen.
Gerade kämpfen Kolleginnen und Kollegen des Automobilzulieferers Mahle in Stuttgart in gemeinsamen Aktionen über ihre Standorte hinweg gegen den Abbau von mehreren hundert Stellen! (Vgl.: Eigener Bericht und https://www.arbeit-zukunft.de/2019/08/01/solidaritaet-ueber-grenzen-hinweg/ ) Doch das ist erst der Anfang. Es geht keineswegs nur um den Automobilsektor.
Mittlerweile überschlagen sich branchenübergreifend die Meldungen: 12.000 Arbeitsplätze will Ford in Europa streichen, ebenso viele Jobs bei Bayer, bei Volkswagen stehen etwa 7.000, möglicherweise sogar 20.000 Jobs auf der Kippe, bei BASF und Thyssen-Krupp sind es jeweils rund 6.000, bei Siemens steht die Zahl 2.700, und bei der Telekom könnten rund 1.200 Stellen wegfallen, bei der Deutschen Bank sogar bis zu 20.000!
Technologischer Fortschritt und die durch ihn bewirkte Produktivitätssteigerung treiben die weitgehende Neustrukturierung in Industrie-, Logistik- und Handel voran: modernste IT-Technologie, die Digitalisierung aller Kommunikations- und Steuerungssysteme, kurz, die so genannte Industrie 4.0. Es handelt sich um eine historische Entwicklung, die von der ganzen Gesellschaft, insbesondere aber von den Menschen bewältigt werden muss, die nur ihre Arbeitskraft besitzen und von deren Verkauf leben müssen.
Aber die Klasse der Kapitalisten beansprucht die Profite aus dieser Entwicklung für sich, während sie die Folgen und ihre Kosten der Gesellschaft aufbürdet: Die Gesellschaft soll massive Verarmung stemmen. Millionen droht die Erwerbslosigkeit. Aber diese Krise, erfasst auch die Kapitalistenklasse selbst: Denn die neue Technologie verschärft auch die Vernichtungskonkurrenz der kapitalistischen Konzerne und Monopole unter sich. Auch das kostet Arbeitsplätze, bringt noch mehr Erwerbslosigkeit. Diese Gesellschaft hat unter dem Diktat des Kapitals kaum eine Chance, aus der Krise zu herauszufinden.
Internationale imperialistische Konkurrenz!
Andererseits bringen immer heißere internationale Konflikte zwischen den großen und kleineren imperialistischen Mächten weitere Verschärfungen der Lage, vor allem der Konflikt zwischen dem US-Imperialismus unter Präsident Trump, der EU, aber besonders auch der aufstrebenden Supermacht China. Zwischen China und den USA eskaliert der Handelskrieg mit Zöllen, der aber auch die Konkurrenz mit der EU erfasst hat. In aggressiver Weise zwingt Trump als Haupt des US-Imperialismus den Konkurrenten, darunter auch dem deutschen Imperialismus seine Prioritäten auf.
Es geht um die Beherrschung, Aufteilung bzw. Neuaufteilung der Welt, Beherrschung und Ausbeutung vor allem der Staaten im mittleren Osten in Asien, Lateinamerika. Die Kriege im Mittleren Osten, die Kriegsdrohungen und der völkerrechtswidrige Handelskrieg der USA gegen Iran tun ein übriges. Iran zeigt, dass viele Ländern dagegen Widerstand leisten.
Das von den USA erzwungene Sanktionsregime, die um sich greifenden Strafzölle beeinträchtigen zunehmend die kapitalistische Weltwirtschaft. Sie ist von störungsfreien Exporten und Importen abhängig. Selbst Firmen, selbst Monopole verbündeter Staaten, die die US-Sanktionen nicht beachten, werden von den USA bedroht, so dass viele ihre Geschäfte im Mittleren Osten einfach einstellen. Der Ölpreis steigt, was die Konjunktur weltweit bedroht.
Rezession?
Das spürt die traditionell auf Export getrimmte deutsche Wirtschaft. Aufträge, zum Beispiel im Maschinenbau brechen weg, Automobilzulieferer geraten in die Krise. Seit kurzem wird offen von Rezession geredet. Die Party sei endgültig zu Ende, so die Stuttgarter Zeitung. Gemeint ist die Hochkonjunktur der letzten Jahre in Deutschland mit sprudelnden Profiten und steigender Beschäftigung. Immer mehr Firmen melden inzwischen Kurzarbeit an, lassen sich von der Agentur für Arbeit über die Kurzarbeitsmodalitäten beraten.
Aber das Kapital interessiert sich im Kern nur dafür, wie der Profit gesichert werden kann, auf Kosten der Arbeitnehmer/innen. Lassen sie sich auf das Kurzarbeitergeld-Kalkül ein, dann nur, wenn sie versuchen, zunächst eine Durststrecke zu überbrücken oder qualifizierte Arbeitskräfte zu halten, die auf dem aktuellen Arbeitsmarkt schwer zu finden sind. Dafür zapfen sie per Kurzarbeitergeld die Sozialkassen an. Andere, so z. B. Mahle, versuchen gleich, „überflüssige“ Arbeiter/innen und Angestellte durch Massenentlassungen loszuwerden. Nach wie vor droht nach einem Jahr Hartz IV, wenn es nicht gelingt, eine neue Arbeit zu finden. Wenn die Konjunktur einbricht, wird das schwer.
Es geht nicht um den einzelnen Betrieb, es geht um die Gesellschaft
Die beginnende Rezession und die ruinöse Konkurrenz überlagern sich mit der massiven Umstrukturierung auf Grund von „Industrie 4.0“. Deshalb stehen wir vor schweren Krisenzeiten. Es ist gut, dass Belegschaften sich dagegen wehren, die Arbeit niederlegen und auf die Straße gehen, dass in Berlin am 26. Juni 2019 mehr als 50.000 IG-Metaller/innen für ihre Rechte und Arbeitsplätze auf die Straßen gingen (siehe unseren Bericht: https://www.arbeit-zukunft.de/2019/06/30/berlin-29-6-19-50-000-kamen-zur-fairwandel-demo/).
Aber gerade weil es hier nicht um eine Konjunkturdelle geht, wie die Bundesregierung abwiegelt, sondern um eine erstrangige gesellschaftliche Frage – Arbeit und Gesellschaft werden grundlegend umgestaltet – darum braucht auch der Kampf der Lohnabhängigen eine gesellschaftliche Perspektive, die über die Grenzen des Unternehmens oder Betriebes hinausweist.
Die Mahle-Aktionstage, so wichtig sie waren, zeigen die Belegschaft noch auf sich selbst zurückgeworfen. Solidaritätsdelegationen von Daimler, Bosch oder aus Portugal sind nur ein Anfang!
Illusion Co-Management
Die DGB-Gewerkschaften setzen trotz vieler Aktionen auf die Illusion von Kooperation und Co-Management. Günstigenfalls stehen am Ende betriebliche Abkommen, die mal Personalabbau aufschieben oder verringern, mal Eigenkündigungen mit Abfindungen garnieren, mal Sozialpläne, mal Transfergesellschaften oder Qualifizierungsprogramme schaffen. Die Entfernung von Menschen und Arbeitskraft aus dem Betrieb verhindern sie fast nie. Und die betroffenen Einzelbelegschaften kämpfen in der Regel allein! Forderungen nach Fairness (Die Demo in Berlin hieß „fairwandel“!), nach besserer Kurzarbeit, nach einem „Transformations-Kurzarbeitergeld“ (IG Metall) bilden aktuell die Begleitmusik. Wir lehnen Reformen nicht ab, die Arbeiter/innen und Angestellten reale Erleichterungen verschaffen, wenn der Job-Klau läuft. Aber das greift zu kurz.
Die Gesellschaft braucht massive Arbeitszeitverkürzung auf breiter Front, nicht in irgendeiner Branche oder irgendeinem Konzern. Sie braucht vom Kapital bezahlte Qualifizierung und Umschulung und menschenwürdige Ausstiegsregelungen für ältere Kolleginnen und Kollegen, die letzteres nicht mehr schaffen.
Schaffen wir eine breite Bewegung mindestens für die 30-Stundenwoche!
Ohne entschlossenen Kampf – ohne massive Vollstreiks ist eine 30 Stundenwoche bei vollem Lohn- und Gehaltsausgleich nicht erreichbar, ein Akt offensiven Klassenkampfes, der die Gesellschaft aufwühlen wird. Wir sind uns dabei bewusst, dass „30 Stunden!“ eigentlich nur eine Mindestforderung ist. Längst werden kürzere Arbeitszeiten diskutiert. Selbst für „30-Stunden!“ aber ist die breiteste politische Diskussion in weiten Bereichen der Gesellschaft unerlässlich. Der 12-wöchige Vollstreik (!) an der norddeutschen Küste brachte 1956 nur den ersten Einstieg in die Lohnfortzahlung bei Krankheit – und wäre doch undenkbar gewesen ohne breite, kreative, gesellschaftliche Solidarität. Auch der Einstieg in die 35-Stundenwoche benötigte wochenlange massive Streikaktionen, es gab sogar gewaltsame Übergriffe gegen Streikende!
Deshalb müssen als erstes die Mitgliedermassen wenigstens der wichtigsten Gewerkschaften überzeugt sein, und ihre Gewerkschaftstage zu entsprechenden Beschlüssen bringen. Ein breites Feld kämpferischer Auseinandersetzung und Debatte unter den Vertrauensleuten und in den Betrieben! Aber auch der Kampf um die öffentliche Meinung muss offensiv geführt werden.
Selbst eine massive Bewegung heute würde wohl erst einen Einstieg in die 30 Stunden bringen. Begrenzte Erfolge bleiben prekär, zeitweilig, da sich das Kapital nie geschlagen gibt. Der Kapitalismus macht alles nur vorläufig, alles hängt von Kampfbereitschaft, Bewusstheit und Solidarität der arbeitenden Menschen ab.
Einen gesicherten Anteil aller Menschen an Arbeit und Auskommen, der in der Gesellschaft nicht ständig in Frage gestellt wird, gibt es im Kapitalismus nicht. Nur eine nichtkapitalistische, sozialistische Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung kann das leisten, denn sie kann planen. Deswegen muss auch die Auseinandersetzung in der erneuten Krise und um eine massive Arbeitszeitverkürzung zum Bestandteil des Kampfes für den Sozialismus werden.